«Firmen bewerben sich bald bei den Arbeitnehmern»
Wie sieht die Zukunft des HR aus? Diesem Thema widmete sich die Avenir Group im Rahmen einer Veranstaltung. Die Experten sind sich einig: In der heutigen Form wird es die HR-Abteilung morgen nicht mehr geben.
Candidate Experience ist noch immer nicht überall der Normalfall (Bild: Universität München)
Was die Zukunft bringt, weiss niemand. Doch gewisse Entwicklungen lassen sich dennoch mehr oder weniger treffend vorhersagen. Und spannende Visionen, gute Ideen und kreative Vorschläge haben viele.
Auch Marcel Oertig, Partner bei Avenir, hat ein Szenario für die Workforce der Zukunft. Er geht von einer Flexibilisierung der Belegschaften aus: «Wir stellen die Hypothese auf, dass der Anteil der nicht Festangestellten zunimmt», sagt Oertig. Firmen werden künftig mehr mit externen Partnern zusammenarbeiten, und HR-Fachleute werden mehrere Arbeitgeber haben. Unter dem Stichwort «Flexibles Sourcing von HR-Kompetenzen» skizziert Oertig die mögliche Entwicklung des HR: Firmen beschäftigen ein kleines, flexibles und professionelles Kernteam. Als Ergänzung des Kernteams fungiert ein HR-Lösungsteam, und diese beiden können bei Bedarf auf ein erweitertes HR-Team zurückgreifen, bestehend aus Freelancern und Temporär-Angestellten. Und gewisse Kompetenzen werden an Dritte ausgelagert.
Konkurrenz und Kostendruck
In der anschliessenden Podiumsdiskussion geht es ebenfalls um die Flexibilisierung der Belegschaften. Auf die Frage, wie sich das HR-Team in Zukunft verändern wird, antwortet Christoph Abplanalp, Partner bei Avenir: «Die Flexibilisierung der Belegschaft wird kommen. Das führt zu einer neuen Art von HR governance, und darin sehe ich die Herausforderung.» Volker Stephan, Leiter HR bei ABB Schweiz, geht davon aus, dass wegen der Globalisierung des Arbeitsmarkts die Komplexität zunimmt: «Die Konkurrenz wird grösser, zum Beispiel bei Ingenieuren.» Grösser werde auch der Kosten- und Wettbewerbsdruck, ist Stephan überzeugt. «Die Firmen müssen sich durch Differenzierung einen Wettbewerbsvorteil schaffen, dafür sind aber individuelle Lösungen nötig.» Das dafür nötige Talent Management stehe allerdings in Konflikt mit dem Kostendruck.
Michaela Christian Gartmann, Territory Human Capital Leader Schweiz bei PwC, betont die Wichtigkeit der verstärkten internen Kooperation, gerade im Bereich Rekrutierung. Yves-André Jeandupeux dagegen, Leiter Personal der Schweizerischen Post, sieht die Zukunft des HR im Outsourcing. «Im Ausland wird bereits viel mehr ausgelagert. In der Schweiz geht es uns noch zu gut. Doch mit den steigenden Kosten wird das HR-Outsourcing auch in der Schweiz kommen.»
HR-Team wird kleiner
Und wie sieht das HR in 20 Jahren aus? Jeandupeux hat eine klare Vision: «Innerhalb des Konzerns wird ein Kernteam bleiben, als Business Partner, der Rest wird ausgelagert.» Das sieht auch Michaela Christian Gartmann von der PwC so: «Das HR-Team wird kleiner, dafür geht es mehr Kooperationen mit anderen Unternehmen und Spezialisten ein.» Contingent workers, also befristet angestellte Mitarbeiter, werden zunehmend eine Rolle spielen.
ABB-Personalleiter Volker Stephan rechnet damit, dass sich das HR weiter globalisiert und zudem mehr automatisiert. «Die Administration wird reduziert.» Ein ganz neues Szenario zeichnet Abplanalp von Avenir: «Die Firmen werden sich bei den Mitarbeitern bewerben, statt wie heute die Mitarbeiter bei den Firmen. Der HR Manager wird vermehrt zum Talent Scout.» Wie die anderen HR-Professionals geht auch Abplanalp davon aus, dass künftig nur noch ein Kernteam das HR in den Unternehmen managt. «Vieles wird ausgelagert.»