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Flexible Arbeit, ihr Wert und ihr Image

Welchen Wert hat flexible Arbeit eigentlich? Und für wen? Profitiert in erster Linie das Unternehmen, das durch flexible Arbeitnehmende seine Produktion just in time an die Nachfrage anpassen kann? Oder profitieren vor allem die Flexworkers, die Arbeit, Frei-zeit und Ausbildung ganz nach ihren Wünschen kombinieren können? Oder profitieren beide?

Anbieter und Nutzniesser im -Ungleichgewicht

Diese Fragen sind nicht einfach zu beantworten und erhitzen die Gemüter regelmässig. Je nach Situation profitiert vermutlich einmal das Unternehmen und einmal die Arbeitnehmerin mehr. Schwierig wird es, wenn die Waage zwischen jener Seite, die Nutzen aus der Flexibilität zieht, und jener, die die Flexibilität zur Verfügung stellt, zu arg aus dem Gleichgewicht gerät. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Arbeitgeber seinen Flexworkers völlig planlose Flexibilität abverlangt und diese überhaupt nicht voraussehen können, wann und wie viel sie arbeiten und verdienen. Handkehrum ist die Balance auch nicht gegeben, wenn ein Mitarbeiter Telearbeits-Möglichkeiten missbraucht und der Arbeitgeber die Kontrolle verliert, wann sein Mitarbeiter erreichbar ist beziehungsweise arbeitet.

Klar ist, dass flexible Arbeit hüben und drüben Vorteile bringt, die auch entsprechend honoriert werden sollten. Mitarbeitende müssten Homework-Angebote, moderne Büroplatzgestaltung mit Ruhe-, Rückzugs- und Arbeitsräumen im Freien zusammen mit dem Lohn, den Ferien und den Sozialleistungen des Arbeitgebers als Gesamtpaket betrachten. Andererseits sollte eine Firma, die ihre Mitarbeitenden je nach Auftragslage auf Abruf einsetzt oder temporär beschäftigt, die gebotene Flexibilität entschädigen – zum Beispiel mit einer Zusatzprämie auf dem Lohn.

Beides ist heute selten der Fall. Das Problem liegt beim Gesetz von Angebot und Nachfrage. Häufig ist gerade die Seite, die aus der Flexibilität Nutzen zieht – sie also nachfragt –, in der komfortableren Situa-tion, weil das Angebot grösser ist. Ein Unternehmen, das für massenweise organisierte Tätigkeiten einen wechselnd grossen Belegschaftskreis an einfach Qualifizierten benötigt, kann aus einem Pool an Stellensuchenden schöpfen, die aufgrund der steigenden Anforderungen Mühe haben, am Arbeitsmarkt überhaupt Fuss zu fassen (siehe Grafik). Der Anreiz des Unternehmens, diesen Flexworkern eine Flexibilitätsprämie zu entrichten, ist demzufolge gering. Handkehrum stellen die Unternehmen gerade für Mitarbeitende am anderen Ende der Qualifikationsskala Telearbeit, Gratiskantinen und Sabbaticals kostenlos bereit, weil sie im War for Talents, der um die knappen Spezialisten entbrannt ist (siehe Grafik), keine andere Wahl haben, diese für sich zu gewinnen. Das Talent kann also auswählen, wo es arbeiten will, und gar noch einen Lohnzuschlag aushandeln. Für die Flexibilität, die ihm geboten wird, muss es nichts bezahlen.

Natürlich gibt es auch genügend Fälle, in denen ein flexibles Arbeitsverhältnis als -Win-win-Lösung eingegangen wird – wie zum Beispiel die Lehrabgängerin, die über einen Temporärjob die Chance erhält, sich im Unternehmen zu beweisen, und danach als Fest-angestellte übernommen wird; oder der langjährige Mitarbeiter, der aus familiären Gründen einen Teil der Arbeitszeit von zu Hause aus leisten möchte und dessen Know-how dank elektronischem Fernzugriff der Firma erhalten bleibt. Trotzdem wird die gebotene Flexibilität in etlichen Fällen nicht honoriert, was zu Kritik und Imageproblemen führen kann.

Der GAV Personalverleih – Anreiz zur Entschädigung der Flexibilität

Gibt es eine Lösung? swissstaffing meint ja – zumindest für das eine Ende des Spektrums, nämlich im neuen GAV Personalverleih. Er schafft einen Standard mit Mindestbestimmungen, die für alle gelten. Solche Eingriffe in den freien Markt rechtfertigen sich dann, wenn der Markt sonst versagt beziehungs-weise einen Abwärtswettlauf produziert, in dem schlussendlich nichts mehr für die gebotene Flexibilität verlangt wird. Wie wir gesehen haben, funktioniert das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage im Falle der flexiblen Arbeit häufig nur einseitig.

Der Markt produziert zwar eine Lösung. Aufgrund der Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage wird für die gebotene Flexibilität aber kein (Auf-)Preis bezahlt. Ein Standard mit gewissermassen einer «Mindestflexibilitätsprämie» kann hier Abhilfe schaffen. So enthält der GAV Personalverleih Mindestlöhne, Arbeitszeitmaxima und Zuschlagsregelungen für Überzeitarbeit.

Die Bestimmungen des GAV Personalverleih können im einen oder anderen Fall auch dazu führen, dass Temporärarbeitende andere oder bessere Arbeitsbedingungen haben als das interne, festangestellte Personal im Einsatzbetrieb (siehe Kasten). Solche Unterschiede sollte man als Kompensation für die durch die Temporärarbeitenden gebotene Flexibilität verstehen. Die Temporärmitarbeiterin hat nämlich kürzere Kündigungsfristen als eine Festangestellte und weiss häufig nicht genau, wie lange ihr Einsatz dauert und wo sie danach arbeiten wird.

Deshalb ist es legitim, dass Temporär-arbeitende – gemäss neuem GAV – zum Beispiel ab der zehnten Tagesarbeitsstunde einen Überzeitzuschlag erhalten, auch wenn dem festangestellten Personal im selben Betrieb solche Überzeitstunden durch Freizeitkompensation statt Lohnzuschlag vergütet werden. Der Temporärarbeiter kann nämlich gar nicht richtig kompensieren. Das Wesen seines Arbeitsangebots liegt ja gerade darin, dass er nur dann zum Einsatz kommt, wenn das Unternehmen Spitzenzeit hat, und bei Flaute dagegen gar nicht unter Vertrag steht beziehungsweise in einem anderen Einsatzbetrieb mit Hochbetrieb arbeitet.

Rechtliche versus moralische Betroffenheit

Die Vorschriften des GAV Personalverleih gelten strikt rechtlich gesehen auf Arbeitgeberseite «nur» für die Personalverleiher und nicht für die Einsatzbetriebe. Wenn sich der Tarif einer Temporärarbeiterin aufgrund der neuen Mindestlohnvorschriften oder der ausgebauten Sozialleistungen erhöht, bedeutet dies für den Einsatzbetrieb sozusagen dasselbe, wie wenn sich das Produkt eines anderen Zulieferers – zum Beispiel Schrauben – aufgrund einer externen Gegebenheit – zum 
Beispiel eines höheren Stahlpreises – erhöht.

Ein – nicht zu vernachlässigender! – Unterschied liegt allerdings darin, dass es sich beim Personalverleih um Menschen und nicht um Schrauben handelt. Die Situation ist also doch nicht identisch. Während die Auswahl des Schraubenlieferanten für das Image des Käufers in der Regel nicht besonders oder nur indirekt relevant ist (mal abgesehen von der Frage, ob diese Schrauben mit Kinder-arbeit oder unter Emission von umweltschädigenden Partikeln fabriziert wurden), haben die Arbeitsbedingungen der im eigenen Betrieb tätigen Temporärarbeitenden einen direkten Einfluss auf die Reputa-tion des Einsatzbetriebes. Nicht selten wurden in der Vergangenheit Einsatzbetriebe für die Lohn- und Arbeitszeitbedingungen ihrer Temporärangestellten an den Pranger gestellt. Die Kritiker unterscheiden dabei nicht zwischen direkt und indirekt Beschäftigten. Für den Employer Brand ist das zweifellos schädlich. Potenzielle neue Mitarbeitende nehmen die Kritik wahr und lassen sich wohl kaum dadurch beruhigen, dass es ja «nur» die Temporärangestellten betrifft. Sie nehmen dann vielleicht woanders eine Stelle an. Und nicht zuletzt interessiert sich sicherlich auch das bereits angestellte, interne Personal für die Anstellungsbedingun-gen der Temporärarbeitenden. Was heute für sie (noch) nicht gilt, könnte ja ihre Zukunft sein.

Aus diesem Grund müsste es im ureigenen Interesse der Einsatzbetriebe liegen, wie die Arbeitsbedingungen ihrer Temporärangestellten geregelt sind, auch wenn sie dem GAV Personalverleih nicht direkt unterstehen. Denn sie sind imagemässig direkt betroffen.

Monats- und Stundenlohn – was häufig nicht bedacht wird

Beim Vergleich der Löhne von Temporärarbeitenden und Festangestellten geht häufig vergessen, dass ein Stunden- und ein  Monatslohn unterschiedlich aufgebaut sind. Die Monatslöhnerin erhält jeden Monat denselben Lohn, ob es nun Frühling ist mit seinen zahlreichen Feiertagen, ob die Mitarbeiterin Ferien bezieht oder Tag für Tag zur Arbeit erscheint. Am Ende des Jahres erhält sie zudem einen 13. Monatslohn. Der Stundenlöhner wird hingegen nur bezahlt, wenn er effektiv im Einsatz ist. Die Entschädigung für Feiertage, Ferien und den 13. Monatslohn ist deshalb im Stundenlohn enthalten.

Arbeitssicherheit spielend erlernen

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Mit diesem Grundgedanken hat die Eidgenössische Koordinationskommission für Arbeitssicherheit (EKAS) in Zusammenarbeit mit swissstaffing und weiteren Partnern eine CD/DVD lanciert, die die Arbeitssicherheit in Bildsprache vermittelt. Bildpaare mit Richtig- und Falsch-Situationen sowie drei Spiele richten sich an Temporärarbeitende und generell neu in eine Firma Eintretende. Denn zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses ist das Unfallrisiko deutlich erhöht. Mit ein paar Klicks und in spielerischer Manier können sich Neulinge auf ihren Arbeitseinsatz vorbereiten. Die visuelle Wissensvermittlung hat ausserdem den Vorteil, dass auch Arbeitnehmende ohne Deutschkenntnisse einfach in die Arbeitssicherheit eingeführt werden können.

Das Ganze ist nebst CD/DVD auch online auf
http://www.ekas.admin.ch/index-de.php?frameset=42 verfügbar.

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Myra Fischer Rosinger

Myra Fischer-Rosinger ist Direktorin von swissstaffing, dem Branchenverband der Personaldienstleister. Die Politologin und Volkswirtschaftlerin prägt die Entwicklung von swissstaffing seit 2006. Massgeblich beteiligt war sie an der Einführung des Gesamtarbeitsvertrags Personalverleih, der seit 2012 in Kraft ist. Im Branchenverband swissstaffing sind 300 schweizerische Personaldienstleister organisiert. Der Arbeitgeberverband ist Kompetenz- und Servicezentrum für die Temporärbranche und vertritt die Anliegen seiner Mitglieder gegenüber Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. www.swissstaffing.ch

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