HR Today Nr. 9/2019: swissstaffing-News

Flexwork: flexibel und sozial

Flexibles Arbeiten ist für Arbeitnehmende und Arbeitgeber ein zunehmendes Bedürfnis. Doch die Flexibilität sollte nicht auf Kosten der sozialen Absicherung gehen. Die Temporärarbeit erweist sich im Vergleich zu anderen Arbeitsformen in diesem Kontext als sehr fortschrittlich.

Die Arbeitswelt befindet sich im Umbruch: Produktion, Handel und Konsum werden durch neue Technologien und globale Märkte revolutioniert, wobei die neue Art des Wirtschaftens tiefgreifende Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt auslöst. Einerseits führen diese Umwälzungen zu sich rasch wandelnden Berufsbildern, die von Arbeitnehmenden eine stete Entwicklung erfordern. Andererseits entstehen mit dem technologischen Wandel auch neue Lebenskonzepte, in denen nicht die Arbeit, sondern das Privatleben an erster Stelle steht.

Damit gewinnt flexible Arbeit für zwei Gruppen von Arbeitnehmenden an Bedeutung: Arbeitnehmende, die eine Brücke zwischen zwei Festanstellungen suchen, und Menschen, die sich bewusst für mehr Flexibilität in ihrem Leben entscheiden. Sie verbindet ein zentrales Bedürfnis: Flexible Arbeit und die soziale Absicherung sollen vereinbar sein.

Flexibel heisst nicht unsicher

Mit der Temporärarbeit existiert eine erprobte Arbeitsform, die Flexibilität und soziale Absicherung zusammenbringt. Während Arbeitnehmende bei Projekten und Auftragsspitzen Einsätze in Unternehmen flexibel ausführen, sind sie gleichzeitig sozialversichert – über ihren gesetzlichen Arbeitgeber, das Temporärunternehmen. Fragen wie Scheinselbstständigkeit oder fehlende Absicherungen gegen Krankheit, Unfall, Alter und Arbeitslosigkeit stellen sich nicht.

Im Vergleich zur Selbstständigkeit sind dies gewichtige Vorteile. Denn Selbstständige können sich nicht oder nur zu hohen Kosten gegen einige der genannten Risiken absichern. Das Konzept der Temporärarbeit passt daher hervorragend in die neue Arbeitswelt. Kein Wunder, hat sich ihr Anteil an der Gesamtbeschäftigung seit der Jahrtausendwende mehr als verdoppelt.

Temporärarbeitende: besser versichert

Mit Blick auf die soziale Absicherung sind Temporärarbeitende dank dem GAV Personalverleih besser als Arbeitnehmende gemäss OR oder Empfänger von Arbeitslosenentschädigungen versichert. Ein Beispiel ist die berufliche Vorsorge: Da die Eintrittsschwelle und der Koordinationsabzug auf den Stundenlohn heruntergebrochen werden, sind alle Temporärarbeitenden spätestens ab der 14. Arbeitswoche in einer Pensionskasse versichert. Ist eine längere Einsatzdauer von Beginn weg absehbar oder hat der Arbeitnehmende unterstützungspflichtige Kinder, ist er bereits ab dem ersten Einsatztag versichert. Etwaige Lücken in der Altersvorsorge werden auf diese Weise minimiert.

Bei einer Erkrankung erweist sich die Temporärarbeit sogar als Glücksfall. Denn ein Temporärmitarbeitender erhält ab Arbeitsantritt 720 Tage lang 80 Prozent an Lohnausfallentschädigung, wenn er unterstützungspflichtig ist oder in einem Einsatzbetrieb arbeitet, der einem ave-GAV unterstellt ist. In den übrigen Konstellationen hat ein Temporärarbeitender in den ersten 13 Arbeitswochen Anspruch auf 60 Tage Erwerbsausfall. Danach verlängert sich der Anspruch auf 720 Tage.

Zum Vergleich: Selbstständige können sich nur teuer gegen dieses Risiko versichern. Arbeitnehmende gemäss OR erhalten nach Zürcher Skala im ersten Dienstjahr lediglich drei Wochen lang eine Lohnfortzahlung und Empfänger von Arbeitslosenentschädigung haben nur 30 Tage Anspruch auf eine Entschädigung.

Weiterbildung ist gefragt

Der rasche technologische Wandel ist für Arbeitnehmende eine besondere Herausforderung. Fertigkeiten, die vor kurzer Zeit noch notwendig waren oder zukunftsweisend wirkten, können binnen weniger Jahre auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr gefragt sein. Weiterbildungsmöglichkeiten – auch über das eigene Berufsprofil hinaus – sichern deshalb zunehmend den langfristigen Erhalt der individuellen Arbeitsmarktfähigkeit ab.

Mit dem paritätischen Weiterbildungsfonds temptraining haben Temporärarbeitende die Möglichkeit, in der Schweiz eine massgeschneiderte Weiterbildung aus einem Angebot von über 1000 Weiterbildungsinstituten auszuwählen. Je nach Einsatzdauer erwerben sie derzeit Ansprüche auf Weiterbildungsleistungen von bis zu 5000 Franken und können zusätzlich eine Lohnausfallentschädigung von 2250 Franken erhalten. Das einzige Kriterium für ihren persönlichen Weiterbildungsentscheid: ein Bezug zu ihrer beruflichen Entwicklung.

Eine Brücke

Zum freien Entscheid für die Flexibilität gehört aber auch die Möglichkeit, in absehbarer Zeit in ein klassisches Anstellungsmodell zurückzukehren. Eine Analyse der Beschäftigungssituation von Temporärarbeitenden zeigt: Sucht ein Temporärarbeitender langfristig eine feste Anstellung, hat gut jeder zweite diese 24 Monate nach Temporärarbeitsbeginn gefunden – unabhängig davon, ob er von Beginn an eine Feststelle gesucht hat oder sich bewusst für eine flexible Arbeitsphase entschieden hat.

Die Zahlen zeigen: Der Weg in die Flexibilität ist keine Einbahnstrasse sondern eine intakte Brücke im Erwerbsleben. Umgekehrt gilt: Suchen Temporärarbeitende die Flexibilität, setzen sie dieses Bekenntnis um. 24 Monate nach Beginn der Temporärarbeitsphase stehen maximal 25 Prozent wieder in einem festen Anstellungsverhältnis.

Verantwortungsvolle Plattformen

Die Temporärarbeit entspricht nicht nur dem Zeitgeist, sondern könnte auch die Lösung für die Absicherung der aufkommenden Plattformarbeit sein. Uber, der Inbegriff dieser Arbeitsform, sieht sich in zahlreichen Ländern dem Vorwurf ausgesetzt, er müsse als Arbeitgeber und nicht als Vermittlungsplattform auftreten. Eine Analyse der Plattform-Landschaft in der Schweiz zeigt: Die meisten verstehen sich hierzulande nur als Vermittler. Daher dürfte die Mehrheit der vermittelten Erwerbstätigen als Selbstständige oder im Nebenverdienst tätig sein.

Dass es auch anders geht, beweisen die Plattformen ADIA, Coople und Smartstaff. Bei ihnen sind Plattformarbeitende als Temporär-arbeitende angestellt und entsprechend sozialversichert – eine Lösung mit Zukunftspotenzial für Unternehmen, Temporärarbeitende und die sozialen Sicherungssysteme.

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Die Abbildung ist eine Einschätzung von swissstaffing basierend auf den Angaben der jeweiligen Webseite und ordnet Schweizer Anbieter von Plattformarbeit der genutzten Arbeitsform zu. Aufgrund rechtlich noch offener Fragen, zusätzlicher Dienstleistungen der Anbieter oder dem Mindset der Plattform können die Grenzen zwischen den Arbeitsformen mitunter verschwimmen. Alle Angaben erfolgen deshalb ohne Gewähr für Vollständigkeit oder Richtigkeit und swissstaffing übernimmt keinerlei Haftung aus sämtlichen Rechtsgründen durch die Verwendung von Informationen aus dieser Abbildung durch Dritte oder durch das Fehlen von Informationen.

White Paper

Im White Paper «Flexwork und soziale Absicherung» hat swissstaffing die soziale Absicherung flexibel arbeitender Menschen, sogenannter Flexworker, in unterschiedlichen Arbeitsformen untersucht. Dabei erweist sich Temporärarbeit sozialpolitisch als beispielhaft. Jetzt mehr erfahren: www.swissstaffing.ch/whitepaper.
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Marius Osterfeld ist Ökonom bei ­swissstaffing.

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