Im Gespräch

Frauennetzwerke bringen Frauen nicht weiter, Underselling schon

Peter Waser ist CEO der Microsoft Schweiz GmbH. Fünf Mitarbeitende seiner zwölfköpfigen Geschäftsleitung sind 
Frauen. Kaum ein Unternehmen dieser Grösse in der Schweiz kommt dieser Diversity in der GL nach. Welchen Motiven Peter Waser bei dieser Personalpolitik folgt, erklärt er HR Today im Interview.

In der vorletzten HR Today-Ausgabe berichtete an dieser Stelle Professor Michel E. Domsch von der Wirtschaftsfakultät der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg über den, wie er es formulierte, «überzogenen Stellenwert männlicher Führung und Machtdenken unserer Gesellschaft» und brachte die unterschätzte Entscheidungskraft von weiblichen Fachkräften in den Diskurs. Wie ist Führung bei Microsoft Schweiz gewichtet?

Peter Waser: Ich kann diesen Gedanken gut folgen, denn die Frage ist, woraus sich gute Führung zusammensetzt. Sie ist eine Kombination von Inhalt, also fachlichem Wissen, und Struktur. Beide bilden sozusagen eine Matrix, die zusammen Führungsqualität ausmacht. Mir ist es wichtig, dass die fünf Frauen, die bei uns Geschäftsleitungsmitglieder sind, in ihrem jeweiligen Fachbereich Expertinnen sind. Das ist für mich primärer Entscheidungsaspekt.

Sind die fünf also bewusst wegen ihres Fachwissens in der GL?

Da mir das Expertentum in der Führungsposition grundsätzlich so wichtig ist, entscheide ich instinktiv so. Als die Position des CFO frei wurde, gab es einen Kandidaten und eine Kandidatin, wobei der Kandidat fachlich Vorsprung hatte. Bei dieser Entscheidung habe ich nicht überlegt, wer die besseren Führungsqualitäten hat, oder ob es ein Mann oder eine Frau ist, sondern wer mit den Inhalten am besten vertraut ist und mit dem Wissen am besten zur Führung geeignet ist. Und das war der männliche Anwärter.

Ein anderes Beispiel ist die Kreierung einer neuen Position auf GL-Ebene. Eine der Frauen in unserem Top Management ist Spezialistin im Bereich Sustainability. Sie hat sich dieses Fachwissen ausserhalb ihrer Zeit bei Microsoft während eines Sabbatical angeeignet und erzählte davon. Ihre Ideen gaben mir die Inspiration, eine Stelle zur aktiven Förderung von Nachhaltigkeit bei uns einzuführen. Und da diese Position in alle Bereiche und Abteilungen eindringt, wurde sie Mitglied der GL. Bei Software können Sie viel sparen. Sie müssen nur wissen wie. Das beginnt schon bei Microsoft selber am eigenen Arbeitsplatz und dringt in alle Produktivitätsprozesse, intern und extern. Da uns ein aktiver Beitrag für umweltschonende Arbeitsmethoden wichtig ist, haben wir diese Jobposition für diese Kollegin, die mit der Idee kam, neu eingerichtet.

Fallen Ihnen bestimmte Arbeitsweisen bei Frauen im Top Management auf?

Ja, ich beobachte häufig einen sehr fokussierten Arbeitsstil für bestimmte Themen. Frauen  verfolgen Inhalte mit vergleichsweise mehr Durchhaltevermögen. Das macht Frauen sehr verlässlich. Ein männlicher Kollege von mir bestätigte neulich diese Beobachtung.

Wenn Frauen bei Ihnen mit inhaltsorientierter Zuverlässigkeit punkten, tun sie das im Sinn eines Verkaufsarguments auch für sich selber?

Nein, absolut selten, und genau das schätze ich ja so. Frauen markieren ihre Positionen nicht, haben keinen offensichtlichen Machtanspruch und konzentrieren sich auf die Sache.

Manche nennen das Underselling …

Manche vielleicht schon, aber ich muss mir keine Worte des Verkaufs anhören, um die Fähigkeiten einer Person einzuschätzen.

Haben Sie Vorgaben aus den USA, was die Diversity in der GL betrifft?

Wir haben keine Sakrosanktvorgabe in Form von Zahlen. Insgesamt arbeiten in unserer Branche nur 20 Prozent Frauen. Aus Sicht von Microsoft USA wird ein guter Mix an Diversity erwartet, und das sind 30 bis 40 Prozent. Wie in allen Aspekten des Geschäfts nehmen wir auch bei der Diversity immer die Besten als Benchmark. Und das sind Schweden, Norwegen, Spanien und Portugal in 
Europa.

Wo läuft es weniger divers?

In Deutschland und Grossbritannien beispielsweise.

Es gibt gewisse Executive Searcher in der Schweiz, die behaupten, es gebe keine passenden Frauen für Top-Positionen. Wie finden Sie Ihre?

Es gibt verschiedene Wege. Oft bringen weibliche GMs immer häufiger weibliche Kollegen in ihre Teams hinein. Und meinerseits gebe ich den Searchfirmen konkret den Auftrag, eine Frau für entsprechend freie Posten zu finden. Es ist eine Frage des Willens, nicht nur des Marktes, die gewünschte Diversity auf Topebene zu finden.

Laufen Ihre Geschäftsleitungssitzungen anders ab, wenn Frauen dabei sind?

Ja. Wenn beispielsweise zwei Frauen einsitzen mit zehn Männern, achte ich darauf, dass sich alle gleichmässig einbringen. Zudem finde ich, dass sich unabhängig von der Anzahl Frauen und Männer Gespräche spannender gestalten, je mehr Personen mit unterschiedlichem Hintergrund daran teilnehmen und sich aktiv einbringen. Und da Frauen nach meinen Beobachtungen inhaltlich tendenziell stärker sind als Männer, wäre jede Zurückhaltung kontraproduktiv.

Braucht es in anderen Ländern auch eine Moderation?

Ich vermute in Norwegen und Schweden wohl eher nicht, aber in der Schweiz auf jeden Fall.

Der norwegische Staat gibt hohe Quoten in Verwaltungsräten in norwegischen Firmen vor. Was halten Sie von Quotenregelungen?

Es braucht gar keine Quoten, denn der Markt mit seinen demografischen Veränderungen wird das jetzt noch vorherrschende Ungleichgewicht von alleine lösen.

Haben Sie eine gezielte Pipeline für Frauen im oberen Management?

Ja, wir haben ein so genanntes «slate planning» mit zweistündigen Conference Calls pro Quartal. Während dieser Calls werden Nachwuchs-Rapports ausgetauscht mit besonderem Blick auf weiblichen Nachwuchs. Auf diese Weise betreiben wir regelmässige lebendige Förderung von Diversity.

Bei Männern nimmt man es als gegeben, dass sie Karriere machen wollen. Bei Frauen ist es noch nicht Standardannahme, sondern etwas Besonderes. Sind Sie auch noch in diesem Denkmuster verhaftet?

Ja, die Erwartungshaltung ist noch immer anders, was vor allem mit der Tatsache zu tun hat, dass Frauen wegen der Kinder zumindest zu einem Teil zuhause bleiben müssen oder wollen. Aus diesem Grund setzen Frauen wohl auch weniger Druck am Arbeitsplatz auf. Wir nehmen bei Microsoft alle stolz Anteil am Nachwuchs. Fast alle mitarbeitenden Mütter kommen nach der Geburt zurück.

Ein mit Probanden des Insead Executive Education Program durchgeführtes 360-Grad-Assessment zeigte, dass Frauen eine Schwäche haben sollen: Sie sind weniger stark im Ausdruck ihrer Visionskraft.(1) Teilen Sie diese Beobachtung?
Das habe ich noch nie beobachten können.

Wieso gibt es kaum weibliche Gurus für bestimmte Bereiche?

Gurus haben ein überdimensionales Sendebewusstsein. Ein weiblicher Guru würde meinen Beobachtungen nach ein Mismatch zu weiblichen Eigenschaften bedeuten.

Sind Sie Mitglied in Männernetzwerken?

Nicht weil sie sich explizit als Männernetzwerk bezeichnen, sondern weil auf unseren branchenspezifischen Treffen wenige Frauen präsent sind. Ich wünsche mir gemischte Netzwerke. Und ich bin mir auch nicht sicher, ob Frauennetzwerke mit dem Ziel der Diversität helfen. Wenn es um Diversity geht, sollten Netzwerke auch dementsprechend aufgestellt sein.

Peter Waser

Peter Waser ist Country General Manager von 
Microsoft Schweiz. Der Innerschweizer leitet die lokale Niederlassung seit rund drei Jahren. Er ist zudem Präsident der «Stiftung Produktive Schweiz» sowie Mitglied des Steuerungsausschusses des «Innovation Cluster for Embedded Systems», einer Forschungsinitiative in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich und der EPF Lausanne.

  • (1) 
Quelle: Harvard Business Review, January 2009, 
Seite 62–70
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Connie Voigt ist 
Executive Coach bei der Firma «Inside Out» sowie Gründerin der Netzwerkorganisation «Interculturalcenter.com GmbH». Zudem ist sie Dozentin für Organizational Behavior an der Edinburgh Business School, FHNW Basel und FU Berlin.

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