Wie hat sich die Führungskräfteentwicklung seit der Krise verändert?
Lukas Stucky: Es ist verfrüht, jetzt von «nach der Krise» zu sprechen. Wir befinden uns auch vier Jahre nach dem Ausbruch dieser grossen Krise noch immer mitendrin.
Damit einhergehend findet in der Finanzbranche ein signifikanter Umbruch statt. Dieser gründet in politischen Entscheidungen, die die Rahmenbedingungen fürs Private
Banking verändern – eine Entwicklung, die den Mitarbeitenden und Führungskräften im
Private Banking neue Kompetenzen abverlangt. Und darauf basiert auch unsere neue Führungskräfteentwicklungsstrategie.
Was bedeutet das aber nun konkret?
Zuerst einmal verändert sich der Alltag unserer Kundenberater. Die müssen sehr viel mehr Know-how haben und sich viel stärker mit Regulatorien aus aller Welt auskennen. Die Welt wird globaler und vernetzter und jeder ist über das Internet global informiert. Die Private Banker haben kaum mehr Informationsvorsprung gegenüber ihren Klienten und müssen demnach viel spezialisierter sein. Die ganzen Systemanpassungen und die Abwicklung erzeugen ferner hohe Kosten und diese stehen sinkenden Erträgen gegenüber.
Sie verarmen ...?
(lacht) Nein, doch die Zahl der Vermögenden nimmt nicht mehr in der westlichen Welt zu, sondern in den Schwellenländern, zum Beispiel in Asien. Diese Staaten haben starkes Wirtschaftswachstum und keine Krise. Darum entsteht das Vermögen in diesen Regionen, wohingegen hier hauptsächlich der Kapitalerhalt im Vordergrund steht. Die Banken werden demnach in den Schwellenländern ein Wachstumsmotor sein und nicht mehr bei uns.
Gibt es weniger Stellen in der Branche?
Von einer Stagnation in Westeuropa auszugehen, wäre eine optimistische Prognose ...
Was bedeutet das für die Gehälter?
Bis anhin hatten wir vor allem Wachstum der variablen Löhne. Die stehen jetzt unter Druck, und das wird aus heutiger Sicht auch so bleiben. Die Banken werden von der jährlichen Bonusverteilung wegkommen und einen längerfristigen Horizont beim Bonus-Malus-System einführen. Aus HR-Sicht sicher ebenso bedeutsam wie das Gehalt ist, dass die Kundenberater weniger eigenständig agieren können als bis anhin. Lange genossen sie grosse Freiheiten in der Art, wie sie ihre Kunden berieten. Diese Freiheiten werden nun durch die zunehmenden Kontrollen stärker reguliert. Dies beeinflusst auch die Führungsverantwortung.
Wo sehen sie also nun die Trends für die Führungskräfteentwicklung in Ihrer Branche?
Die Führung wird im Private Banking deutlich intensiver, aber auch transaktionaler.
Das steht im Gegensatz zu dem, was gängigerweise über Führung zu hören ist ...
Ja, das ist so, wir erleben in der Führungsentwicklung einen Gegentrend. Das ist aber nur das halbe Bild. Die andere Hälfte ist, dass derzeit die Dienstleistung am Kunden ebenfalls einem Umbruch unterliegt: Ad-hoc-Teams werden wichtiger; während früher Kundenberater ihre Kunden allein beraten konnten, sind sie heute stärker auf Spezialisten angewiesen. Und hier ist im Gegenteil vielmehr transformationale Führung gefragt und die Förderung von Teambuilding-Fähigkeiten, Sozialkompetenzen und so weiter.
Wie nehmen die Führungskräfte diese Veränderungen auf?
Diese Form der Führung kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie Bestandteil der Strategie ist.
Das gilt vermutlich nicht nur für die Bank ...
Nein, doch an anderen Orten sind die Führungsverhältnisse stabiler. Bei uns war die Führung oft eine Art Nebenamt, heute ist sie ein Jobprofil. Folglich können wir die Führungskräfteentwicklung nicht mehr so betreiben wie früher. In anderen Branchen sind die Führungskräfte bereits als solche etabliert.
Wie haben Sie die Führungskräfte darauf vorbereitet?
Zum einen müssen sie die Strategie verstehen und zum anderen gegenüber ihren Mitarbeitenden vertreten können; einverleiben und im Alltag vorleben. Denn Menschen folgen keinen gedruckten Worten, sondern dem Verhalten der Führungskraft. Eine Strategie muss schliesslich Menschen emotional berühren. Das ist nicht einfach für die Führungskräfte: Aus diesem Grund haben wir auch die neun wichtigsten Führungskompetenzen für das Profil jeder Führungsstufe
definiert.
Welche zum Beispiel?
So simple Dinge wie etwa «zuhören können». Das ist für eine Führungskraft immens wichtig. Und das messen wir auch in den Performance Reviews.
Sind die Führungskräfte, die sie vor dem Umbruch hatten, die gleichen, die sie heute haben?
Teils, teils. Nicht jeder ist für die Widersprüchlichkeit, die die Führungsaufgabe abverlangt, gemacht. Ein inspirierendes Umfeld zu schaffen und gleichzeitig die verlangten Kontrollen sicherzustellen, ist eine hohe Kunst.
Welche Konsequenzen hat das auf die Rekrutierung? Die nächste Generation fragt ja keinesfalls einen transaktionalen Führungsstil nach ...
Nein keinesfalls. Und auch die aktuelle Generation nicht, die es bereits gewohnt ist, unternehmerisch zu handeln. Es findet niemand toll, seine unternehmerische Freiheit einschränken zu müssen.
Wie begegnen Sie denn diesen Unattraktivitäten, die Ihre Jobs nun haben? Regeln Sie das über Geld?
Nein, das nicht. Die attraktiven Aspekte der Jobs im Private Banking überwiegen aus meiner Sicht noch immer. In kaum einem anderen Business hat man mehr mit dem zu tun, was auf der Welt politisch und wirtschaftlich läuft, als in einer Privatbank.
Wie werden die Führungskräfte auf die neue Generation vorbereitet?
Ist die neue Generation wirklich das Thema? Ich lese oft darüber, sehe es aber nicht. Mir klingt das zu schematisch. Sicher nimmt die Diversity in der Branche insgesamt zu. Aber ich sehe die Herausforderungen eher darin, die unterschiedlichen Ansprüche von Mitarbeitenden in den traditionellen Bankenplätzen gegenüber jenen in den Schwellenländern zu managen, als in einer Generation Y.
Wenn Sie jetzt eine neue Art von Führungskräfteentwicklung betreiben – was fehlte denn dann vor der Krise?
Wie vorhin erwähnt, hat sich die Führungsverantwortung im Zuge der Krise zu einem eigenen Jobprofil entwickelt. Wo vorhin punktuelle Weiterbildungen ausreichten, muss jetzt eine systematische Führungskräfteentwicklung her. Diese haben wir in den letzten vier Jahren erfolgreich eingeführt.
Im Zuge der Krise gab es auch die Ethikdiskussion. Ist das ein Thema innerhalb der Ausbildung?
Ja, aber nicht als abstrakt philosophisches Thema, sondern als «Applied Ethics»; unser Geschäft wird ja von verschiedenen Seiten kritisiert. Wir haben uns jetzt einer Diskussion zu stellen, die für Private Banker ungewohnt ist. Vor ein paar Jahren waren sie die Lieblingsschwiegersöhne und heute sind sie Teil einer Kontroverse. Um diese Debatte führen zu können ist es sehr wichtig, sich an Werten auszurichten und diese offen durch Worte und Taten zu kommunizieren. Bei uns sind die Werte «Care», «Passion» und «Excellence» eine Verpflichtung.
Wenn das Thema nicht abstrakt behandelt wird, heisst das, Sie geben konkrete Handlungsanweisungen für bestimmte Situationen?
Ja. Wir sagen auch, was ein Private Banker nicht tun darf und aus welchen Gründen. Es wäre schön, wenn man die eigene ethische Richtschnur so entwickeln könnte, dass sich jeder im Sinne einer vernünftigen Ethik verhalten würde, aber das ist nicht möglich. Teilweise ist es auf den ersten Blick nicht mehr nachvollziehbar, aus welchem Grund etwas verboten ist. Das muss erklärt werden können, ohne die persönliche Ethik des Einzelnen in Frage zu stellen.