Führen mit Zielbildern
Wie Emotionen Projekte und Strategien wahr werden lassen.
Wie (positive) Emotionen bei der Bewältigung von Aufgaben helfen können. (Bild: iStock)
Wenn Unternehmenstransformationen scheitern, scheitern mit ihnen auch die Menschen, die für sie gekämpft haben. Insbesondere fällt dies auf die Führungskräfte zurück, die für das Gelingen verantwortlich waren. Wurden die bekannten Methoden und Instrumente der Mitarbeiterführung nicht konsequent angewendet? Fehlte es an psychologischem Geschick der Führenden, um die Mitarbeitenden im gemeinsamen Boot mitrudern zu lassen? Oder gar beides?
Doch selbst wenn beides da ist, schlingern jedes Jahr unzählige Projekte und Strategien einer fraglichen Zukunft entgegen. Einer der Spitzengründe dafür, ist der Verlust unverzichtbarer Emotionen, wie Leidenschaft und Begeisterung, Erfolgswille und das Gefühl, eine anspruchsvolle Aufgabe von hohem Sinn und grosser Bedeutung zu verfolgen. Dass es so weit kommt, liegt meist an einem Übermass an rationaler Erklärung und einem Defizit an emotionaler Aufladung des Vorhabens, das gestemmt werden soll. Denn: Niemand ist bereit, ausschliesslich aus Vernunft alles in die Waagschale zu werfen.
Was Menschen emotional antreibt
Selbstverständlich sind abstrakte Ziele wie Zahlen, Daten, Werte, Fakten und Ansprüche entscheidend für das Wohl des Unternehmens und müssen erreicht werden. Doch wer brennt dafür, 15 Prozent mehr Umsatz zu machen – eine wichtige, aber kühle Zahl, die lediglich in Büchern, Berichten und Abschlüssen steht. Zwar mögen diese Ziele Priorität haben und logisch schlüssig sein. Sie scheitern aber daran, Menschen mit Ausdauer hinter einen anstrengenden Job zu bringen. Um tatsächlich schnell und erfolgreich zu sein, muss man gewillt sein, alles zu geben. Steht dieses «alles» nicht zur Verfügung, scheitert die Umsetzung meist.
Doch weshalb engagieren sich Menschen im Beruf nicht ebenso für eine Aufgabe, wie sie es bei ihren Familien, Freunden oder Hobbys tun? Man denke an einen Oldtimerfan, der eine klapprige Rostlaube in langen Stunden aufmöbelt. Er gewinnt seine Energie nicht daraus, dem Bauplan zu folgen, sondern schon beim ersten Öffnen des Werkzeugkastens geniesst er die Vorstellung, mit dem Schmuckstück zum Oldtimer-Treffen zu cruisen und dort bewundernde Blicke auf sich zu ziehen. Dieses Bild lockt ihn jeden Abend nach dem anstrengenden Tag noch in die Garage und macht jede Müdigkeit vergessen.
Stolz, Zufriedenheit und Sinn
In gleicher Weise funktionieren auch Menschen, die grosse Aufgaben zu bewältigen haben. Ein Beispiel: Wird im Vertrieb der Umsatz gesteigert, hat das zur Folge, dass mehr positive Verhandlungen stattfinden und die Verkäufer endlich offene Türen einrennen können, statt immer abgewiesen zu werden. Möglich wurde dies beispielsweise, weil das Marketing nach umfangeichen Tests hervorragende neue Unterlagen zur Verfügung gestellt hat, die neue Produktgeneration zusammen mit den Forschungs- und Entwicklungskollegen zuerst die Chefetage, und an der Industriemesse gemeinsam mit den Kollegen aus dem Vertrieb die Besucher*innen begeistert hat. Man kann sich vorstellen, wie zufrieden, ja glücklich und unglaublich stolz, diese drei Bereiche angesichts ihrer gemeinsamen Leistung sein müssen. Und das nicht wegen der 15 Prozent, sondern wegen der vielen positiven Erlebnisse, die damit verbunden waren und sind. Das nennt man dann Erlebnisqualität.
Aus dem gleichen Grund, aus dem Menschen in einem Hobby aufgehen, treten sie auch auf der Arbeit an. Sie suchen Stolz, Bestätigung und ganz allgemein das Gefühl, für einen hervorragenden Job mit Momenten des Glücks belohnt zu werden. Die strategische Arbeit muss entsprechend auf die Erlebnisqualität der angestrebten Wirklichkeit zielen. Das Instrument dafür ist das sogenannte Zielbild. Dieses Bild ist eine emotional mitreissende Vorstellung der Welt, die die Wunschziele hervorbringt. Ein solches Zielbild ist stets eine Rückschau aus einer Zukunft, die erzählt werden kann. Es kommt darauf an, die Zukunft vor dem inneren Auge deutlich zu visualisieren und gefühlsmässig «vorwegspüren» zu können. Erst das Zielbild erzeugt den emotionalen Schub, mit dem Menschen bereit sind, alles für die darüber thronenden Ziele zu geben.
Emotionen als Schlüssel
Es ist an der Führung dies entsprechend umzusetzen, die Zukunft, in der ein Umsatzzuwachs wahrgeworden ist, im Jetzt erlebbar zu machen. Nur wer eine klare Vorstellung davon hat, wie die Wunschzukunft beschaffen ist und was sie von der Gegenwart unterscheidet, kann wissen, mit welchen Mitteln die Differenz zwischen beiden schrittweise überwunden werden kann. Das Vorgehen ist immer gleich:
- Was sind unsere abstrakten Ziele (in Zahlen, Daten, Werten, Ansprüchen)?
- Wie sieht die Welt aus und was ist begeisternd an ihr, die diese Ziele hervorbringt?
- Welche Qualitäten unterscheiden die Welt von morgen von der heutigen?
- Was müssen wir täglich tun, um die Lücke zwischen ihnen zu überbrücken?
Diese Wunschzukunft wird also nicht nur in ihren Rahmenbedingungen, sondern auch in ihrer begeisternden Qualität so exakt wie möglich beschrieben, damit Menschen bereit sind, mehr für diese Zukunft zu tun als jemals zuvor. Nur so entsteht ein Momentum, mit dem ausserordentliche Anstrengungen für aussergewöhnliche Ziele möglich werden.