«Gefragt sind Leader, die auch mal die Ärmel hochkrempeln»
Für den Coach und Businessberater Frank M. Scheelen ist klar: Der ideale Krisen-CEO beherrscht ein erfolgreiches Change Management und versteht es, seine Truppe hinter sich zu scharen. Daneben ist er oder sie bereit, mehr zu geben als in guten Zeiten und auch mal mit anzupacken.
Frank M. Scheelen (Foto: zVg)
Herr Scheelen, hat die Krise Ihre Arbeit als Coach und Berater verändert?
Frank Scheelen: Was deutlich wird: Die Kunden wollen zurzeit keine Standardseminare mehr zu allgemeinen Themen der Persönlichkeitsentwicklung und der Unternehmensführung. Die Anfragen betreffen vor allem das Thema «Change – Umgang mit Veränderung». Die Hauptfrage ist: Wie können wir die Situation heute für eine Neupositionierung und Neuausrichtung unserer Strategie und unseres Unternehmens nutzen?
Verlangen Ihre Kunden heute nach anderen Persönlichkeitsprofilen bei ihren Führungskräften als vor der Krise?
Ja, ganz klar. Das Kompetenzprofil hat sich gewandelt hin zu noch mehr echter Leadership, Vorbildrolle und Authentizität. Wobei Letztere bedeutet, dass jemand glaubwürdig, zuverlässig und konsequent ist und handelt. Gesucht sind Leader, die nicht in der operativen Hektik untergehen und reaktiv führen, also (zu spät) auf Krisen reagieren.
Was ist echte Leadership?
«Schönwetter-Manager» sind nicht mehr geduldet, gebraucht werden mehr denn je echte Führungspersönlichkeiten, die mit den richtigen Werten, mit Können und einer gesunden Portion konstruktivem Optimismus ausgestattet sind. Nur diese vermitteln Glaubwürdigkeit und Kompetenz und können damit auch Vertrauen der Mitarbeiter finden und erhalten. Denn heute ist das Vertrauen noch mehr als vor der Krise einer der Kleber, der die besten Mitarbeiter im Unternehmen hält und sie dazu bringt, gern Spitzenleistungen zu erzielen.
Wie sieht das Kompetenzprofil des idealen Krisen-CEO aus?
Er oder sie beherrscht ein erfolgreiches Change Management, und das erfordert eine Vielzahl von Kompetenzen. Zu den Grundlagen gehören Integrität und Authentizität sowie das Gespür für die Unternehmenspolitik. Daneben muss er oder sie nicht nur, aber vor allem in Krisenzeiten über eine starke Visionskraft und viel Veränderungsinitiative verfügen. Dazu darf die Führungskraft nicht zu introvertiert und analytisch sein, denn in schwierigen Zeiten sind Leader gefragt, die die Ärmel auch mal hochkrempeln und ihre Mitarbeitenden zum Anpacken begeistern können.
In Krisenzeiten wird immer wieder der Ruf nach «anderen» Managern und Werten laut. Warum eigentlich?
Die Wertfrage ist dieses Mal absolut verständlich, denn im Gegensatz zu früheren Wirtschaftskrisen handelt es sich nicht um eine Ressourcen- oder Kostenkrise – das Hauptproblem ist vor allem der Vertrauensverlust. Wir haben festgestellt, dass wir in einer eher virtualisierten Welt gelebt haben, losgelöst von realen Werten, auf Basis von irrealen Hebeln, die in Finanzgeschäften angesetzt wurden, von denen die meisten von uns gar nichts mehr verstehen. Als diese Welt crashte, brach unser Vertrauen zusammen, denn das war die Währung, die in dieser Welt galt.
Gesucht sind nun zuverlässige Leader, die mit Ruhe und Klarheit agieren und über Jahre bewiesen haben, dass sie als Vorbilder handeln; echte charismatische Leader eben. Solche Menschen haben schon immer ein hohes ethisches Wertebewusstsein gehabt und gelebt. Und da reden wir dann eben nicht von «neuen Werten», das sind eher «alte Werte» wie Zuverlässigkeit, Zielorientierung, Klarheit, nachhaltige Wertschöpfung.
Müssen Krisenmanager gegenüber Managern für normale Zeiten überhaupt anders sein?
Sie müssen primär mehr sein und mehr geben. Die Anforderungen an sie, moralische wie unternehmerisch-ökonomische, sind höher als in normalen Zeiten. Dazu müssen sie vor allem stabile Leistung erbringen können. Und das ist nur möglich, wenn eine Führungskraft in dem Sinne authentisch ist, dass ihr innerliches Profil mit ihrer adaptierten Rolle als Krisenmanager möglichst übereinstimmt. Dieser angenommene CEO hat ein innerliches Profil und ein nach aussen gezeigtes Verhalten, das im Bereich Berater/Inspirator angesiedelt ist. Eine gute Voraussetzung für ein ruhiges Krisenmanagement mit Blick auf die Verbesserung in der Zukunft.
Was geschieht mit den Krisenmanagern, wenn die Krise vorbei ist?
Wer sich in der Krise als werte- und zielorientierter Leader bewiesen hat, hat mit Sicherheit das Vertrauen der Belegschaft, der Banken und Kunden verdient – und wird schon wissen, wie er dies zu Gunsten seines Unternehmens einsetzen kann. Wer in der Krise allerdings nur Abwickler war, wird sich anders orientieren.
Warum gibt es eigentlich so viele Führungskräfte, die mit Krisen nicht umgehen können?
Weil Führungskräfte an die für sie falschen Positionen gehievt oder dafür eingekauft wurden. Wer nicht weiss, wo er steht, kann auch nicht wissen, wohin er gehen, welche Aufgaben er lösen muss und vor allem, welche Kompetenzen er dafür benötigt und gegebenenfalls entwickeln muss. Um zu wissen, wo eine Führungskraft oder ein Mitarbeiter steht, muss es einen Check-up geben.
Und wie sieht ein solcher Check-up aus?
Dieser muss herausfinden, für welche Werte jemand einsteht, denn daraus resultieren seine Motive und seine Motivation. Zudem muss daraus ersichtlich sein, welche Verhaltensweisen ihm eigen sind, denn das zeigt, wie gut er führen oder im Team arbeiten kann. Und zu guter Letzt muss daraus klar werden, welche Kompetenzen er hat und benötigt, denn das zeigt, welches Können aufgebaut werden muss. Diese Investition in seine Mitarbeiter sollte ein Unternehmen tätigen, denn das ist eine Investition in die eigene Zukunft.
Werden Inhaber und Gründer von Unternehmen eher mit Krisen fertig werden als angestellte Manager?
Das mag teilweise so erscheinen. So einseitig, wie das Manager-Bashing in der Öffentlichkeit manchmal betrieben wird, ist das Thema aber nicht, denn man muss klar sehen, dass es auch Unternehmer und Gründer gab und gibt, die eine schlechte Performance zeigen, denen Teile des Rüstzeugs für Krisenresilienz fehlen. Allerdings gehen Gründer und Inhaber oft anders mit Krisen um. Sie haben sich meist eine langfristige Gewinnorientierung auf die Fahnen geschrieben, denn sie hängen mit Herzblut an ihrer Firma und drücken ihr über viele Jahre ihren Stempel auf. Im Gegensatz dazu fühlten sich angestellte Manager oft dem viel zitierten Shareholder Value verpflichtet, was dazu führte, dass auf kurzfristige Gewinnsteigerungen gesetzt wird. Dies erreicht man mit Mitteln, die Unternehmen langfristig beschädigen: Herunterfahren der Investitionen, Entlassungen von Mitarbeitern, Einsparungen in Forschung und Entwicklung.
Der Gesprächspartner
Frank M. Scheelen, Experte für Zukunftsbusiness und Beziehungsmanagement, ist Unternehmer, Bestsellerautor und Speaker. «Megatrend Mensch – Wachstum durch Kompetenz» ist das Leitbild seiner ganzheitlichen Unternehmensberatung, bei der es um die Entwicklung aller menschlichen Potenziale und Kompetenzen geht. Zahlreiche renommierte Unternehmen europaweit vertrauen seinem Know-how und seinen Strategien in Sachen langfristige Erfolgssteigerung und «Change - Umgang mit Veränderung».
Weitere Informationen: www.frank-scheelen.com; www.scheelen-institut.ch