BGM Special 2023

Gesunde neue Arbeitswelt?

Schadet die Digitalisierung der Arbeit der Gesundheit? Klare Aussagen gibt es hierzu noch nicht. Um die Gesundheit der Mitarbeitenden auch im virtuellen Umfeld zu schützen, entwickelte Gesundheitsförderung Schweiz ein Konzept mit fünf Handlungsfeldern.

 

«Der digitale Arbeitsplatz macht Dich kaputt». In etwa so lässt sich der Titel vom Artikel von David Marchese sinngemäss übersetzen, der im Januar 2023 im New York Teams Magazine erschien.

Die Frage ist berechtigt, ob die aktuelle Umwälzung der Arbeitswelt 4.0 unter dem Strich der Gesundheit, der Zufriedenheit und der Leistungsfähigkeit eines jeden Mitarbeitenden mehr schadet als nützt. In der Forschungsliteratur sucht man zurzeit noch vergeblich nach robusten Erkenntnissen und Ansätzen für gutes betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) in der Arbeitswelt 4.0 oder New Work, wie es verheissungsvoll im Slang vieler Consultants und Keynote Speakers heisst (Quelle: iga. Report 44, 2021).

Dass sich die Arbeitswelt aber gerade massiv verändert, ist unbestritten. Die Schweiz als Ganzes bewegt sich rasant in Richtung einer hundert Prozent-Dienstleistungsgesellschaft. Die wichtigsten Treiber dafür sind die Virtualisierung und Digitalisierung des Arbeitsplatzes (auch in der Handwerkerbranche) sowie die zunehmende Macht der knappen Fachkräfte, die massiv höhere Erwartungen an Flexibilität und Selbstverwirklichung bei der Arbeit stellen.

Neu ist auch die starke Zunahme an Arbeitsausfällen wegen psychischer Erkrankungen, auch bei ganz jungen Erwerbstätigen. So beklagen inzwischen rund 30 Prozent aller Erwerbstätigen, sich massiv gestresst zu fühlen (Quelle: Gesundheitsförderung Schweiz, Job-Stress-Index 2022). Dies zeigt sich auch bei der IV: Jede zweite Rente erfolgt aufgrund einer psychischen Erkrankung. Tendenz steigend. Die betriebswirtschaftlichen Folgen für Unternehmen und Sozialversicherungen sind bekannt.

Mindestens so interessant wie die Frage, ob einem der digitale Arbeitsplatz kaputt macht, ist daher die Frage, welche erfolgsversprechenden Gestaltungsansätze und Massnahmen es für die Prävention 4.0 gibt, damit die Leute leistungsfähig sind und resilienter werden. Auf Bitte des Wirtschaftsbeirates «Friendly Work Space» lancierte Gesundheitsförderung Schweiz dazu ein Grundlagenprojekt mit fünf Handlungsfeldern sowie Instrumenten, mit denen Führungsfachkräfte oder HR Verantwortliche in KMU die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden stärken. Eine Zusammenfassung der fünf wichtigsten Handlungsfelder finden Sie auf Seite 5, u.a. mit welchen neuen Instrumenten sie als Führungsperson oder HR-Verantwortliche in einem KMU die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden stärken können.

Zu den gewonnenen Erkenntnissen zählt, dass das individuelle Selbstmanagement der eigenen Gesundheit durch gesunde Routinen immer zentraler wird. Dies, weil die Hierarchien in den Firmen eher flacher werden, die Arbeit sich an andere Orte verlagert und neue Organisationsformen zunehmend den Menschen mit seinen Fähigkeiten und Neigungen in den Mittelpunkt stellen. Auch der konstruktive Umgang mit Kränkung und Konflikten spielt eine immer wichtigere Rolle, da Eskalationen in flachen Hierarchien weniger kontrolliert stattfinden. Eine Organisation soll und kann Mitarbeitende, Führungskräfte und Projektteams daher proaktiv schulen und coachen. Ferner geht es darum, regelmässig zu überprüfen, ob Mitarbeitende über die notwendigen Kompetenzen, Mittel und soziale Unterstützung verfügen, um ihre Aufgaben weiterhin optimal zu erledigen. Denn ein Jobprofil von heute sieht je nach Organisation in einem Jahr schon ganz anders aus.

Und nicht zuletzt hat Corona ein Exempel statuiert: Eine Mischung aus digitalen Gesundheitsangeboten und direktem Gespräch dürfte bei der Prävention 4.0 ein Erfolgsfaktor bleiben. So ist ein virtuelles Rendezvous mit dem Team bei einer Runde Latte Macciato für die allermeisten so prickelnd wie die Aussicht auf Skifahren in einer Indoor-Anlage in Dubai. Der Mensch ist und bleibt ein soziales Wesen.

Der am Anfang zitierte Verfasser des Artikels im New York Time Magazine plädiert übrigens für eine «slow Productivity», um auch am digitalen Arbeitsplatz Genugtuung zu schöpfen: erledige weniger Dinge, diese dafür mit Hingabe.

BGM Tagung 2023: Gesunde neue Arbeitswelt?»

Mittwoch, 20. September 2023, Kursaal Bern

 

Mehr Infos: bgm-tagung.ch

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Eric Bürki ist Leiter Betriebliches Gesundheitsmanagement und Mitglied der Geschäftsleitung der Gesundheitsförderung Schweiz.
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