Gesundheitsmanagement bringt’s: Firmen investieren in der Krise
Bei der Gesundheit sparen? Nein danke, sagen sich viele Schweizer Unternehmen. Oft gilt trotz Wirtschaftskrise gar das Gegenteil: Die Massnahmen im Gesundheitsmanagement werden verstärkt.
(Illustration: Ulrike Kobelius)
Seit etwa zwei Jahren führen gewaltige Einsparungen, einhergehend mit erhöhtem Druck auf Produktion und Umsätze, dauernden Veränderungsprozessen und Kündigungen, in der Bevölkerung zu physischen und psychischen Belastungen sowie zu krankheitsbedingten Ausfällen am Arbeitsplatz. Eine Seco-Studie beziffert die Kosten dafür auf 4,2 Milliarden Franken jährlich. Nicht abzuschätzen sind die Kosten, die aus Frust und sinkender Arbeitszufriedenheit entstehen.
Siemens Schweiz: Stress im Fokus der HR-Verantwortlichen
Schweizer Betriebe haben inzwischen erkannt, wie wichtig betriebliches Gesundheitsmanagement ist. Im aktuellen Kontext wird das Thema neu bewertet und viele Firmen stellen noch mehr Massnahmen zur Prävention innerhalb eines gut funktionierenden Gesundheitsmanagements bereit.
So bestätigt Cornelia Schaerer, HR-Manager Corporate Tasks von Siemens Schweiz AG, dass der wachsenden Arbeitslast und dem Zeitdruck bei den Mitarbeitenden mit zusätzlichen Mitteln entgegengewirkt werden soll. Durch Umfragen bei Mitarbeitenden und einer Analyse der Absenzen werden Probleme erfasst und Massnahmen umgesetzt. Das Hochtechnologie-Unternehmen setzt dabei auf Ergonomie, Bewegung und Ernährung. Zudem werden Kurse zur Stressbewältigung angeboten.
In der Führungsschulung ist die Gesundheit der Mitarbeitenden eines der wichtigsten Themen. So sensibilisieren die Trainer und ein Vertreter der Sozialberatung die Führungskräfte für Themen wie Stress, Alkohol am Arbeitsplatz oder Mobbing. Dazu werden die Verantwortlichen für Arbeitssicherheits im Bereich Ergonomie und Wohlbefinden am Arbeitsplatz speziell bei der Suva und anderen Anbietern geschult.
Swiss: Niederschwellige Anlaufstellen und breites Angebot
Die Fluggesellschaft Swiss hat vor eineinhalb Jahren ein Projekt für den Aufbau eines betrieblichen Gesundheitsmanagements unter dem Label SWISS Health Care lanciert. Schwerpunkte im ersten Jahr waren die Optimierung der Betreuungsprozesse für bereits erkrankte Mitarbeitende und der Aufbau eines Case-Managements, sagt Sonja Ptassek, Spokesperson und PR Officer der Airline. Wichtiger Bestandteil der Initiative ist die Prävention, die dem Sport grosse Bedeutung beimisst.
Im Rahmen des Betriebssports gibt es diverse Teams, bei denen jeder mitmachen kann. Zudem profitieren die Mitarbeitenden in ausgewählten Fitnesscentern von einem Rabatt. Zum Thema Stressmanagement werden interne Kurse angeboten, unter anderem auch zum Thema Sucht. Seit Februar 2010 können alle Mitarbeitenden von professionellen Entspannungs- und Antistressmassagen profitieren. Viele Angebote sind kostenlos, z.B. Stressmanagement, Grippeimpfungen und die wichtigsten Reiseschutzimpfungen. Kostenfrei ist auch ein psychologischer und medizinischer Dienst, der den Swiss-Mitarbeitenden explizit für berufliche oder private Probleme zur Verfügung steht. Hier werden Trends erfasst und gesamthaft in anonymisierter Form der HR- und der Unternehmensleitung gemeldet. Dieses Frühwarnsystem wird ergänzt durch die Erhebung detaillierter Krankheits- und Unfallkennzahlen sowie Umfrageergebnisse zur Work-Life-Balance.
Speziell für Manager werden Kurse rund um Stressmanagement und den Umgang mit Suchtthemen angeboten. Führungskräfte haben ergänzend die Möglichkeit, finanziell unterstützte Gesundheits- oder Weiterbildungsurlaube in Anspruch zu nehmen. Ab Mai 2010 ist für diese Zielgruppe zudem ein E-Learning im Bereich Gesundheitsmanagement geplant.
Nationale Swiss: Massive Einsparungen dank Prävention
Die Pfeiler des Gesundheitsmanagements von Nationale Suisse basieren auf einem individuellen Ansatz. Ziel ist es, die Person und das jeweils akute Thema zu stärken und weniger in flächendeckende Angebote zu investieren. Das Hauptthema, das Mitarbeitende auch bei Nationale Suisse umtreibt, heisst Druck.
Wie Sandro Foiada, Head Group HR, erklärt, stehen den Mitarbeitenden einerseits spezielle Angebote wie «Abschalten/Auftanken – Entspannung über Mittag», kostenpflichtige Gesundheitsmassagen im Firmengebäude und Sport- und Freizeitclubs mit verschiedenen Aktivitäten zur Verfügung. Andererseits erhalten sie Vergünstigungen in diversen Fitnesscentern, die Möglichkeit, an der Aktion «bike to work» mitzumachen, finanzielle Unterstützung zum Rauchstopp sowie zur Lungenkrebs-Prävention und einen Kostenbeitrag an Vorsorgeuntersuchungen.
Die seit drei Jahren existierende betriebliche Sozialberatung wird grossgeschrieben. Sie wird mit einem externen Partner durchgeführt, ist freiwillig und neutral. Dabei steht die Hilfe zur Selbsthilfe im Vordergrund, die Gespräche sind vertraulich. Mitarbeitende aller Stufen werden auf Wunsch bei beruflichen Problemen sowie bei persönlichen und gesundheitlichen Fragen kostenlos beraten und bekommen Hilfe. Der Versicherungskonzern hat alle möglichen relevanten und akuten Themen auf seiner Website definiert und Wegleitungen für die nächsten Schritte ausgearbeitet. Erste Ansprechpartner sind immer die direkten Vorgesetzten. Erst wenn das Thema nicht nachhaltig gelöst werden kann, wird HR aktiv.
Gesundheitsmanagement lohnt sich auch finanziell. So hat eine unabhängige Studie der makora AG über innovatives Gesundheitsmanagement für Nationale Suisse ergeben, dass die gesundheitsbedingten Kosten durch die von 2007 bis 2008 durchgeführten Massnahmen, wie Stress- und Rückenprogramme oder Ergonomieabklärungen, von 12 344 954 Franken um 10,4 Prozent auf 11 059 142 Franken gesenkt werden konnten. Damit erzielt das Unternehmen einen ROI von sage und schreibe 247 Prozent.
Gesundheit auch bei KMU ein Dauerthema
Für das Zentralschweizer Unternehmen Victorinox ist Gesundheitsmanagement laut dem Medienverantwortlichen Hans Schorno kein Modethema, sondern ein Dauerbrenner. Zu den angebotenen Seminaren zählen Alexander-Technik, Ergonomie am Arbeitsplatz, «Muskeln-statt-Motoren» oder Aktionen wie «Gesundes Znüni».
Bei der Cilag Schaffhausen, die zur Pharmagruppe von Johnson & Johnson gehört, sind Gesundheit und Vorsorge ein Thema, das vor allem im medizinischen Bereich angesiedelt ist – dazu gehören Seh- und Hörtests, Risikoanalysen, Trendanalysen, ein Medical Case Management, ein Gesundheits-Vorsorgeprogramm mit regelmässigen Untersuchungen, Workshops im Gesundheitsbereich, eine grosse Anzahl von Sportmöglichkeiten und ergonomisch eingerichtete Arbeitsplätze.
PricewaterhouseCoopers Schweiz bietet laut Facility Manager Corina Gerber allen Mitarbeitenden im Hause Ruheräume, diverse Kurse über Mittag wie Yoga oder Rückentraining. Einmal im Jahr findet zudem eine Gesundheitswoche statt. Zu den laufenden Themen gehören Ergonomie, Suchtprävention, Ernährungsberatung und Kurse im Bereich der Unfallverhütung.