HR Today Nr. 7&8/2021: Leadership – Coachen statt befehlen

Geteilte Karriere

Teilzeitarbeit und der berufliche Aufstieg lassen sich immer noch kaum vereinbaren. Topsharing könnte dieses Dilemma lösen, findet Topsharing-Expertin Karin Ricklin. Ausserdem erzählen zwei Duos (Schweizerische Post und Zürcher Kantonalbank) aus ihrem Berufsalltag.

«Teilen sich zwei Führungskräfte eine anspruchsvolle Kaderstelle, machen beide Karriere und müssen keine Abstriche in ihrem Privatleben machen», umschreibt Topsharing-Expertin Karin Ricklin die Vorteile des Topsharings. Die Vorteile der Stelleninhabenden sind klar, doch was bringt es Arbeitgebenden? «Firmen sorgen mit Topsharing für mehr Diversität und Inklusion auf Führungsstufe», sagt Ricklin. «Durch die reduzierten Pensen erreichen sie auch Fachkräfte, die aufgrund ihrer aktuellen Lebensumstände nicht Vollzeit oder in vollzeitnahen Arbeitspensen arbeiten können oder wollen.» Dadurch fänden Firmen viel mehr Talente. Daneben wirke sich Topsharing positiv auf die Arbeitgebermarke aus. «Das wiederum erhöht die Chance der Unternehmen, sich im War for Talents zu behaupten und Talente länger ans Unternehmen zu binden.» Mit einem Duo liessen sich Stellenanforderungen zudem leichter erfüllen, wenn sich die Kompetenzen, Erfahrungen und Ausbildungen der Topsharing-Partner ergänzen. «Mit einer Person ist eine solch breite Abdeckung kaum möglich.»

Vorprogrammiert sei ein Misserfolg im Topsharing vor allem, wenn beide Parteien unterschiedliche Visionen verfolgen, eher im «ich» als im «wir» denken, wenig gemeinsame Werte haben und sich markant im Führungsstil unterscheiden. Ebenso schwierig werde es, wenn die Kader-Fachleute zwar zueinander passen, das Topmanagement diesem Arbeitsmodell aber kritisch gegenüberstehe. Deshalb sei es entscheidend, dass sich beide Fachkräfte im Vorfeld damit auseinandersetzen, wie sie zusammenarbeiten wollen und ob die Geschäftsleitung das mitträgt.

Unterschiedliche Aufgaben, geteilte Verantwortung

Nadja Lüthi und Michaela Trelle verantworten gemeinsam seit Januar 2021 das HR der Logistik-Services Operations bei der Schweizerischen Post. Das Duo über erste Topsharing-Erfahrungen.

Die Post

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Nadja Lüthi, 42, und Michaela Trelle, 48, teilen sich seit Januar 2021 die Verantwortung für das HR des neuen Bereichs Logistik-Services Operations bei der Post. Sie sind Mitglied der entsprechenden Geschäftsleitung und damit zuständig für 20'000 Mitarbeitende. Nadja Lüthi ist seit 20 Jahren im HR tätig, unter anderem beim Schweizerischen Roten Kreuz, bei der SRG SSR und der Schweizerischen Post. Michaela Trelle hat 18 Jahre lang verschiedene HR-Führungsfunktionen bekleidet, unter anderem bei der Boston Consulting Group, Swisscom, Localsearch und der Schweizerischen Post.

Sie teilen Ihren HR-Job mit Nadja Lüthi. Wie kam es dazu?

Michaela Trelle: Ich trug mich schon seit längerem mit dem Gedanken, einen verantwortungsvollen Job zu teilen. Bei der Post sind die Rahmenbedingungen dafür ideal: Job- bzw. Topsharing ist in unserer Strategie fest verankert. Deshalb werden auch Führungsfunktionen jeweils mit dieser Option ausgeschrieben. Als bei der Umsetzung der neuen Strategie «Post von morgen» eine HR-Leitung für den Bereich Logistik-Services Operations gesucht wurde, kam für Nadja und mich eine solche Zusammenarbeit schnell in Frage – wir sprachen intensiv darüber, bewarben uns gemeinsam und bekamen die Stelle. Seit Januar 2021 arbeiten wir nun in dieser Konstellation.

Was braucht es, um im Topsharing erfolgreich zu sein?

Nadja Lüthi: Dass man über die gemeinsame Arbeit und den Austausch nachdenkt. Wichtig ist auch eine gemeinsame Vision, was mit einem Topsharing erreicht werden soll, und dass die Wertvorstellungen passen. Wer vorher nie eng im Team gearbeitet hat, sollte sich mit seinem Topsharing-Partner im Vorfeld intensiv über seine Bedürfnisse austauschen. Und nicht zuletzt braucht es ein Unternehmen, das solche Modelle auch in verantwortungsvollen und strategisch wichtigen Positionen gezielt fördert.

Trelle: Es ist wie in einer guten Ehe oder Partnerschaft (lacht). Das Mindset und die Wertehaltung sollten ähnlich sein, ebenso das Führungsverständnis und die Vorstellung von der Rolle. Die fachlichen Rucksäcke und die Herangehensweise können dagegen unterschiedlich sein, so erreicht ein Duo mehr als eine einzelne Person. Matchentscheidend für mich ist, ehrlich zueinander zu sein und Meinungsverschiedenheiten direkt, offen und konstruktiv anzusprechen. Und bei allen Herausforderungen nie den Humor zu verlieren.

Was schätzen Sie an der Zusammenarbeit?

Lüthi: Dass wir in wichtigen Punkten ähnlich «funktionieren» und dass Michaela mitdenkt, auch wenn es nicht um «ihr» Thema oder «ihre» Aufgabe geht. Dass sie mutig entscheidet, andere Blickwinkel einbringt und eine humorvolle und aufgestellte Person ist.

Trelle: Am meisten schätze ich, dass wir täglich voneinander lernen. Auch wenn wir im Alltag Themengebiete getrennt behandeln, ist es eine Bereicherung, Nadjas Einschätzung zu strategischen Entscheiden oder Führungsfragen einzuholen. Wir vertrauen uns zu 100 Prozent. Ich glaube, dass wir durch unsere Zusammenarbeit zu ausgewogeneren Entscheiden und somit zu besseren Resultaten kommen. Im Moment entdecke ich durch das Topsharing auch ganz viel Neues – zum Beispiel an meinem eigenen Führungsverhalten.

Wie ergänzen Sie sich?

Trelle: Nadja kennt die Post und alle betrieblichen Abläufe aus dem Effeff. Ich bringe noch etwas mehr die Aussenperspektive und Erfahrungen aus anderen Unternehmen mit. Nadja hat einen präzisen Blick und kommt bei einer Sache sehr schnell auf den Punkt, während ich Dinge gerne intensiver bespreche oder beleuchte. Sie hat ein grosses Know-how hinsichtlich aller arbeitsrechtlichen und sozialpartnerschaftlichen Fragestellungen und ich bringe viel Erfahrung in Führungs- und Organisationsfragen mit.

Wie haben Sie Ihre Aufgabengebiete aufgeteilt?

Trelle: In den wichtigen Bereichen unseres Jobs können wir beide jederzeit Auskunft geben, strategische Dinge entscheiden wir gemeinsam. Im Alltag haben wir uns die Aufgabenbereiche jedoch gemäss unseren Stärken und Interessen aufgeteilt. Kümmert sich Nadja um Sozialpartnerschaft, Arbeitsrecht und Gesundheitsmanagement, setze ich mich hauptsächlich mit Leadership-, Kultur- sowie Transformations-Themen auseinander. Das haben wir fürs erste Jahr der Zusammenarbeit so bestimmt. Diese Aufteilung ist aber nicht in Stein gemeisselt. Was unsere Funktionen als Mitglied der Geschäftsleitung von Logistik-Services Operations sowie im HR-Leitungsteam des Postkonzerns betrifft, wechseln wir uns in diesen Gremien alle drei Monate ab. So sind wir in beiden Teams gleich gut verankert. Am Team-Meeting mit unseren Mitarbeitenden versuchen wir hingegen, möglichst immer beide dabei zu sein.

Was sind Herausforderungen in der Zusammenarbeit?

Lüthi: Wir arbeiten erst seit Januar 2021 zusammen und lernen jeden Tag dazu. Anfänglich gab es einige Unklarheiten. So haben wir beispielsweise beide gleichzeitig am selben Auftrag gearbeitet.

Wie haben Sie das gelöst?

Lüthi: Wir machen seit Beginn unserer Zusammenarbeit eine regelmässige Rückschau und überlegen uns, was gut und was weniger gut läuft. Wir holen uns Feedback von unseren internen Partnern und unserem Team. Wir sind immer noch am Optimieren, erhalten aber positive Rückmeldungen. Das zeigt uns, dass wir gut unterwegs sind.

 

Trotz Herausforderungen lachen

Petra Düsel-Rüfenacht und Daniel Alig teilen sich die Leitung des Bereichs Personalnachwuchs bei der Zürcher Kantonalbank seit dreieinhalb Jahren und sind mittlerweile ein eingespieltes Team.

Zürcher Kantonalbank

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Im Bereich Nachwuchs betreuen und begleiten Petra Düsel-Rüfenacht und Daniel Alig im Co-Lead den Talente sowie deren Ausbildungsverantwortlichen in allen HR-Themen. Darüber hinaus planen sie alle Massnahmen und Aktivitäten im Bereich Nachwuchs und vertreten die Bank diesbezüglich intern und extern.

Sie teilen Ihren HR-Leitungsjob mit Daniel Alig. Wie kam es dazu?

Petra Düsel-Rüfenacht: Die Stelle Leitung Personal Nachwuchs war als 100-Prozent-Stelle ausgeschrieben. Als zweifache Mutter war mir dieses Pensum jedoch zu viel. Daniel und ich kannten uns aus einem Personalentwicklungsprojekt. Als die Stelle frei wurde, haben wir uns überlegt, ob wir sie nicht teilen könnten und haben uns dann gemeinsam beworben.

Wie merkt man, ob jemand zu einem passt?

Daniel Alig: Das merkt man intuitiv. Petra und ich kannten uns zwar nicht sehr gut, haben aber sofort gemerkt, dass es passt.

Ihre Erfolgsfaktoren?

Düsel-Rüfenacht: Man muss Empathie füreinander haben, sich gegenseitig vertrauen sowie tolerant und ehrlich sein.

Alig: Unser Humor und ähnliche Werte. Letztere sind zwingend, damit man sich in seinen Absichten und grundsätzlichen Zielen einig ist. Einen ähnlichen Humor zu haben, hilft zudem, herausfordernde und schwierige Situationen zu meistern.

Was schätzen Sie an der Zusammenarbeit?

Alig: Im Co-Lead ist man stärker. Die Verantwortung ist auf zwei Schultern verteilt. Ausserdem hat man einen gleichberechtigten Sparringspartner an seiner Seite.

Düsel-Rüfenacht: Dass zwei Personen zu 100 Prozent mitdenken, hinterfragen und umsetzen.

...und an Ihrem Kollegen bzw. Ihrer Kollegin?

Düsel-Rüfenacht: Ich kann mich auf Daniel verlassen. Wir können über alles offen und konstruktiv sprechen und ich lerne von ihm. Ausserdem bringt er mich auch in den verrücktesten Momenten zum Lachen.

Alig: An Petra schätze ich ihre ausgeprägte Empathie und Kommunikationsfähigkeit sowie ihre Bereitschaft, sich und uns laufend zu reflektieren.

Wie ergänzen Sie sich?

Düsel-Rüfenacht: Wir haben zu 99 Prozent das gleiche Ziel. Unsere Vorgehensweisen unterscheiden sich jedoch. Daniel hat beispielsweise die Gabe, Prozesse bis ins kleinste Detail zu analysieren und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen und bringt Themen rasch auf den Punkt. Ich tendiere dagegen eher dazu, das grosse Ganze zu sehen, alle Schnittstellen wahrzunehmen und Anspruchsgruppen abzuholen und einzubeziehen.

Wie teilen Sie Ihre Aufgaben auf?

Düsel-Rüfenacht: Bei der Entwicklung unserer Mitarbeitenden führen wir die Gespräche gemeinsam. Operative Tätigkeiten teilen wir auf, sprechen uns bei strategischen Fragestellungen aber immer ab.

Gab es schon kommunikative Missgeschicke?

Düsel-Rüfenacht und Alig: Ja.

Wie haben Sie diese gelöst?

Alig: Mit Humor. Damit und mit unserer Bereitschaft, an uns zu arbeiten, haben wir bisher alle Herausforderungen gemeistert.

Düsel-Rüfenacht: Nach dreieinhalb Jahren der Zusammenarbeit kennen wir uns mittlerweile gut und wissen, wie wir Probleme ansprechen müssen.

Tipps an Top-Jobsharer?

Alig: Diskutieren, reflektieren und offen sein für andere Ansichten. Ohne das geht es nicht. Das kann zwar anstrengend sein, lohnt sich aber in allen Belangen. 

Düsel-Rüfenacht: Unterschiedlichkeiten als Gewinn ansehen und nicht als Hindernis. Ausserdem den Jobsharing-Partner als Bereicherung sehen.

Ihr Wunsch ans HR?

Alig: Top-Jobsharing ermöglichen. Der daraus resultierende Mehrwert ist grösser als der befürchtete Mehraufwand oder Ineffizienzen.

Düsel-Rüfenacht: Dass noch mehr Firmen den Mut haben, Jobsharing in der Führung anzubieten.

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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