swissstaffing-News

Gewinnbringende Information, 
Unterstützung und Koordination

Seit April 2008 läuft das Pilotprojekt «swisstempcare» von swissstaffing. Es hat die rasche Wiedereingliederung von verunfallten und erkrankten temporären Mitarbeitenden in den Arbeitsprozess zum Ziel. Mit der Einsetzung eines Care-Teams, das verunfallte und erkrankte temporäre Mitarbeitende besucht, will swissstaffing den finanziellen und menschlichen Belastungen von Unfall und Krankheit aktiv begegnen. Einerseits soll eine Reduktion von Kurzabsenzen und Langzeitarbeitsunfähigkeit, andererseits eine Senkung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerprämien für die Lohnausfallversicherung erreicht werden. Seit Projektstart konnten bereits 174 Krankenbesuche durchgeführt werden (Stand: 31.08.2008).

Die Rolle des Care-Teams ist eine vermittelnde und unterstützende und soll zur besseren Koordination und zur besseren Betreuung der temporären Mitarbeitenden beitragen. Bei langwierigen und komplexeren Genesungsprozessen werden die Betroffenen an die Case Manager der Unfall- oder Krankenversicherung weiterempfohlen (vgl. Fallbeispiele im Kasten).

Das auf fünf Personalverleihfirmen beschränkte Pilotprojekt swisstempcare ist bis März 2009 befristet und soll eine umfangreiche Absenzdaten- und Wirkungsanalyse ermöglichen. Die Auswertung entscheidet, ob swissstaffing ein flächendeckendes Absenzenmanagement für alle Verbandsmitglieder einführen wird. Unterstützt und getragen wird das Projekt von der Suva und von swissstaffing. Die Projektleitung obliegt der Firma Movis preCare.

Firmen erreichten ihre verfolgten Ziele weitgehend

Beim so genannten Disability Management (DM) – dem Bestreben von Unternehmen, sich einen systematischen Überblick über die Absenzen ihrer Mitarbeitenden zu verschaffen und Massnahmen zur Wiedereingliederung zu ergreifen – handelt es sich um einen neuen Ansatz, der sich erst in den letzten Jahren verstärkt etablieren konnte.

Laut einem neuen Bericht des Bundesamts für Sozialversicherung (BSV)(1), der die Erfahrungen von acht Schweizer Unternehmen(2) mit dem DM untersucht, konnten alle betroffenen Firmen die verfolgten Ziele weitgehend erreichen. Sie profitierten in doppelter Hinsicht: Einerseits reduzierten sich die Absenzen und damit die absenzbedingten Kosten wie Produktionsausfall, Versicherungsprämien oder Rekrutierungskosten. 
Andererseits wurde die Bindung der Mitarbeitenden an das Unternehmen gestärkt und ihre Motivation positiv beeinflusst.

Laut der Studie des BSV spielten in allen untersuchten Fällen kostenrelevante Faktoren eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung für ein DM. Einerseits erhoffte man sich 
Einsparungen bei direkten Kosten, wie zum Beispiel der Unfallversicherungs- oder Krankentaggeldversicherungsprämien. Das DM sollte aber andererseits auch Einfluss auf indirekte Kosten nehmen, wie auf negative Wirkungen der Arbeitsunzufriedenheit. Über das DM wurde erfolgreich versucht, die Mitarbeitenden stärker an das Unternehmen zu binden und ihre Arbeitsmotivation zu fördern. Dies gelang insbesondere dann, wenn das Unternehmen durch das DM als verantwortungsvoller und fairer Arbeitgeber erschien und dadurch das Mitarbeitervertrauen wuchs.

Unter letzterem Aspekt versprechen sich die Unternehmen auch einen Imagezugewinn. Die Einführung des DM zielt aus ihrer Sicht auch auf eine stärkere Positionierung des Unternehmens in der Konkurrenz um Kundenaufträge und auf dem Arbeitsmarkt ab. Gerade im Hinblick auf die demografische Entwicklung dürfte dieser Aspekt künftig an Bedeutung gewinnen. Ein Teil der befragten Unternehmen erachten das DM schon heute als Massnahme des Employer Branding.

DM kann helfen, überforderte 
Vorgesetzte zu entlasten

Interessanterweise wurde das DM innerhalb der verschiedenen untersuchten Firmen 
unterschiedlich positioniert. Eine Integration des DM sowohl in die betriebliche Sozialberatung als auch in die HR-Abteilung wurde beobachtet. Der Bericht hält dazu fest, dass bei einer engen Anbindung des DM an das HR die Gefahr besteht, dass sich der Charakter des DM von einer klientenbezogenen, vermittelnden Dienstleistung hin zu einem Instrument der betrieblichen Interessenvertretung verändern kann.

Insgesamt, so das Ergebnis des Berichts, wurden die DM-Massnahmen von den Mitarbeitenden nicht als Kontrollmassnahmen seitens des Unternehmens aufgefasst, sondern als willkommene Form der Unterstützung und Begleitung und als Ausdruck der Wertschätzung durch den Arbeitgeber. Ähnliche Erfahrungen konnte auch swissstaffing mit dem Projekt swisstempcare sammeln (siehe Fallbeispiele im Kasten). Die untersuchten Unternehmen ihrerseits sind alle der Überzeugung, dass sich das DM für sie ausbezahlt habe. Ein positiver Effekt des DM sei nicht zuletzt auch in einer Entlastung der Vorgesetzten zu finden, die sich bisher bei der Betreuung und Unterstützung von erkrankten oder verunfallten Mitarbeitenden häufig überfordert fühlten.

Kooperation mit Ärzten und Sozialversicherungen ist entscheidend

Eine weitere Schlussfolgerung des BSV-Berichts betrifft die Zusammenarbeit. Für den Erfolg des DM ist einerseits die interne Vernetzung im Unternehmen und andererseits die Kooperation mit den Sozialversicherungen und den Ärzten entscheidend. Denn erst durch die Kooperation werden Ressourcen mobilisiert und Möglichkeiten geschaffen, die zu einer erfolgreichen Fallführung beitragen können. Bei den internen Akteuren kommt der Unternehmensleitung eine bedeutende Rolle zu. Mit ihrem offensichtlichen Commitment zum DM werden dessen Umsetzung im Betrieb und die Mitarbeit aller Beteiligten (der Vorgesetzten, der DM-Mitarbeitenden und der erkrankten oder verunfallten Mitarbeitenden selbst) erst richtig möglich.

Hinsichtlich der externen Partner des DM fordert der Bericht des BSV einen aktiven und möglichst frühzeitigen Kontakt zwischen den Unternehmen und den IV-Stellen. Denn zu einem frühen Zeitpunkt ist das Potenzial an Handlungsalternativen und die Bereitschaft zur Mitwirkung aller Beteiligten, insbesondere der Unternehmen, am grössten. In diesen Kontext fällt auch die Forderung beschleunigter IV-Verfahren und einer verbesserten Kommunikation über den Stand des Verfahrens durch die IV. Schliesslich sollten die IV-Stellen, so die befragten Unternehmen, auch bessere Unterstützung in der Arbeitsplatzvermittlung bieten. Insbesondere für erkrankte oder verunfallte Mitarbeitende, die ihre bisherige Arbeitsstelle aus gesundheitlichen Gründen nicht wieder aufnehmen können, sei eine solche Vermittlungsunterstützung angezeigt. Denn bei einer frühzeitigen Vermittlung aus einem noch aktiven Beschäftigungsverhältnis sei trotz bestehender gesundheitlicher Beeinträchtigungen der Erfolg wahrscheinlicher als nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Schliesslich und endlich decken sich die Ziele des DM mit den Zielen der IV, die seit der 5. Revision bestrebt ist, Gesundheitsrisiken frühzeitig zu erkennen und zu verhindern, dass sie zu einer Invalidität führen.

Fallbeispiele

Andrea Tobler*, 37 Jahre alt, arbeitet seit dem 18. Juni 2008 temporär als Betriebsmitarbeiterin im Schichtbetrieb in der Produktionsbranche. Am 22. Juli erleidet sie einen schweren Arbeitsunfall. Ihre Finger werden von der Maschine erfasst, ihre Hand wird schwer verletzt. Die Finger konnten vom Arzt gerettet werden, man rechnet aber mit einem längeren Arbeitsausfall.

Eine Mitarbeiterin des swisstempcare-Teams besucht Andrea Tobler drei Tage nach dem Unfall im Spital. Die temporär Arbeitende hat starke Schmerzen und macht sich grosse Sorgen, ob und wann sie wieder arbeiten kann. Es ist schwer voraussehbar, wie lange der Heilungsprozess dauern wird und ob die Funktionstüchtigkeit der Hand dieselbe sein wird wie vor dem Unfall.

Nach dreiwöchigem Arbeitsausfall informiert swisstempcare die Suva am 11. August über die schwierige Vorhersehbarkeit der Arbeitsunfähigkeitsdauer und die unsicheren Heilungsaussichten. Eine Case-Managerin der Suva nimmt Kontakt auf mit Andrea Tobler und betreut die Verunfallte.

Das schnelle Aufgleisen professioneller Unterstützung trägt in diesem Fall zu einer schnellstmöglichen Reintegration bei. Zudem hat die Verunfallte während der Rehabilitation eine Ansprechperson und fühlt sich gestützt.

Toni Müller arbeitet temporär als Vorarbeiter auf der Baustelle. Im Januar 2006 – lange vor der Einführung von swisstempcare – erleidet er einen Herzinfarkt. Er muss zwei Wochen pausieren, bevor er die Arbeit wieder aufnehmen kann. Acht Monate später erleidet er einen zweiten Herzinfarkt. Diagnostiziert wird eine Herz-Kreislauf-Erkrankung. An eine Wiederaufnahme der Arbeit ist nach diesem zweiten Vorfall nicht mehr zu denken. Toni Müller wird haus
ärztlich und psychologisch behandelt. Ein Antrag auf Invalidenrente wird gestellt, Gespräche bei der IV erfolgen. Doch ein Entscheid der IV bleibt aus.

Im April 2008 schaltet sich swisstempcare ein. Das swisstempcare-Team erreicht bei der IV, dass Toni Müller am 2. Oktober erneut bei der IV vorsprechen kann.

Toni Müller über swisstempcare: «Durch die Unterstützung von swisstempcare kann ich mich voll auf die Genesung konzentrieren. Bei Problemen oder Unstimmigkeiten kann ich mich an den Krankenbesucher wenden, der diesen dann nachgeht. Ich empfinde swisstempcare als eine tolle Unterstützung und werde mit meiner Krankheit nicht einfach alleine gelassen.»

Maria Schmied, 47 Jahre alt, arbeitet seit dem 5. Dezember 2007 temporär als Betriebsmitarbeiterin in einem Hochregallager. Am 11. August 2008 verunfallt Maria Schmied und verletzt sich Schulter, Arm und Hand. Die Meldung bei swisstempcare erfolgt eine Woche später am 18. August. Vier Tage danach besucht eine Krankenbesucherin des swisstempcare-Teams die Verunfallte. Maria Schmied hat Angst vor einer Kündigung und möchte bereits vor ihrer Genesung wieder arbeiten gehen.

Um die nötige Dauer der Rekonvaleszenz sicherzustellen, unterstützt swisstempcare die temporär Arbeitende bei der Kommunikation mit der Temporärfirma. Diese nimmt Rücksprache mit ihrem Kunden, dem Einsatzbetrieb, und kommuniziert die ärztlich verordnete Dauer der Arbeitsunfähigkeit. Die Rückversicherung des Einsatzbetriebs ermöglicht Maria Schmied die nötige Rehabilitationszeit. Am 1. September kann sie die Arbeit wieder aufnehmen.

Patrick Baumgartner, 35 Jahre alt, ist seit dem 14. Januar 2008 temporär als Bauspengler 
eingesetzt. In den Ferien in Italien hat er am 
19. Juli 2008 zusammen mit seiner Frau einen frontalen Autounfall. Bei beiden wird ein Schleudertrauma diagnostiziert.

Drei Tage nach der Ankunft in der Schweiz besucht ihn ein swisstempcare-Krankenbesucher. Obwohl der Verunfallte noch immer von Schwindelanfällen geplagt wird, will er die Arbeit sofort wieder aufnehmen. Der Krankenbesucher informiert den temporär Arbeitenden, wie er sich bei der Suva anzumelden hat, und setzt sich dafür ein, dass Patrick Baumgartner bis zum Ende der Genesung ruhen kann. Denn der Temporärjob wird vom Einsatzbetrieb für Patrick Baumgartner freigehalten, da er sich als kompetenter Mitarbeiter erwiesen hat.

Patrick Baumgartner über swisstempcare: «Dank swisstempcare wusste ich von Anfang an Bescheid, was ich wann und wem zuzusenden habe. Ich wurde gut informiert. Ich fühle mich mit meinem Problem ernst genommen und finde es grundsätzlich eine gute Sache.»

  • *Alle Namen wurden von den Autoren geändert.
  • (1) 
Bundesamt für Sozialversicherungen (Hrsg.) (2008), 
Disability Management in Unternehmen in der Schweiz, Forschungsbericht Nr. 03/08. www.bsv.admin.ch
  • (2) 
Klinik Barmelweid, Migros Basel, PostFinance, PostMail, ISS Schweiz, Basler Verkehrsbetriebe, Siemens, Implenia
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Myra Fischer Rosinger

Myra Fischer-Rosinger ist Direktorin von swissstaffing, dem Branchenverband der Personaldienstleister. Die Politologin und Volkswirtschaftlerin prägt die Entwicklung von swissstaffing seit 2006. Massgeblich beteiligt war sie an der Einführung des Gesamtarbeitsvertrags Personalverleih, der seit 2012 in Kraft ist. Im Branchenverband swissstaffing sind 300 schweizerische Personaldienstleister organisiert. Der Arbeitgeberverband ist Kompetenz- und Servicezentrum für die Temporärbranche und vertritt die Anliegen seiner Mitglieder gegenüber Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. www.swissstaffing.ch

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