Saloppe Sprache oder unkonventionelles Auftreten der Jungen geben nie Anlass für Missverständnisse oder Probleme?
Nein, an so etwas kann ich mich nicht erinnern. Ich stelle vielmehr fest, dass die Jungen die Regeln sehr genau kennen und auch einhalten. Das gilt sowohl im Umgang mit den Kunden als auch in den Teams, die bei uns immer altersmässig gemischt sind.
Bei Ernst & Young gibt es also keinen Dresscode oder so etwas wie ein Kniggehandbuch?
Nein, und wozu auch? Die Unterschiede, die ich durchaus feststelle, beziehen sich ja nicht auf Äusserlichkeiten, sondern viel eher auf die Werte. So steht für die jüngeren Mitarbeitenden heute nicht mehr allein der Beruf im Vordergrund. Sie wollen zwar durchaus eine Karriere machen, nehmen jedoch beispielsweise ihre Rolle als Väter ebenfalls sehr ernst.
Wie reagiert das Unternehmen auf diese veränderten Bedürfnisse?
Wir unternehmen alles, um dafür die entsprechenden Rahmenbedingungen bereitzustellen – obwohl das nicht immer einfach ist, denn ein Dienstleistungsunternehmen ist zwangsläufig von den Bedürfnissen der Kunden fremdbestimmt.
Die Wirtschaftsprüfung zeichnet sich ja nicht gerade durch sehr viel Glamour aus. Wie motivieren Sie die jungen Leute überhaupt für diesen Beruf?
Mit all dem, was Ernst & Young zu bieten hat. Wirtschaftsprüfung ist einerseits eine harte Knochenarbeit mit teilweise enorm viel zeitlicher Beanspruchung. Daneben ist es aber auch eine sehr vielseitige Arbeit in interdisziplinären Teams, die Einblicke in den Kern der Unternehmen bietet. Ein weiterer Trumpf sind die Ausbildungsmöglichkeiten, die sich nicht allein auf die Akademie beschränken. Und schliesslich sind wir so international tätig, dass wir die Möglichkeit, in mehreren Ländern zu arbeiten, praktisch garantieren können. Mit besonderen Exchange-Programmen fördern wir diese Internationalität zusätzlich.
Sie rekrutieren nicht nur Mitarbeitende für neue Stellen, Sie müssen auch Abgänge ersetzen. Liegt das daran, dass die Arbeit relativ belastend ist?
Es gibt effektiv Phasen, in denen die Belastung gross ist. Wenn im Januar, Februar die Abschlüsse fällig sind, kann es durchaus zu Wochen mit vielen Überstunden kommen. Die Leute wissen das, und wir versuchen auch, dafür einen Ausgleich zu bieten. Dazu gehören gut zusammengesetzte Teams, in denen die Neuen mit erfahrenen Wirtschaftsprüfern zusammenarbeiten.
Mit Belastung und Druck lassen sich die Abgänge ohnehin nur zum Teil erklären. Dank der ausgezeichneten Ausbildung sind unsere jungen Mitarbeitenden auf dem Arbeitsmarkt sehr gesucht. Zudem sind wir für die meisten der erste Arbeitgeber. Da ist es doch normal, dass ein Teil der jungen Leute noch etwas anderes sehen will. Und wir wissen, dass die jungen Leute aus ihren Fähigkeiten auch etwas machen wollen – sei es bei Ernst & Young oder allenfalls eben an einem anderen Ort.
Wohin wechseln die frisch diplomierten Wirtschaftsprüfer? Zur Konkurrenz?
Nein, das ist nur ganz selten der Fall. Viele gehen zu Kunden. Das ist die Folge davon, dass wir unseren Leuten Kontakte zu sehr interessanten Unternehmen bieten können, oft bis hinauf in die Verwaltungsräte. Das gilt natürlich auch umgekehrt: Unsere Kunden lernen gute Leute kennen, zu denen sie ein Vertrauensverhältnis aufbauen – Vertrauen spielt in unserem Geschäft ja eine zentrale Rolle. Eigentlich ist es ja ein gutes Zeichen, wenn unsere Kunden gute Leute von Ernst & Young anstellen.
Abgesehen davon, dass Sie diese dann ersetzen müssen! Für Ernst & Young ist es aber sicher auch interessant, gute jüngere Mitarbeitende zu halten.
Selbstverständlich. Weil unser Unternehmen so vielseitig und international ist, kann eine interne Karriere so viele verschiedene Erfahrungen bieten, wie sie sonst nur aus mehreren Stellen zusammenkommen.
Aber eben doch nur an einem Ort…
Auch das stimmt nur bedingt. Wir sind alles andere als eine grosse Käseglocke, denn unsere Leute arbeiten bis zu 80, 90 Prozent ausser Haus und auf verschiedenartigsten Projekten. So habe ich zum Beispiel den Kollegen, mit dem ich angefangen hatte, erst vier Monate nach dem ersten Arbeitstag wieder getroffen.
Wie schaffen Sie da Identifizierung, «Stallgeruch» sozusagen?
Die Zusammensetzung der Teams spielt eine zentrale Rolle, dann die Weiterbildungen – und natürlich auch die Social Events. Diese sind teilweise organisiert, finden oft aber auch spontan statt, beispielsweise zum Abschluss eines grossen Projektes, zur Feier eines beruflichen Erfolgs oder eines persönlichen Höhepunktes.
Nochmals zurück zur internen Karriere. Wie stellt sich hier der Aufstieg dar?
Die Karrieremöglichkeiten bei Ernst & Young sind äusserst vielfältig und wir legen grossen Wert auf eine individuelle Karriereplanung mit unseren Mitarbeitenden. Der erste grössere Schritt ist derjenige zum Manager und damit verbunden die Übernahme der operativen Leitung von Projekten. Der zweite grosse Schritt ist dann derjenige zum Partner oder Principal und damit verbunden die Übernahme der Verantwortung für Projekte und Kunden sowie interne Führungsaufgaben.
Dies aber in der Regel erst im gesetzteren Alter?
Das müssen Sie selber beurteilen. Der jüngste Partner bei uns ist 31. Das ist zwar eher die Ausnahme, aber zwischen 35 und 60 haben wir eine sehr gute Altersstruktur. Zudem sind die meisten unserer Partner «homegrown», also bei Ernst & Young gross geworden. Der Entschluss, Partner zu werden, ist also immer auch ein Bekenntnis zum Unternehmen.
Vielfach sind heute Klagen über die Qualität der Studienabgänger zu hören. Wie beurteilen Sie die Qualität?
Gut bis sehr gut. Es mag da und dort – etwa in der klassischen Buchhaltung – Lücken geben, die aber durch zusätzliche Kompetenzen mehr als kompensiert werden. Wenn von «sinkender Qualität» gesprochen wird, ist damit oft etwas ganz anderes gemeint: die veränderten Wertvorstellungen der jüngeren Generation.
Der Interviewpartner
Thomas Huwyler, 46, ist People Partner bei Ernst & Young Schweiz. In dieser Eigenschaft ist er Mitglied der Geschäftsleitung und für das strategische HRM zuständig. Seit Jahren in der Rekrutierung und Ausbildung engagiert, ist Huwyler daneben aber auch weiterhin aktiv als Wirtschaftsprüfer tätig. Dies entspricht der Philosophie von Ernst & Young, dass alle Partner und GL-Mitglieder neben ihren internen Führungsaufgaben auch selber Kunden betreuen.