Der gute Ruf

«Google? Wir sind 
selber erfolgreich»

Wird «Googliness» für Arbeitgeber bald zur Pflicht? Wie müssen Unternehmen Hochschulabsolventen ansprechen, um überhaupt als attraktiv wahrgenommen zu werden? Das Giesskannenprinzip taugt nichts – die Zielgruppen wollen sehr präzise angesprochen werden.

Verkörpert das erst neunjährige IT-Unternehmen Google den Traumarbeitgeber schlechthin? Dessen Schweizer Zentrale sehe aus wie eine «Mischung aus Kindergarten, Geheimlabor und Wellnesstempel», hiess es im «Magazin» des «Tages-Anzeigers». Kinderspielzeug, der firmeneigene Coiffeur, das Familienfest nach Büroschluss am Freitagabend – ist es das, was junge, talentierte Hochschulabsolventen wünschen? Und wenn ja, wird solche «Googliness» auch für Technologiekonzerne wie ABB Schweiz oder für Traditionsunternehmen wie KPMG bald zur Pflicht? Google sei kein direkter Mitbewerber, heisst es von beiden Firmen übereinstimmend, und ABB-Pressesprecher Lukas Inderfurth fügt selbstbewusst hinzu: «Wir sind selber erfolgreich.» Womit eigentlich alles Wesentliche zum Thema gesagt wäre.

Zweifel am medial inszenierten Hochglanz-Image

Nicht ganz. Denn nicht allen Grossunternehmen gelingt es momentan so gut wie offenbar ABB und KPMG, den Nachwuchs an den Hochschulen und zugleich Sympathiepunkte abzuholen. Das Internationale Rote Kreuz beispielsweise, das sich während Jahren grosser Beliebtheit unter den Studierenden erfreute, rutschte beim aktuellen Trendence-Absolventenbarometer von Platz 10 auf Platz 50 ab.

Man dürfe nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, heisst es aber übereinstimmend von ABB und KPMG: Nicht nur seien ihre Aufgabenspektren und Kulturen grundverschieden, auch peilten sie jeweils ganz andere Zielgruppen als Google an. Bei ABB Schweiz etwa seien dies nicht nur Informatiker, sondern vor allem Techniker, Ingenieure, Betriebswirte – «und von diesen nicht nur die 20- bis 30-Jährigen, sondern Menschen bis 65», erklärt Inderfurth und gibt sich kämpferisch: «Wie viele Mitarbeitende hat Google? Wir haben 5800. Wie viele Kinderkrippen hat Google? Wir haben neun.»

«Empfinden die Absolventen Firmen wie Google nur als attraktiv, oder würden sie sich dort auch konkret bewerben?», fragt auch Alexander Senn, Leiter HR Marketing bei KPMG, und empfiehlt Absolventen, «kritisch am Lack des medial geschickt inszenierten Hochglanz-Images zu kratzen».

Wettbewerbsbewusst gibt man sich in beiden Firmen: KPMG habe einen grossen Sprung beim Ranking des Absolventenbarometers gemacht. «Wir können da mit Google mithalten», führt Senn aus. Und auch Inderfurth erklärt unmissverständlich: «Bei einigen Zielgruppen sind wir die beliebteste Unternehmung – und das wollen wir auch bleiben.» Entsprechend intensiv wird Hochschulmarketing betrieben und werden Veränderungen und Tendenzen im Anspruchsverhalten der Absolventen beobachtet.

Auf der Suche nach dem 
perfekten Match

Überhaupt hätten die sich in den letzten Jahren grundsätzlich verändert, beobachtet Inderfurth: «Studenten, die einfach mal in den Stand schlendern und sich die Angebote zeigen lassen, gibt es nicht mehr.» Da sie ihren Marktwert genau kennen, seien die heutigen Studierenden wesentlich selbstsicherer als ihre Vorgänger, seien sehr gut vorbereitet und gingen gezielt und mit präzisen Fragen auf diejenigen Unternehmen zu, für die sie sich interessieren. Auch hätten sie sehr konkrete Vorstellungen über Salärhöhen und Branchendurchschnitte. «Sie recherchieren», konstatiert Inderfurth.

Während sich Absolventen fragen, welche Unternehmung ihnen am meisten bietet, lautet bei den Firmen die Gretchenfrage offenbar: Wer passt wirklich zu uns? «Würde, wer sich bei Google bewirbt, überhaupt zu uns passen?», fragt etwa Senn und leitet daraus die für das KPMG-Hochschulmarketing wichtigste Frage ab: «Bei wem möchten wir eigentlich Employer of Choice sein?» Noch wichtiger als die eigene Attraktivität oder der grosse Bewerberpool scheint den Firmen offenbar eines zu sein: ein perfekter Match.

Wunschzielgruppen müssen aber sehr präzise angesprochen werden. «Bei den Ingenieuren steht der Lohn kaum je im Vordergrund», weiss Inderfurth. «Vielmehr zählen für sie die spannenden Aufgaben. Sie wollen schnell Verantwortung übernehmen und tolle Projekte leiten.» Bei Events wie etwa dem Absolvententag sind deshalb neben den Personalfachleuten immer auch Praktiker mit unterschiedlicher Erfahrung und Betriebszugehörigkeit präsent, die nicht theoretisch, sondern konkret über den Arbeitsalltag im Unternehmen berichten können. «Offen und ehrlich kommunizieren, wie das Unternehmen wirklich ist und worum es bei den Jobs eigentlich geht», lautet Senns Rezept. «Nicht optimal wäre, Tausende von unpassenden Bewerbungen zu generieren.»

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