«Gute, gesunde Arbeit ist entmüllte, entlastete Arbeit»
Martin Gaedt zeigt in seinem Buch «Smart arbeiten mit der Delete-Strategie», wie gezieltes Ausmisten von Aufgaben und Tools zu mehr Effizienz, Gesundheit und sogar wirtschaftlichem Erfolg führen kann.

Martin Gaedt bei einer sichtlich actionreich gestalteten Keynote. (Bild: Daniel Thüler)
HR Today: Was hat Sie dazu inspiriert, das Buch «Smart arbeiten mit der Delete-Strategie» zu schreiben?
Martin Gaedt: Viele Menschen sind im Job überlastet. Wir haben zu viele Aufgaben und nutzen zu viele Tools. Wir sind nicht vorbereitet auf die Zu-viel-von-allem-Welt. Die Entlastungskompetenz wird wichtiger. Werden wertlose Tätigkeiten gezielt gestrichen, haben Menschen mehr Zeit, Fokus und Energie für wertvolle Aufgaben. Es geht mir nicht darum, alles noch effizienter zu tun, sondern um das bewusste und regelmässige Ausmisten der Tätigkeiten.
Weshalb fällt das «Ausmisten» so schwer?
Gaedt: Viele Arbeitgebende überlegen, wie sie attraktiv für Mitarbeitende werden. Ich beobachte einen Zusammenhang zwischen Entlastung und Attraktivität. Beides braucht den Willen, Ideen und deren Umsetzung. Das ist auch Arbeit, zu der nicht alle bereit sind.
Ein Hotel hat die Arbeitszeit von 40 auf 36 Stunden reduziert bei vollem Lohn. Das entlastet. Das Ergebnis hat alle überrascht: Die jährlich 1400 Online-Bewertungen von Gästen sind jetzt deutlich besser als vorher. Die Gäste erleben einen besseren Service. Das bringt dem Hotel mehr Gäste, mehr Umsatz und mehr Bewerbungen.
Ein Arbeitsbeginn um 3 Uhr ist für viele Menschen unattraktiv. Muss ein Bäcker nachts mit dem Backen anfangen? Immer mehr Bäckereien brechen mit traditionellen Strukturen. Gebacken wird ab 6 Uhr oder 7 Uhr. Verkauft wird ab 10 Uhr, 11 Uhr oder 14 Uhr. Sie bekommen nun mehr Bewerbungen, als sie einstellen können.
Wie überzeugt man Vorgesetzte, nicht nur Neues zu wagen, sondern auch Altes loszulassen – gerade wenn sich diese damit schwer tun?
Gaedt: Wird der Krankenstand in Firmen mit und ohne Entlastung verglichen, werden Vorgesetzte häufig hellhörig. Das sind Kosten, das ist messbar. In Firmen mit Entlastung sinkt der Krankenstand und die Produktivität steigt. Nicht durch die Forderung danach, sondern durch gesündere Mitarbeitende.
Eine Steuerkanzlei hat «Stille Stunden» eingeführt. Drei Stunden pro Tag klingelt kein Telefon. Die Kunden wissen Bescheid. Ausserdem sind die Server so eingestellt, dass E-Mails intern nur zweimal pro Tag zugestellt werden. Der Clou: Fokus. Die Mitarbeitenden wurden entlastet und der Umsatz ist gestiegen.
«Eine Steuerkanzlei hat «Stille Stunden» eingeführt. Drei Stunden pro Tag klingelt kein Telefon. Die Kunden wissen Bescheid. Die Mitarbeitenden wurden entlastet und der Umsatz ist gestiegen.»
– Martin Gaedt, Autor von «Smart arbeiten mit der Delete-Strategie»
Sie stellen «40 Übungen zum Ausmisten und für kreatives Potenzial» vor. Welche davon nützt Ihrer Meinung nach am meisten und weshalb?
Gaedt: Man schreibt alle Tätigkeiten auf und die dafür eingesetzte Zeit. Dann zeichnet man Kreise, für jede Tätigkeit einen in der Grösse des Zeitaufwands. Dann überlegt man, welchen Wert die Tätigkeiten für Kundinnen und Kunden und die Firma beitragen. Wird der Service besser? Steigt der Umsatz? In die Tätigkeitskreise zeichnet man einen zweiten Kreis mit dem Wert.
Die Tätigkeit mit der meisten Zeit und dem geringsten Beitrag zum Erfolg wird gestrichen. Die gewonnene Zeit fliesst nun in wertvolle Tätigkeiten. Am wirksamsten ist Entlastung, wenn alle in der Firma ausmisten. Gute, gesunde Arbeit ist entmüllte, entlastete Arbeit.
Zukünftig kann man sich vor jeder neuen Aufgabe fragen: Welche alte Aufgabe, Anforderung, welches Tool oder Projekt lassen wir dafür weg?
Sie propagieren, dass dem «Meeting-Wahn» ein Ende gesetzt werde soll. Welche Meetings braucht es trotzdem?
Gaedt: Die Firma Shopify zeigt in einer Google-Chrome-Erweiterung die Kosten für Meetings an. Beim Einladen wird abgewogen, ob die Kosten gut investiert sind. So spart Shopify 322000 Stunden in Meetings. Die Zeit wird nun sinnvoller eingesetzt. Welche Meetings wertvoll sind, muss jede Firma und Branche selbst definieren: Bringt das Ergebnis die Firma voran?
Buchtipp

Martin Gaedt zeigt in seinem Buch, wie sich Arbeitsstress und Überlastung durch gezieltes Streichen unnötiger Aufgaben reduzieren lassen. Mit praxisnahen Methoden wie der «Delete-Brille» und «Zeit-Wirkungs-Kreisen» hilft er, Meetings und Zeitfresser zu minimieren – für mehr Produktivität, weniger Stress und eine bessere Work-Life-Balance.
«Smart arbeiten mit der Delete-Strategie»
Martin Gaedt
Remote Verlag
2024, 312 Seiten.