«Handlungsbedarf in der HR-Schulung»
Mit dem Label Friendly Work Space hat Gesundheitsförderung Schweiz in den Chefetagen Bewusstsein für die Wichtigkeit des Betrieblichen Gesundheitsmanagements geschaffen. Trotzdem zögern viele Unternehmen bei der Implementierung, weil sie den Aufwand als zu hoch einschätzen. Um die flächendeckende Verbreitung voranzutreiben, überarbeitet die Gesundheitsförderung Schweiz nun ihre BGM-Angebotspalette. Ein Gespräch mit Geschäftsleitungsmitglied René Rippstein.
René Marcello Rippstein ist seit 2009 Mitglied der Geschäftsleitung von Gesundheitsförderung Schweiz. (Foto: Peter Tillessen)
Herr Rippstein, das Label Friendly Work Space prämiert die Qualität eines BGM-Systems. Was zeichnet das Label besonders aus?
René Rippstein: Friendly Work Space ist das einzige anerkannte Schweizer Label, das die Qualität eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements misst. Es berücksichtigt den Total-Quality-Ansatz EFQM (European Foundation for Quality Management) und ist deshalb leicht in bestehende Qualitätsprozesse integrierbar – unabhängig davon, in welcher Branche dieses angewendet wird. Durch die Integration des Friendly Work Space erfüllen die Unternehmen einen hohen Standard und streben gleichzeitig nach kontinuierlicher Verbesserung. Externe Assessoren überprüfen diesen Prozess und weisen auf das vorhandene Potenzial aber auch auf die noch zu verbessernden Punkte hin. Der Assessment-Bericht bildet die Grundlage dafür, das Potenzial, der Mitarbeitenden auszuschöpfen, die Innovationskraft des Unternehmens sowie die Produktivität zu steigern und Absenzraten zu senken. Auch im Employer Branding ist die Wirkung des Labels nicht zu unterschätzen.
An der letztjährigen Preisverleihung wurde erstmals das Label «Committed to» vergeben. Wofür steht dieses neue Label genau?
«Committed to» ist ein Label für jene Firmen, die im BGM schon viel machen, aber den Notendurchschnitt 3.0 noch nicht erreicht haben. Es ist als Anerkennung für Firmen gedacht, die auf gutem Weg zu einem strategisch verankerten BGM sind. Diese Firmen müssen das BGM einfach noch systematischer und nachhaltiger integrieren. Wir empfehlen diesen Unternehmen, die Verbesserungspotenziale zu betrachten, die im Assessment-Bericht aufgeführt sind. Sie können auch das S-Tool nutzen, um ihre Situation nochmals genau zu analysieren und Massnahmen daraus abzuleiten. Danach kann wiederum die Wirkung analysiert werden und es entsteht eine Exzellenz-Spirale nach oben. BGM ist ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess.
Zur Person
René Marcello Rippstein ist seit 2009 Mitglied der Geschäftsleitung von Gesundheitsförderung Schweiz. Seine Aufgabe besteht darin, die Zusammenarbeit zwischen Privatwirtschaft und Wissenschaft zu stärken mit dem Ziel, bei den Unternehmen das Human Capital Management mithilfe des Betrieblichen Gesundheitsmanagements aufzubauen.
Häufig wird kritisiert, dass der Zertifizierungsprozess zum Friendly Work Space für KMU zu aufwendig sei. Welche Möglichkeiten haben kleinere Unternehmen, um ein BGM erfolgreich zu verankern?
Viele KMU gehen das BGM oft ereignisorientiert und wenig systematisch an. Zudem verfügen sie oft über kein genügend grosses Know-how im BGM und können nur wenig finanzielle Mittel in externe Beratungen und in den Support investieren. Aus diesem Grund werden wir das bestehende Webportal KMU-Vital erneuern. Dabei werden neue Tools zur Anwendung kommen, die einen Do-it-yourself-Ansatz beinhalten. Zum Beispiel E-Learnings, webbasierte Analysetools sowie ein KMU-Label, das mit einer Onlineplattform verknüpft ist. Bis zur Lancierung wird es allerdings noch eine Weile dauern.
Wo besteht für Sie das grösste Entwicklungspotenzial Ihrer BGM-Angebote?
Künftig sollen Unternehmen ihre Ergebnisse noch besser messen können und Rückkopplungen ihrer BGM-Aktivitäten frühzeitig erkennen. Dazu entwickeln wir derzeit ein Wirkmodell, das aufzeigt, wie Resultat B aussehen könnte, wenn Massnahme A ergriffen wird. So wird der mögliche Nutzen frühzeitig sichtbar. Zudem möchten wir den Bekanntheitsgrad von Friendly Work Space bei den Unternehmen und den Mitarbeitenden mit verschiedenen Kommunikationsmassnahmen weiter erhöhen. Ein neues Produkt dafür ist beispielsweise die Brandingbox, mit welcher wir lizenzierten Firmen verschiedene individualisierbare Employer-Branding-Vorlagen wie Newsletter, Briefköpfe oder Inserate zur Verfügung stellen. Auch ein Online-Shop für Werbeartikel und eine Employer-Branding-Beratung gehören dazu. Mit Jobup haben wir zudem für zertifizierte Unternehmen die Möglichkeit geschaffen, Jobinserate mit dem Label Friendly Work Space zu kennzeichnen. Jobsuchende können die zertifizierten Betriebe so gezielt selektieren. Kooperationen wie jene mit der Swica, dem grössten Schweizer Krankentaggeldversicherer, sorgen dafür, dass unsere bereits entwickelten Werkzeuge wie das S-Tool zur Stressmessung in weiteren Unternehmen Verbreitung finden. Einen ebensolchen Handlungsbedarf sehen wir in der Schulung von HR-Mitarbeitenden und BGM-Projektleitern. Dort geht es darum, in modulartig aufgebauten Weiterbildungen grundsätzlich zu vermitteln, was ein BGM ist und wie dieses im Unternehmen wirksam verankert werden kann.
Und welche Bedeutung soll das Friendly Work Space in zehn Jahren haben?
Es wird sich ganz bestimmt zeigen, dass Label-Firmen durch den systematischen BGM-Ansatz besser dastehen als ihre nichtzertifizierte Konkurrenz. Vor allem dann, wenn es um die Innovationsfähigkeit und Produktivitätssteigerung geht. Das schliesse ich jedenfalls aus den ersten Erfahrungen mit den Pionierfirmen. So sind diese gemäss der Swing-Studie von 2011 um zehn Prozent produktiver, haben eine 10 bis 20 Prozent tiefere Absenzquote und dadurch auch deutlich geringere Personalkosten. Gesundheitsfördernde Massnahmen stärken eben nicht nur die Gesundheit der Mitarbeitenden, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. In zehn Jahren rechne ich damit, dass etwa 20 bis 30 Prozent aller Unternehmen mit mehr als 100 Angestellten zertifiziert sein werden. Heute sind es etwa zehn Prozent.