Porträt

Höhenflug unter den Wolken

Als Jugendlicher wollte er Pilot werden. Stattdessen hat es 
Reto Schmid zum bestbezahlten Lernenden der Swiss gebracht. Sprich: zum HR-Leiter. Aus heutiger Sicht hat er damit den 
Fünfer und das Weggli – er übt einen Beruf mit viel Gestaltungsspielraum aus und kann (fast) jederzeit in die Höhe.

Reto Schmids Blick schweift ab. Er schaut aus dem Fenster und freut sich. «Das da ist eine Antonow. Das grösste Cargo-Flugzeug der Welt.» Draussen auf dem Rollfeld steht eine eher unscheinbare, blau-weisse Maschine. «Ein Frachtflugzeug. Da wird heute wohl etwas Grösseres transportiert, dass die hier in Zürich ist. Vielleicht bekommt der Zoo einen neuen Elefanten oder so», witzelt Schmid. Er nimmt sein Portemonnaie und seinen Schlüssel aus dem Hosensack, legt den Badge in eine Plastikschale und geht durch den Körperscanner. Auf der anderen Seite packt er die wenigen Sachen wieder ein und schreitet durch die Glastüre auf die Besucherterrasse des Flughafens Zürich.

Der Wind bläst ihm ins Gesicht, die Temperaturen sind winterlich, doch der grosse, sportliche Mann trägt nur einen Anzug. «Kein Problem», sagt Schmid und posiert für die Fotografin, «mir ist‘s lieber zu kalt als zu heiss.» Er ist Alpinist, mag raue Winde, raue Felsen, raue Bedingungen. Und die Höhe. Ob in den Bergen oder im Flugzeug.

Beinahe wäre Schmid Militärpilot geworden. Mit 16 Jahren war er in der Vorselektion, er hat viel gearbeitet für sein Ziel. «Dann kam es zum ersten Nasenstäuber in meinem Leben», sagt er. Trotz seinen Bemühungen hat es nicht gereicht, sein Traum platzte. «Als junger Mann zu akzeptieren, dass jemand so über dich entscheiden kann, war hart für mich. Ich war sehr enttäuscht.» Heute ist er froh über die Absage. «Ich wäre vom Typ her kein guter Pilot geworden.» Zu strikt, zu reglementiert, zu sehr von Instrumenten und Checklisten dominiert, findet er die Arbeit im Cockpit. «Ich brauche Gestaltungsspielraum, muss etwas verwirklichen können, kreativ sein.» Eigenschaften, die er als HR-Leiter der Swiss viel besser ausleben kann denn als Pilot. Der Airline-Branche ist er aber treu geblieben. Allerdings über einen Umweg.

Zur Person

Reto Schmid leitet das 76-köpfige HR-Team der Swiss. Er hat Rechtswissenschaften in Zürich studiert und ein Nachdiplomstudium in Rechtsvergleichung in New York absolviert. Schmid ist kurz nach der Gründung der Swiss zur Airline gestossen, zuerst als Generalsekretär, später hat er unter anderem die Bereiche Rechtsdienst sowie Umwelt & Politik geleitet. Vor seinem Wechsel zur Airline hat 
Schmid als Wirtschaftsjurist in einer Kanzlei gearbeitet. Der 46-Jährige wohnt in Russikon im Zürcher Oberland.

Flugzeuge im Bauch

Nach dem Scheitern der Pilotenpläne hatte
Schmid erst einmal genug von der Fliegerei. Er widmete sich anderen Dingen. Einem Studium zum Beispiel. «In der engeren Auswahl standen Jura und Medizin. Ich habe mich für Jus entschieden.» Klingt, wenn man Schmid zuhört, auf den ersten Blick nicht sehr passend. Sein Humor, seine Spontaneität und sein Sinn fürs Kreative machen ihn nicht zum prototypischen Anwalt. «Das täuscht», sagt Schmid. «Recht hat viel mit dem Leben zu tun. Hinter den Fällen stehen Menschen und Schicksale. Das hat mir gefallen. Und ein wirklich guter Anwalt ist nicht nur Handwerker, sondern auch Künstler.»

Obwohl er sich im Studium alles vorstellen konnte, ausser Wirtschaftsanwalt zu werden, verschlug es ihn genau in diese Sparte. Fünf Jahre arbeitete er in einer Kanzlei, war zufrieden mit seinem Leben und seiner Arbeit. Bis die Anfrage von Swiss kam. «Ich habe als Anwalt das Projekt Phoenix begleitet und bin so mitten in den Strudel des Groundings geraten.» Seine Arbeit blieb damals nicht unbemerkt: Bei der Gründung von Swiss wurde Schmid angefragt, ob er nicht für die neue Airline tätig sein wolle. Er wollte.

Schmid begann als Generalsekretär bei Swiss. Und sagt rückblickend, beim Aufwärmen nach dem Fotoshooting im Kaffee der Besucherterrasse: «Es war ein Bauch-gegen-Kopf-Entscheid: Der Kopf sagte Nein, der Bauch wollte zur Airline. Meine Anwaltskollegen hielten mich für verrückt, fanden das Unterfangen viel zu riskant und waren der Meinung, ich hätte schon zu viel in meine Anwaltskarriere investiert. Aber zum Glück habe ich den Schritt gewagt.» Bis heute trifft Schmid gerne Bauchentscheidungen.

Die erste Zeit bei der Swiss war hart. Die Airline hob nicht richtig ab, der Druck und die Herausforderungen waren riesig. «Es war sehr turbulent», sagt Schmid. Er sei an Grenzen gekommen. «Der Ausdruck Work-Life-Balance bekommt in solchen Situationen eine andere Bedeutung. Man muss lernen, sich wenige Freiräume zu erkämpfen.»

Für Schmid waren diese Inseln Skitouren, die Familie und die Freunde und eines seiner Hobbys, das er auch in den strengsten Zeiten nie aufgab: «Ich stand immer pünktlich in der Turnhalle, um meine Volleyball-Junioren zu trainieren.» Schmid hat selber jahrelang Volleyball gespielt, bis ihm einige Verletzungen einen Strich durch die Rechnung machten. «Da kann man den Kopf noch so voll haben, eine Horde jugendliche Männer in einer Turnhalle lenkt ab», sagt Schmid und lacht.

Er mag die direkte, ungefilterte Art der Jungen. Und er zieht auch Parallelen in die Geschäftswelt. «Die Sprache und die Reaktionen werden zwar ausgereifter und geschliffener mit dem Alter, doch die Rollen und die Persönlichkeiten, die Menschen in Gruppen einnehmen, bleiben die gleichen.» Die jungen Menschen zu trainieren, sie in ihrer Entwicklung zu begleiten und zu sehen, wie manche ihren Knopf lösen und riesige Schritte nach vorne machen, freut ihn immer wieder.

Schon als Jugendlicher hat ihm das Begleiten und Führen von Menschen Spass gemacht. Schmid, der von sich sagt, er sei ein ausgeprägter Naturmensch, war jahrelang in der Pfadi tätig, auch als Leiter. Er sei ein Leadertyp, aber auch ein Teamplayer, so Schmid. Eher vermittelnd als konfliktfreudig. «Auseinandersetzungen liegen mir nicht besonders. Den Umgang damit habe ich erst spät gelernt.»

Ausser Dienst

Meine Hobbys: Bergtouren (Skitouren, Sportklettern, Hochtouren), Kochen, Motorradfahren.
 
Meine grösste Leidenschaft: Süsses! Ich liebe es, Desserts zu machen, und investiere auch viel Zeit in die Dekoration. Backen liegt mir allerdings nicht so – da könnte ich noch viel von meiner Mutter lernen.

Daran erinnere ich mich gerne zurück:  Mein Jahr in New York. Ich habe da ein Nachdiplomstudium absolviert und es sehr genossen, in dieser pulsierenden Stadt zu leben. Obwohl ich mich sonst als absoluten Naturmenschen bezeichne.

Das möchte ich noch lernen: Gitarre zu spielen. Und wenn ich genügend Zeit für das Hobby hätte, würde ich den Pilotenschein machen.

Ein Fünfgänger für sich alleine

Nach dem Einstieg bei der Swiss als Generalsekretär hat Schmid verschiedene Posten durchlaufen, bis er vor drei Jahren den Quereinstieg ins HR fand: direkt als Leiter der Abteilung. «Ich war der bestbezahlte Lernende. Und ich lerne heute noch», sagt er. Schmid fühlt sich sehr wohl im Airline-Umfeld und kann sich nicht vorstellen, dass er jemals wieder davon loskommt. Wer einmal Kerosin gerochen hat ... So kann er auch eine seiner Leidenschaften, das Reisen, richtig ausleben. Er reise anders, seit er bei der Swiss sei. «Wir haben den Luxus, einfach und günstig wegfliegen zu können. Ich nutze das oft spontan, fliege irgendwohin, um einmal zu sehen, wie‘s da so ist und was ich gerne unternehmen würde – ohne grosse Pläne und ohne den Stress, den Touristen haben.»

Sehr gerne würde er, wenn es die Zeit erlauben würde, eine längere Auszeit nehmen, um mit dem Motorrad durch Patagonien zu reisen. Berglandschaften ziehen Schmid, der schon seinen Vater auf Alpintouren begleitet hat, auch im Ausland an. «Ich mag die Ruhe und Abgeschiedenheit der Berge, die Natur, den Adrenalinkick, beispielsweise beim Klettern. Und ich mag die körperliche Herausforderung, nicht nur symbolisch Berge zu erklimmen.» Trotz den fernen Destinationen, die Schmid reizen, kann er sich auch einmal einen Sommer auf einer Alp vorstellen. Das sei ein Traum, sagt er.

Im Moment realistischer ist eine Reise nach Japan. «Da war ich noch nicht und es ist definitiv eine der Destinationen, die ich sehr gerne besuchen möchte.» Das Land reizt ihn auch wegen seiner Küche – Schmid ist leidenschaftlicher Koch. Gerne lädt er Gäste zu sich nach Hause im Zürcher Oberland ein. Nirgends könne er so gut entspannen wie beim Kochen. So kommt es auch schon mal vor, dass er für sich alleine einen Fünfgänger kocht. In aller Ruhe und mit viel Musse, nach dem hohen Rhythmus bei der Arbeit. «Es fasziniert mich, dass es beim Kochen keine Abkürzungen gibt. Ein Ossobuco können Sie nicht in einer halben Stunde kochen. Das wird nie funktionieren.» Diese Musse zeigt 
Schmid auch in seiner Paradedisziplin: den Desserts. «Sie sind ein sehr schöner Abschluss einer guten Mahlzeit.» Und wie würde er diesen Tag abschliessen? «Mit einem Schwarztee-Glace und in Wein eingekochten Zwetschgen.»

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