Reise der Veränderung
Die grössten Herausforderungen in einem solchen Projekt stellen sich jedoch nicht unbedingt bei der Organisation und Strukturierung der neuen Prozesse – auch wenn dies viel Wissen, Geduld und Detailorientierung erfordert. Ein viel beschwerlicherer und intensiverer Auftrag war es, das gesamte Team auf die Reise der Veränderung mitzunehmen, denn diese Reise hatte ja das klare Ziel, einen Teil unserer eigenen Arbeit wegzugeben und damit die Arbeitsplätze im eigenen Land zu streichen. Es war uns bewusst, dass viel zusätzliche Arbeit und eine Menge Hindernisse und Herausforderungen auf uns zukommen würden. Es war uns allen klar, wie wir heute arbeiten, und wir hatten auch verstanden, dass die administrativen Tätigkeiten in Zukunft im Business Center in Košice abgewickelt würden, doch nun hiess es aufzuzeigen, wie wir gemeinsam dieses Ziel erreichen und mit welchen Spielregeln wir dorthin gelangen würden. Zwischen dem Vermitteln der Vision und dem Verstehen befand sich nun die Aufgabe des Kommunizierens. Dazu war der offene Austausch über die geplanten Veränderungen von zentraler Bedeutung. Es war wichtig, die Ängste der Mitarbeitenden ernst zu nehmen, Ärger über das geplante Outsourcing zuzulassen und miteinander zu besprechen.
Eine Frage der Kommunikation
Ein wichtiger Aspekt lag darin, den Kommunikationsfluss so zu strukturieren und sicherzustellen, dass alle Mitarbeitenden möglichst klar wussten, was auf sie zukommen würde, und die Informationen, die sie für ihre Arbeit brauchten, auch zum richtigen Zeitpunkt erhielten. Es brauchte ein gemeinsames Verständnis, Offenheit und Neugier, damit alle bereit waren, sich auf das Abenteuer einzulassen. Jede Veränderung hat ihre Befürworter und ihre Gegner. Einige versprechen sich Vorteile für die Zukunft, während andere die Veränderung ablehnen, da sie die Vorteile des jetzigen Zustands schätzen. Widerstände und Konflikte sind unvermeidliche Begleiterscheinungen in einem solchen Projekt.
Als Führungskraft und Projektleiterin bedeutet dies, nicht nur an die eigene Position zu denken, sondern die Interessen und Sorgen der anderen zu verstehen, diese als legitim anzuerkennen und bereit zu sein, darüber zu diskutieren. Es galt darum, gemeinsam Lösungswege auszuarbeiten, die eine Win-win-Lösung ermöglichten, und eine neue Sicht zu eröffnen, wie dieses Projekt als Chance zur persönlichen Weiterentwicklung und Erweiterung der heutigen Kenntnisse begreifbar werden konnte. Diese Veränderung durfte nicht als Bedrohung wahrgenommen werden. Es galt vielmehr aufzuzeigen, dass die Mitarbeitenden in diesem Projekt aktiv die Zukunft mitgestalten und somit ihre Arbeitsmarktfähigkeit stark steigern konnten.
Positive Zwischenbilanz
Es ist nun bald ein Jahr vergangen, seit die administrativen Prozesse ins Business Center nach Košice ausgelagert wurden. Bei der Übernahme ist dabei nicht immer alles so gelaufen, wie wir dies geplant oder gewünscht hatten. Viele Gespräche, verschiedene Anpassungen und zusätzliche Beschreibungen waren erforderlich und die Teams in den entsprechenden Ländern waren bereit, die notwendigen Zusatzschritte zu machen. Das Business Center in Košice wurde nicht als Bedrohung wahrgenommen, sondern als strategischer Entscheid akzeptiert. Mit dieser Grundvoraussetzung war die Basis gelegt, die Mitarbeitenden in Košice als Teammitglieder zu unterstützen und ihnen zum Erfolg zu verhelfen. Heute besteht eine gute Zusammenarbeit und eine freundschaftliche Beziehung zueinander. Natürlich gibt es auch heute noch Unklarheiten oder es passieren Fehler, die es nicht geben sollte. Die saubere und für alle einsehbare Dokumentation der Prozesse sowie die strukturierte Ablage aller Vorlagen ermöglichen jedoch, unsere Arbeitsweise nachzuvollziehen, Schnittstellen zu überprüfen und bei Problemen Lösungen miteinander zu erarbeiten. Auch heute bleibt ein wichtiger Aspekt bei der Kommunikation und dem gemeinsamen Verständnis, welche Leistungen das Business Center zu erbringen hat und wie die Zusammenarbeit aussehen soll. Wir alle sind gemeinsam verantwortlich, dass die Schnittstelle zum Business Center gut funktioniert, und wie in jeder Beziehung müssen wir alle unseren Beitrag leisten, um erfolgreich zu sein.
Bei Holcim Central Europe West werden die wechselnden Anforderungen sicherlich auch in Zukunft das Anforderungsprofil der Mitarbeitenden prägen und zusätzliche Qualifikationen und Fähigkeiten erfordern. Geistige Mobilität und Flexibilität, ganzheitliches vernetztes Denken, fachliche Expertise, inspirative Führung und hohe soziale Kompetenz waren bei diesem Projekt von grosser Bedeutung und werden auch künftig die Schlüssel zum Erfolg bleiben.
Nachgefragt
«Das Team hat sich halbiert»
Frau von Bergen, was hat Holcim dazu bewogen, die HR-Administration auszulagern, und welche Zwischenbilanz ziehen Sie?
Am Anfang stand ein Entscheid des Verwaltungsrats, der sich eine einheitliche Datenbasis für alle Ländergesellschaften wünschte. Das Projekt war sehr spannend, kostete aber auch viel Nerven. Die HR-Administration wird ja gerne als nicht so wichtig oder anspruchsvoll wahrgenommen und man muss in meiner Funktion damit leben können, dass einem von gewissen Leuten Pingeligkeit vorgeworfen wird. Eine saubere Ablage und detaillierte Dokumentation der Prozesse sind jedoch unabdingbar, wenn man vermeiden will, dass man am Ende eine Administration der ausgelagerten Administration betreibt.
Wie hat sich Ihr Team in der Schweiz durch das Outsourcing verändert?
Das Team hat sich halbiert. Von ehemals acht Mitarbeitenden (6,5 FTE) sind wir heute inklusive meiner Person noch zu viert (3,5 FTE). Wir konnten diesen Stellenabbau mit einer Pensionierung abfedern, mussten uns aber auch von zwei Person trennen. Nachdem die eher repetitiven Erfassungsarbeiten in der Slowakei ausgeführt werden, wird heute von jedem Teammitglied viel mehr Spezialwissen und systemisch vernetztes Denken verlangt.
Wie erleben Sie Ihre neuen Kolleginnen und Kollegen aus der Slowakei?
Sie sind jung, motiviert und top ausgebildet. Namentlich in der französischen Sprache haben wir Kolleginnen mit beinahe perfekten Französischkenntnissen. Während ihrer Einführungszeit in der Schweiz zeigten sie sich von den hohen Lebenskosten hierzulande schockiert. Gleichzeitig haben sie aber auch erkannt, dass die hohen Löhne, die sie administrieren, auch in einem entsprechenden Kos-tenverhältnis stehen.(sb)