HR Today Nr. 1&2/2016: Väter

«HR kann helfen, eingefahrene Vorstellungen aufzulockern»

Wie zentral heute für Väter die Familienfreundlichkeit von Unternehmen ist, legt eine vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierte Studie dar. Drei Vollblut-Papas schildern ihre Teilzeitmann-Modelle.

Ambros Scope, Head 
of People Development (80%), AXA Winterthur

«Nach der Geburt meiner ersten Tochter war mir klar, dass ich mehr Zeit mit ihr verbringen wollte als nur Abende, Wochenenden und Ferien. Meine Frau arbeitete damals in einem 80-Prozent-Pensum. Mittlerweile haben wir zwei Töchter und meine Frau hat inzwischen eine 100-Prozent-Stelle.

Mein Vorgesetzter hat sehr positiv auf meinen Wunsch nach einem Teilzeitpensum reagiert, da die AXA Winterthur flexible Arbeitszeitmodelle unterstützt. Die grössten Bedenken bestanden in der Frage nach der Verfügbarkeit. Für mich stand fest, dass ich das Entgegenkommen des Arbeitgebers auch mit entsprechender Flexibilität erwidern wollte, daher waren die Bedenken schnell ausgeräumt.

Die Qualität der Führung hängt in meinen Augen nur zu einem sehr kleinen Teil vom Beschäftigungsgrad ab. Delegation und Vertrauen in das Team sind ebenfalls Merkmale guter Führung. Ich habe meine Vollzeitchefs in der Regel seltener gesehen, als mein Team mich als Teilzeitmitarbeiter sieht. Wenn ich einen Termin mit mehreren Teilnehmenden organisieren will, haben meine vollzeitbeschäftigten Kollegen genauso wenig Lücken im Kalender wie die Kollegen in Teilzeit. In dem Team, das ich führen darf, haben wir Mitarbeitende, die Vollzeit oder Teilzeit beschäftigt sind und gelegentlich von zu Hause aus arbeiten.

Effizienz gesteigert

Es gab im letzten Jahr Phasen, in denen es jeden Morgen eine Überraschung war, wer gerade in unserem Gemeinschaftsbüro sitzt. Trotzdem haben wir unsere Aufgaben termingerecht und in der gewünschten Qualität erledigt. In Stunden gemessen bin ich weniger lang im Büro, gleichzeitig sind meine Ziele beziehungsweise die Ziele unseres Teams eher gestiegen. Insgesamt sind wir wohl effizienter geworden.

Die Einstellung zum Berufsleben oder zum Leben an sich hat sich durch meine Vaterrolle verändert. Als Vater durfte ich lernen, mit dem Gefühl umzugehen, dass mein Herz in einem anderen Körper schlägt. Das relativiert manche Sorgen aus dem Alltag. Bei der Arbeit kommuniziere ich vorzugsweise direkt oder über E-Mail, daher sind Anrufe an meinem freien Tag eher selten. E-Mails beantworte ich je nach Dringlichkeit sofort, wenn die Kinder schlafen oder am nächsten Arbeitstag. Wenn meine Frau auf Geschäftsreisen ist, bin ich Tag und Nacht für meine Töchter verantwortlich.

In Gesprächen mit anderen Vätern höre ich unterschiedliche Gründe, weshalb sich Männer davor scheuen, Teilzeit zu arbeiten – berufliche, familiäre, individuelle. Manche wollen das Thema nicht bei ihrem Arbeitgeber ansprechen, manche haben es erfolglos versucht, für andere ist das klassische Modell das richtige. Kinder sind über jede Erwartung hinaus das Schönste und Anstrengendste, das mir widerfahren ist. Und: Sie sind nur einmal Kinder, es gibt keine zweite Gelegenheit.

HR kann dabei mithelfen, eingefahrene Vorstellungen bei Vätern und bei Vorgesetzten etwas aufzulockern und die beste Lösung für alle Beteiligten zu suchen.»

Roger Lüthi (39), 
Co-Leiter Personalentwicklung (80%), Mobiliar

«Ich habe mich aus zwei Gründen entschieden, mein Arbeitspensum zugunsten der 
Familie zu reduzieren: Erstens war mir klar, dass ich mich an den alltäglichen Freuden und Sorgen der Kinder beteiligen wollte. Das ist aus meiner Sicht am besten möglich, wenn man regel-mässig Zeit im Alltag miteinander verbringt. Zweitens wollte auch meine Frau weiterhin arbeiten. Das fördert auch das gegenseitige Verständnis in der Partnerschaft.

Mein damaliger Vorgesetzter hatte vollstes Verständnis: Er arbeitete ebenfalls Teilzeit.

Ich werde von meinen Arbeitskollegen immer wieder darauf angesprochen und darin auch bestärkt. Insbesondere von Vätern, die diese Möglichkeit selbst nicht hatten. Ich denke, dass sich meine Effizienz dadurch erhöht hat. Die eintägige Pause pro Woche setzt Energie für die anderen vier Tage frei. Es kommt allerdings schon auch vor, dass ich an meinem Papa-Tag einem Gedanken oder Problem aus dem Geschäft nachhänge. Gleichzeitig habe ich gemerkt, wie gerne ich eigentlich arbeite.

Teilzeitarbeit gibt mir die Möglichkeit, meine verschiedenen Rollen im Leben gut kombinieren zu können. Ich bin an meinem Papa-Tag für dringende und wichtige Sachen erreichbar. Gestört worden bin ich bisher aber praktisch nie. Seit einem Jahr arbeite ich in einem Jobsharing-Modell. Für mich ist dieses Modell ein grosser Gewinn. An meinem Papa-Tag gelangen dringende und wichtige Anfragen zu meiner Jobsharing-Partnerin. Das Modell hat mir auch einen Karriereschritt ermöglicht, den ich mir wegen der Anforderungen und der zeitlichen Belastung allein nicht hätte vorstellen können.

Schlüsselfaktor Jobsharing

Es gibt ganz unterschiedliche Gründe, weshalb sich Männer davor scheuen, ihr Arbeitspensum zu reduzieren: Lohneinbussen – insbesondere wenn der Vater der Haupternährer der Familie ist –, Rollenverständnis und -aufteilung in der Beziehung, fehlende Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder, die Belastung, die eine Führungsposition mit sich bringt, oder es fehlt im Unternehmen schlicht die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit.

In einem Jobsharing-Modell kann gerade eine Führungsfunktion tendenziell besser mit tieferen Prozenten ausgeübt werden, als wenn ein Posten durch einen einzelnen «Teilzeitmann» besetzt wird.
HR hat dabei die grosse Chance, Arbeitsmodelle zu definieren, die in einem Unternehmen gelebt werden, wobei diese Modelle den Bedürfnissen der Linie natürlich nicht (vollständig) zuwiderlaufen dürfen.»

Marco Scattolin (42), Logistiker (90%), Thomann Nutzfahrzeuge AG

«Ich arbeite seit Sommer 2009 in einem Teilzeitpensum bei der Firma Thomann Nutzfahrzeuge AG in Schmerikon. Am Anfang reduzierte ich von 100 auf 70 Prozent. Heute beträgt mein Arbeitspensum 90 Prozent. Meine Frau und ich haben uns schon vor der Geburt unseres ersten Kindes Gedanken dazu gemacht, wie unser Familienleben aussehen soll. Wir fanden es enorm wichtig, dass die Kinder mit beiden Elternteilen möglichst viel Zeit verbringen können. So erleben die Kinder Mama und Papa, und wir können beide die Kinder aufwachsen sehen. Die grössten Bedenken hatte ich, weil ich der einzige in der Abteilung war, der ein solch spezielles Arbeitszeit-modell anstrebte.

Kollegen einbeziehen

Mein Vorgesetzter liess über meinen Vorschlag demokratisch abstimmen mit der Idee, dass das Team von Anfang an involviert sein sollte. Meine Hauptargumente für das Arbeitszeitmodell bestanden darin, dass ich einerseits bereit war, am Abend länger im Geschäft zu bleiben und dass ich andererseits jeden Samstag arbeiten würde. Somit konnte verhindert werden, dass bei den anderen Arbeitskollegen übermässig viele Überstunden entstehen. Da die Arbeitskollegen in den Entscheid miteinbezogen wurden, gab es bei der Umsetzung eigentlich kein negatives Echo. Meine Arbeitskollegen mussten sich einfach etwas daran gewöhnen, dass ich nicht immer im Geschäft anwesend bin. Manchmal werde ich dafür angefragt, ob ich bei personellen Engpässen an einem freien Tag einspringen könne. Diese Zeit kann ich aber wieder kompensieren.

Meine Einstellung zum Berufsleben ist nach wie vor positiv. Im Teilzeitpensum stört mich Mehraufwand im Geschäft etwas weniger, ver-glichen mit der Zeit, als ich noch 100 Prozent arbeitete. Durch die Reduktion des Arbeitspensums profitiert nicht nur die Familie, sondern auch ich als Person, da ich mehr Zeit für mich habe, die ich selber gestalten kann. Ich sehe die Kinder auch tagsüber und eben nicht nur am Abend. Das macht viel Spass!

An meinen freien Halbtagen werde ich schon ab und zu von einem Arbeitskollegen angerufen. Umso wichtiger ist es, dass Pendenzen sorgfältig und genau übergeben werden, damit alles reibungslos abläuft. Viele Männer versuchen gar nicht erst, einen Wunsch nach Teilzeitarbeit zu äussern, weil sie denken, dass es nicht gutgeheissen wird, wenn sie nicht Vollzeit arbeiten. Sicherlich ist es so, dass vielen Männern diese Möglichkeit nicht geboten wird. Aber man erreicht eben nur etwas, wenn man seine Wünsche auch äussert. Es ist sicher möglich, im Teilzeitpensum auch eine Führungsfunktion innezuhaben. Das Pensum darf aber nicht zu klein sein und die Bedingungen müssen für beide Seiten 100 Prozent stimmen. Es wäre schön, wenn auch in anderen Firmen die Personalabteilung offen für Teilzeitarbeit von Vätern wäre. Es ist nicht nur für die Familie ein Gewinn, sondern auch für das Geschäft.»

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Ehemaliger Chefredaktor HR Today.

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