Haustiere am Arbeitsplatz

Ich brauch frei, mein Hund ist krank

Tiere im Büro sollen laut wissenschaftlichen Studien Stress reduzieren und für ein gutes Betriebsklima sorgen. Manchmal aber ist ein Vierbeiner erst Grund für Ärger.

Désire al-Kashiba ist keine normale Katze. Sie ist eine reinrassige, preisgekrönte Perserdame und Bürogummi. Ihr Revier ist das Büro der Design- und Kommunikationsagentur StuderGuldin GmbH. Dort wird sie auf der Homepage als Mitarbeiterin aufgeführt und geniesst viele Privilegien. Désire ist eine Diva - war eine Diva, muss man sagen. Denn im Alter von stolzen 17 Jahren musste sie vor einigen Tagen eingeschläfert werden. Das Team ist immer noch traurig. «Sie fehlt uns», sagt Manuel C. Studer, Managing Partner. «Es war schön mit Désire. Oft war sie lustig, manchmal hat sie genervt. Sie hat für Auflockerung gesorgt.» Trotz der guten Erfahrung: Einen Nachfolger für Désire gibt es wahrscheinlich nicht. «Wir stellen niemanden für einen Zeitraum von ungefähr 17 Jahre ein», sagt Studer schmunzelnd. Zu Hause könne keiner der Mitarbeitenden mehr eine Katze haben. Das war auch der Grund, warum Désire, einst ein bisschen einsame Hauskatze, zum Bürotiger wurde.

Désire war nicht der einzige Vierbeiner, der bei StuderGuldin ein Plätzchen hatte. Eine Zeit lang gab es auch einen Hund. Das habe sich aber nicht bewährt, sagt Studer. «Sein emotionaler Ausdruck war zu überschwenglich.» Sprich: Er hat Kunden angebellt, hatte zu viel Energie und zu wenig Ruhe. Da war Désire, trotz einiger Allüren, schon pflegeleichter.

Keine Hilfe von Seiten des Rechts

Tiere am Arbeitsplatz spalten die Meinungen. Während die einen sich freuen, bei der Arbeit überschwenglich begrüsst und ab und zu von einer kalten Schnauze angestupft zu werden, stören sich andere an dem manchmal strengen Geruch, einem in der Not unter ihrem Bürotisch verrichteten Geschäft oder herumliegenden Haaren.

Eine schwierige Situation für Chefs, die dann entscheiden müssen - für oder gegen Tiere am Arbeitsplatz. Rechtlich ist die Situation unklar, wie bei der Stiftung für das Tier im Recht zu erfahren ist. «Bezüglich Tierhaltung fehlen im Arbeitsverhältnis klare gesetzliche Regeln, sodass erhebliche Rechtsunsicherheiten bestehen und diverse alltagsrelevante Fragen nicht abschliessend beantwortet werden können», heisst es auf der Homepage der Stiftung. Selbst die grundlegende Frage, ob Tiere an den Arbeitsplatz mitgenommen werden dürfen, wird nirgends gesetzlich geregelt.

Ein Rechtsanspruch, sein Tier mit zur Arbeit zu nehmen, besteht aber nicht. Laut Bundesgereicht gehört das Halten von Tieren am Arbeitsplatz nicht zum Kernbereich des Grundrechts der persönlichen Freiheit. Eine Ausnahme bilden zum Beispiel Blindenführhunde. «Ansonsten aber sollten für alle die gleichen Regeln gelten», sagt Andreas Rüttimann,  rechtswissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung für das Tier im Recht. «Der Arbeitgeber kann entscheiden, er darf aber nicht diskriminieren - erlaubt er einem Mitarbeiter, den Hund mitzubringen, müssen andere das auch dürfen. Ausser, es gibt einen triftigen Grund dagegen.» Ebenso fraglich sind plötzliche und unbegründete Einschränkungen, nachdem das Tier über Jahre an den Arbeitsplatz mitkommen durfte. Aber auch hier gelten laut Rüttimann Ausnahmen: Wenn zum Beispiel der neue Kollege extreme Angst vor Hunden hat oder allergisch ist. «Grundsätzlich ist der Chef für das Wohl aller Mitarbeitenden zuständig. Am besten wird am runden Tisch genau besprochen, was möglich ist und was nicht», sagt Rüttimann.

Dazu gehören auch gewisse Rücksichtsnahmen, die für Tierhalter gelten. «Das Tierschutzgesetz und die Tierschutzverordnung verpflichten den Tierhalter, ein krankes Tier entsprechend zu pflegen. Die Rechtslage ist mit der Pflege eines kranken Kindes vergleichbar. Nach unserer Auffassung muss es dem Arbeitnehmer gestattet sein, von der Arbeit fern zu bleiben, bis er die angemessene Versorgung seines kranken Tieres organisieren konnte», sagt Rüttimann. Diese Auslegung der Rechtslage dürfte freilich in der schweizerischen Gesellschaft einiges an Widerspruch erfahren. Immerhin stellt sie Haus- und Nutztiere Kindern, also Menschen gleich und kollidiert damit mit den real existierenden Wertvorstellungen der Mehrheit im Land.

Ebenfalls für Konfliktstoff sorgen könnte der Fakt, dass ein Hundehalter seinen Hund in regelmässigen Abständen ausführen muss. Beliebig lange Überstunden am Abend sind darum für die Stiftung für das Tier im Recht nach Treu und Glauben unzumutbar für Hundehalter.

Weniger oder mehr Stress dank Hund?

Solche Sonderregelungen beinhalten Konfliktpotential. Trotzdem beweisen wissenschaftliche Studien positive Auswirkungen auf das Arbeitsklima durch die Anwesenheit von Tieren. Beispielsweise sollen Mitarbeiter, die einen Hund unter dem Tisch haben, deutlich weniger gestresst sein. Auch Irene Campi von der Praxis für Arbeitspsychologie in Baden glaubt grundsätzlich an tierfreundliche Büros. «Tiere können eine sehr fördernde Wirkung haben für ein Team. Sie lösen Spannungen und bringen eine zusätzliche Dimension in den Arbeitsalltag: Eine Lebenswelt, die nicht so geordnet ist, mit spontanen und positiven Emotionen. Das kann sehr stimulierend sein bei der Arbeit.» Dennoch können Tiere nach Campis eigener Erfahrung auch mehr Stress in einem Team auslösen, als sie auflösen. «Wichtig ist, dass offen und transparent kommuniziert wird. Ein Tier muss von allen akzeptiert werden und zur Kultur des Arbeitsplatzes passen.»

Beispiele aus der Praxis

Nicht jeder Arbeitsplatz eignet sich für Tiere. Bei der SBB zum Beispiel, wird je nach Beruf, Ort, Umgebung und Befindlichkeiten situativ entschieden, ob ein Tier mit zur Arbeit darf. So gibt es Mitarbeitende, die ihren Hund ins Büro mitbringen. Ein Privileg, dass beispielsweise einem Zugsbegleiter nicht zugesprochen werden kann. Gleiches gilt bei Adecco. In der offiziellen Betriebsordnung von Adecco Switzerland finde sich keine spezifische Erwähnung zum Thema Haustiere in Büroräumlichkeiten. In den Branchen mit Publikumskontakt sei die Anwesenheit von Haustieren sicherlich weniger geeignet. Im Back Office würden solche Anfragen jeweils individuell mit dem entsprechenden Vorgesetzten geklärt und abgesprochen. Auch bei der Post gibt es keine allgemein gültige Weisung. Grundsätzlich seien Tiere nicht erlaubt, heisst es auf Anfrage. Die Entscheidung liegt aber bei den jeweiligen Vorgesetzten. Klar ist aber: Wo Kunden nicht mit Hund eintreten dürfen, gilt das gleiche für Mitarbeitende.

 

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