Porträt

«Ich habe Chancen einfach oft 
schneller genutzt als die anderen»

Seit fast zwei Jahren führt Hauke Stars Hewlett-Packard Schweiz, das hierzulande grösste IT-Unternehmen. 
Die gebürtige Ostdeutsche tut das auf sympathisch-sachliche Art, unaufgeregt und pragmatisch. Dabei stellt 
sie hohe Anforderungen an ihre Mitarbeitenden – vor allem aber an sich selbst.

«Der ideale Manager ist eine Mischung aus Alexander dem Grossen, Einstein und Thomas Gottschalk», wird der Managementexperte Fredmund Malik zitiert. Was Hauke Stars betrifft, könnte er Recht haben: Mit dem griechischen Feldherrn teilt sie den Mut, von aussen gesetzte Grenzen nicht einfach als gegeben zu akzeptieren. Mit einem Wissenschafter teilt sie die Beharrlichkeit, eine Vision auch über Schwierigkeiten und Misserfolge hinweg zu verfolgen. Und sie spricht ebenso eloquent wie eine Fernsehmoderatorin – wenn auch mit deutlich mehr Tiefgang. Wer Maliks Modell noch mit dem fehlenden weiblichen Element ergänzen möchte, dürfte in Hauke Stars Fall nicht falsch liegen mit Emma Peel, der smarten Agentin aus der beliebten Krimiserie der Siebziger Jahre. Wie diese ist Stars sportlich, intelligent und – auf eine freundliche Weise gefährlich. Zumindest vermittelt sie den Eindruck, dass es keine so gute Idee ist, sie zu unterschätzen. Und, genau wie bei Peel, drängen sich bei der Begegnung mit ihr so altmodische Begriffe auf wie «wohlerzogen», «adrett» und «aus dem Ei gepellt». Es ist schwierig, sich Hauke Stars anders als in einem frisch gebügelten, dunklen Zweiteiler vorzustellen. Er passt einfach perfekt.

Die eigenen Grenzen mit 
Pragmatismus überwinden

Es gibt kaum etwas, was über die Managerin noch nicht geschrieben oder gesagt wurde, kein Fachmagazin, das den General Manager von Hewlett-Packard Schweiz noch nicht zum Interview gebeten hätte, besonders nachdem die Schweizer Tochter des IT-Riesen sich seit ihrem Amtsantritt so positiv entwickelte: über zehn Prozent Wachstum im Jahr 2007, während die Konkurrenz nur halb so viel schaffte. «Sie ist die Grösste» titelte im Januar die «Handelszeitung». Gefragt, wie solche Superlative bei ihr ankommen, lacht Stars und spielt die Sache herunter: Der Titel müsse sich auf ihre Körpergrösse bezogen haben (Hauke Stars misst 1,80 Meter) oder, nein, eher noch auf die Firma: «Wir sind nun mal das grösste IT-Unternehmen in der Schweiz und weltweit – und darauf sind wir stolz.»

Dennoch, Tatsache ist: Country General Manager ist sie. Und mit ihren erst einundvierzig Jahren noch dazu eine vergleichsweise junge Chefin. Hat sie, die sich selbst als ehrgeizig und zielstrebig beschreibt, von Anfang an eine Top-Position in einem globalen Unternehmen angepeilt? «Ich glaube, so eine Karriere kann man nicht planen», erklärt sie. Was aber bei jedem ihrer Karriereschritte sicherlich zu beobachten sei, ist die Tatsache, dass sie Chancen, die sich ihr boten, immer sehr schnell zu nutzen wusste. Beispielsweise, indem sie als Ostdeutsche ihren Abschluss in Angewandter  Informatik bewusst an der (West-)Berliner Technischen Universität machte oder sofort nach der Wende bei verschiedenen Botschaften vorstellig wurde, um sich nach Studien- und Stipendienmöglichkeiten im Ausland zu erkundigen. «Ich bin einfach oft schneller gewesen als die anderen, habe mich bereits an die Umsetzung meiner Ideen gemacht, während andere noch dabei waren, die Lage zu analysieren.» Schneller – und wahrscheinlich auch mutiger, braucht doch eine ordentliche Portion Courage, wer ohne nennenswerte Englischkenntnisse an die britische Universität Warwick wechselt, um dort einen Master of Science in Engineering zu machen.

«Wann immer sich Chancen aus Veränderungen ergaben, habe ich sie genutzt», wiederholt sie und betont, dies habe halt manchmal auch bedeutet, mehr Verantwortung zu übernehmen und Aufgaben zu erledigen, um die sich niemand gerissen habe – «auch schwierige Aufgaben». Konsequenterweise lokalisiert sie die berühmte «gläserne Decke», über die sich aufwärts strebende Frauen manchmal beklagen, nicht primär in Organisationsstrukturen, sondern eher in der eigenen Persönlichkeit: «Man kommt immer wieder einmal an die eigenen Grenzen und muss Wege finden, damit umzugehen.» Sie verfolgt in solchen Fällen einen pragmatischen Ansatz, sucht das Gespräch mit Personen, die Ähnliches erlebt oder bereits überwunden haben, um von ihren Erfahrungen zu profitieren. Und sie deutet an, dass sie im Notfall auch nicht vor einem Coaching zurückschrecke, um einen Schritt weiter zu kommen. Es ist denkbar, dass es gerade ihr Pragmatismus war, Hauke Stars’ so offensichtliches Talent, selbst Hochkomplexes auf eine sachliche Ebene zu bringen, was ihre Karriere befördert hat. Heute, da sie 1400 Menschen aus über dreissig verschiedenen Nationen dazu bringen muss, am gleichen Strang zu ziehen, dürfte ihr gerade diese Fähigkeit zum Erfolg verhelfen.

Wobei sie mit den Schweizern ganz allgemein keine grösseren Schwierigkeiten haben dürfte, scheint sie doch eine wesentliche Eigenschaft mit ihnen zu teilen: die Besonnenheit. «Ich mag an den Schweizern, dass sie sehr gründlich sind und solide überlegen», bestätigt sie, um diplomatisch anzufügen: «Auch wenn dies, wie alles im Leben, Vor- und Nachteile hat. Negativ formuliert könnte man sagen, sie seien langsam. Positiv ist: Sie überlegen gut und bleiben dann bei ihrer getroffenen Entscheidung.» In anderen Ländern presche man erst oft vor, versuche etwas und müsse später dann revidieren.

Höchste Erwartungen an das Team – und an sich selbst

Welches ist ihr Leitmotiv in der Führung? Die Antwort kommt postwendend: «Respekt. Respekt im Umgang mit anderen Menschen ist mir sehr wichtig.» Man müsse die verschiedenen Werte und Kulturen und vor allem auch die daraus entstehenden unterschiedlichen Erwartungen der Mitarbeitenden kennen, verstehen und akzeptieren, sagt sie. Ihr Rezept klingt einfach: Es sei wichtig, erst einmal herauszufinden, wie jemand ein Problem lösen wolle. «Auf den ersten Blick ist es beispielsweise für einen Schweizer nicht offensichtlich, wie der Holländer oder die Italienerin das Problem lösen will.» Und dann gelte es, diese verschiedenen Herangehensweisen für das Unternehmen zu nutzen – denn letztlich seien dessen Kunden ja ebenso heterogen zusammengesetzt.

Hauke Stars stellt, sofern es dazu eine Möglichkeit gibt, ihre Projektteams nach diesem Prinzip zusammen, möglichst vielfältig in Bezug auf Alter, Herkunft, Ausbildung und Erfahrungshintergrund. Oft und gerne spreche sie mit Beat Welte, dem Leiter der Unternehmenskommunikation, auch über die Feinheiten und Nuancen, die es in durchmischten Teams und Organisationen zu berücksichtigen gelte. «Man muss hier mit sehr viel Sensibilität vorgehen», bestätigt dieser, «es kommt sehr wohl auf die Art und Weise an, wie eine Botschaft übermittelt wird.» «Im Zuge der Globalisierung werden in Zukunft die HR-Manager der Kultur im Unternehmen noch stärkere Aufmerksamkeit schenken müssen», glaubt Stars, «und dieses Thema von sich aus immer wieder in die Geschäftsleitungen hineintragen.»

Respekt und Toleranz für Unterschiede gehen bei Hauke Stars allerdings eng einher mit der Forderung nach Höchstleistung: «Wenn wir uns über die Ziele einig sind, 
erwarte ich von allen, auch von mir, konsequente Umsetzung. Wer nicht mitzieht, kann nicht Teil des Teams sein.» Mitarbeitende von HP hätten lernhungrig und veränderungswillig zu sein, sagt sie und erklärt weshalb: Das Unternehmen generiere ein Drittel seines Umsatzes mit Produkten und Dienstleis-tungen, die nicht älter seien als achtzehn Monate, es wälze innert weniger Jahre  sein gesamtes Produkt- und Dienstleistungsportfolio um. «Das heisst, dass wir im Interesse der Kunden und der eigenen Firma immer wieder hinzulernen müssen.» Alle Mitarbeitenden seien gefordert, sich ständig aufs Neue und intensiv mit den Herausforderungen auseinanderzusetzen, mit denen sie in ihrer Position konfrontiert seien. «Und das tun sie auch», freut sie sich. Das Unternehmen helfe dabei einerseits dadurch, dass die Leistungsanforderungen ständig thematisiert würden: «Unsere Mitarbeitenden werden dazu ermutigt, sich Fragen zu stellen wie ‹Liegt mir diese Aufgabe?› oder ‹Wie kann ich es besser machen?›» Andererseits ergeben sich gerade durch die Schnelllebigkeit der Branche und der Geschäftsmodelle immer wieder Möglichkeiten zur beruflichen Veränderung innerhalb der Organisation.

Dabei werde bei HP grundsätzlich auf Chancengleichheit geachtet, auch bemühe man sich, entsprechende Strukturen zu bieten. «Hier können wir sicherlich noch besser werden», räumt Stars ein, weist aber mit einiger Genugtuung auf den Frauenanteil von 18 Prozent bei  HP Schweiz hin, was über dem Branchendurchschnitt liegt. Das Unternehmen biete eine breite Palette unterschiedlicher Konzepte an, angefangen bei flexiblen Arbeitszeiten bis zur Möglichkeit, selbst in Führungspositionen einen Teil der Arbeit von zuhause aus zu erledigen. Auch sie selbst könne sich durchaus vorstellen, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen – viel eher, als ihre gegenwärtige Position in einem Teilzeitpensum zu erledigen. «Es wäre wohl nicht realistisch, eine solche Aufgabe in einem reduzierten Pensum erfüllen zu wollen», sagt sie. Ihre Arbeitstage sind lang, die Zeit für alles, was nicht mit dem Beruf zu tun hat, knapp bemessen.

Wie ein Delfin: schnell, neugierig, mutig und gemeinschaftsorientiert

Wie kommt sie damit klar, alles planen, alles organisieren zu müssen, selbst die Freizeit, selbst die Zeit mit dem Ehemann, den Freunden? «Es ist ganz gut so», sagt sie munter, 
«dadurch lebt man viel bewusster.» Es wird klar, dass zumindest in Bezug auf Hauke Stars nicht stimmt, was ein Journalist im Jahr 2000 über die Preisträger des deutschen Wettbewerbs «Elite der Zukunft» schrieb: «Sie sind latent unzufrieden.» Die damalige Finalistin Stars wirkt heute, acht Jahre später und ein paar Stufen auf der Karriereleiter weiter oben, geradezu ansteckend zufrieden. «Wenn man Unzufriedenheit so interpretiert», stellt sie richtig, «dass man die Dinge in Frage stellt, dann trifft das auch auf mich zu.» Pessimistisches Herumnörgeln ist ihre Sache nicht, lieber steht sie auf dem Gas- als auf dem Bremspedal. So erstaunt auch nicht, dass sie während des ganzen Gesprächs im Board Room der HP der Versuchung widersteht, sich in die weichen Polster ihres breiten schwarzen Ledersessels sinken zu lassen. Kerzengerade sitzt sie da, gar nicht verkrampft, sondern aufmerksam, ihren Gesprächspartnern zugewandt.

«Welches Tier wären Sie gerne, Frau Stars?» Endlich eine Frage, mit der man sie überraschen kann. Tatsächlich, das habe sie sich noch nie überlegt, bestätigt sie, und beginnt sofort damit. Ein Fluchttier? Kaum. Vom Tempo her zwar schon, doch denkt man bei ihr eher an ein Wesen, das seinen Lebensraum selber gestaltet. «Wenn ich wählen könnte, wäre ich gerne ein proaktives Tier, vielleicht ein Jägertyp?» beginnt sie vorsichtig. Dann, bestimmter: «Auf keinen Fall ein Elefant, der ohne natürliche Feinde durch die Landschaft trottet.» Ein Tier, das auf Gemeinschaftssinn achtet, fügt sie nach einer Pause hinzu und verspricht, sich die Frage zu überlegen. Zwei Tage später trifft die Antwort ein: Am ehesten fühle sie sich einem Delfin verwandt: schnell und neugierig, aber auch mutig gegenüber Feinden, ein guter Jäger und durchaus gemeinschaftsorientiert – ja, so könne man sie durchaus sehen.

Hauke Stars

studierte in Magdeburg Angewandte Informatik, danach erwarb sie an der University of Warwick (Grossbritannien) einen Master of Science in Engineering. Erste Berufserfahrungen sammelte sie bei mediaSystems, dem IT-Dienstleister von Bertelsmann. Danach war sie sechs Jahre lang beim Triaton beschäftigt, einer Tochtergesellschaft von ThyssenKrupp, zuerst als Verantwortliche für IT-Dienstleistungen und -Lösungen, zuletzt als Senior Vice President Sales und Marketing. Ein Jahr nach der Übernahme von Triaton durch HP wechselte Stars in das Dienstleistungsgeschäft von HP Niederlande, das sie zwei Jahre lang erfolgreich führte. Hauke Stars ist verheiratet und verbringt ihre Freizeit gerne auf dem Golfplatz.

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