Das Gute an den schlechten Zeiten sei ja, freut sie sich, «dass sie uns die Chance geben, Neues zu beginnen.» Unternehmen sollten ihre Teams jetzt anders zusammensetzen und dabei noch stärker die Prinzipien der Diversity achten: «Es braucht generell mehr Frauen in den Gremien», sagt sie, «nicht weil sie besser wären, sondern weil sie anders sind, anders denken, die Dinge anders anpacken. Frauen sind risikoaverser, sie haben einen höheren Informationsbedarf, ihr Entscheidungsprozess läuft langsamer.»
Dies seien Qualitäten, die es in der Wirtschaft heute durchaus brauche. Und wie will sie die Frauen vermehrt in diese Gremien bringen? Sie zögert ein wenig und formuliert dann vorsichtig: «Bis vor einigen Jahren war ich strikt gegen Quoten und glaubte, es müsse andere Wege geben, mit denen Frauen stärker zum Zuge kämen.» Heute könne sie eine gewisse Frustration nicht verleugnen: «Es dauert alles einfach viel zu lange.» Projekte wie Women’s Finance – wo Expertinnen frauenspezifische Finanzthemen diskutieren – seien sehr wichtig, aber man müsse auch von anderen lernen, den skandinavischen Ländern etwa. «Meiner Ansicht nach müsste man in der Schweiz für eine gewisse Zeit Frauenquoten einführen und abwarten, was passiert. Wird der Markt gezwungen, arrangiert er sich in der Regel», weiss die Ökonomin. Wie sonst sollten die Nachfolgeprobleme der vielen kleinen und mittleren Unternehmen hierzulande gelöst werden? «Es geht nicht ohne Frauen – und diese bringen heute die geforderten fachlichen Kompetenzen und sogar die Leidenschaft fürs Unternehmerische mit.»
Strategische Planung verträgt sich nicht mit ihrem Lebensmotto
Wo zieht es die 38-Jährige hin? Möchte sie einmal Verwaltungsratspräsidentin der UBS werden? Diese Frage könne sie nicht klassisch beantworten, sagt sie – wenig überraschend. Schliesslich ist ihre Biografie bisher schon kein ruhiger, träger Fluss gewesen, keine aufwärts strebende Gerade zum Gipfel hin. Nachdem sie als Kind Astronautin werden wollte, hat sie zuerst einmal Informatik-Ingenieurwissenschaften studiert, dann in die Ökonomie gewechselt und unter anderem bei der UBS und der Eidgenössischen Bankenkommission gearbeitet. Am Institut für Finanzdienstleistungen in Zug sei sie «wirklich angekommen», erklärt sie. Der Arbeit an diesem Institut messe sie heute die grösste Priorität bei und setze sich voll dafür ein. An später mag sie nicht denken. «Ich möchte einfach möglichst glücklich durchs Leben gehen», fasst sie ihr Lebensmotto zusammen, und dieses Ziel vertrage sich nun einmal nicht mit einer strategischen Lebensplanung, mit dem Streben nach einem bestimmten Einkommen oder einer bestimmten Position.
Schlägt ihr mit dieser lockeren Einstellung oft auch Neid und Missgunst entgegen? Sie wird einen Augenblick lang still. «Der Ehrgeiz, jedermanns Darling zu sein, fehlt mir», erklärt sie dann. «Wer seinen eigenen Weg geht, löst bei anderen etwas aus, das ist eine physikalische Gesetzmässigkeit: auf Aktion folgt Reaktion.» Bisher habe sie vorwiegend Unterstützung erfahren in ihrem Leben, betont sie. Anfeindungen oder unsachliche Kritik versuche sie erst einmal zu ignorieren. «Man muss auch auf die Zähne beissen können.» Hilft dies nichts, so müssen ihre Gegner damit rechnen, die temperamentvolle Seite der 153 Zentimeter grossen Sita Mazumder kennen zu lernen: «Wir Kleinen können ganz schön bellen!»
Wer mit ihr ins Gespräch kommt, tut gut daran, nicht alle Höflichkeitsregeln streng zu beachten, muss man ihr doch ab und zu ins Wort fallen, um den Redefluss zu unterbrechen. Tut man dies, trägt sie – die Hierarchien und Formalitäten ohnehin nicht liebt – dies sportlich und beantwortet mit unverminderter Begeisterung eine weitere Frage, schneidet ein neues Thema an, sprudelt einfach weiter. Bemerkenswert ist die Geschwindigkeit, in der sie nicht nur denkt, sondern offenbar alles im Leben anpackt. «Ich habe vierzig Autobahnen im Kopf, auf denen die verschiedenen Projekte in ihren verschiedenen Stadien dahinsausen», bestätigt sie lachend. Wer selbst gerade mal zwei, drei Bahnen auf die Reihe zu bekommen versucht, dem kann da vom blossen Zusehen schwindlig werden. Wie bringt sie ihr buntes Leben unter einen Hut? Sie sei extrem gut organisiert, sagt sie, und verfüge über einen gesegneten Schlaf. Ausserdem kennt sie jede Menge Tricks und Kniffe: «Ich trage zum Beispiel fast ausschliesslich und sehr gerne Schwarz. Das erspart mir morgens das Nachdenken darüber, was ich anziehen soll.» Falls ihr doch einmal langweilig werden sollte, könnte sie Workshops in Selbstmanagement geben.
Sita Mazumder
Ihr Lizenziat in Wirtschaftswissenschaften schloss Sita Mazumder 1999 an der Universität Zürich ab. Bereits ein Jahr später reichte sie ihre Dissertation «Die Sorgfalt der Schweizer Banken im Lichte der Korruptionsprävention und -bekämpfung» ein, die mit «summa cum laude» bewertet und mit dem Jahresforschungspreis der Universität Zürich ausgezeichnet wurde. Neben ihrer Ausbildung arbeitete Sita Mazumder unter anderem für UBS AG, oprandi & partner sowie Benetton. Aufenthalte führten sie an die Leonard N. Stern School of Business der New York University, an die University of the Fraser Valley und das Capilano College in Vancouver, Kanada, sowie die InHolland University in Den Haag. Heute ist Sita Mazumder Professorin am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ, das zur Hochschule Luzern – Wirtschaft gehört, Stiftungsrätin der Ombudscom und führt nebenbei ihr eigenes Beratungsunternehmen «purple».