HR Today Nr. 5/2016: Porträt

«Ich will den Spass nicht verlieren»

Seit einem Jahr ist Judith Oldekop Head of HR beim Start-up Siroop. Im Porträt erzählt die ehemalige HR-
Marketing-Innovatorin von Swisscom, wie sich die Personalarbeit eines Start-ups von der eines Grosskonzerns unterscheidet, was ihre aktuellen Herausforderungen sind und was es mit dem «Siroop-Horn» auf sich hat.

Kein Schild, kein Firmenlogo, kein grosser repräsentativer Eingang: Von aussen weist nichts darauf hin, dass im mehrstöckigen Gebäude an der Konradstrasse in Zürich, gleich hinter dem Hauptbahnhof, ein Unternehmen mit 100 Mitarbeitenden angesiedelt ist. Auf der langen Reihe von Klingelknöpfen findet sich der gesuchte Name zuunterst: Siroop. Einen eigentlichen Empfangsbereich gibt es auch im Büro nicht. Links befindet sich ein grösserer Raum mit vielen Schreibtischen, in dem ein geschäftiges Gewusel herrscht. Die Besucherin wird nach rechts in die Küche geführt. An langen Holztischen sitzen mehrheitlich junge Mitarbeiter einzeln oder in Gruppen mit ihren Laptops, es gibt Mikrowellen, Kaffeemaschinen, Wasserspender und natürlich Sirup. In der hinteren Ecke steht ein Töggelikasten, wo sich zwei Teams einen Match liefern. Der Start-up-Charakter ist überall spürbar: Es herrscht eine lockere, familiäre Atmosphäre.

Siroop gibt es seit einem Jahr und das Unternehmen ist seither rasant gewachsen. Von Anfang an mit dabei ist Judith Oldekop, Head of HR. Sie war immer in einem stark wachsenden Umfeld tätig, zuletzt vier Jahre bei der Swisscom, wo sie das HR-Marketing aufgebaut und die ICT-WG gegründet hat. Doch dazu später mehr. Zusätzlich kümmerte sie sich um Social Recruiting, Social Media Marketing und University Marketing. Ausserdem implementierte sie innovative HR-Marketing-Plattformen wie Careerdate, Whatchado und Eqipia. «Es macht Spass, mit einem Unternehmen mitzuwachsen und etwas zu prägen», schwärmt Judith Oldekop. Das kann sie jetzt auch bei Siroop.

Zur Person

Judith Oldekop geht sehr gerne auf Reisen: So war sie eben mit ihrer Familie in Venedig und trägt für das Fotoshooting auch stolz ein T-Shirt, das die Stadt zeigt. Im Sommer fliegt die Familie nach Costa Rica. Zum Spanisch sprechenden Raum hat Judith Oldekop überhaupt einen speziellen Bezug: Geboren ist sie in Uruguay, hat als Kind zudem in Ecuador und Argentinien gelebt und ist 1982 im Alter von acht Jahren nach Madrid gezogen. Ihr Vater, ein Deutscher, war Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung und betrieb in Südamerika und Spanien (nach der Franco-Zeit) politische Entwicklungshilfe. Im Alter von 16 Jahren kam Judith Oldekop nach Deutschland, wo sie das Abitur machte. Das Jus-Studium absolvierte sie in Konstanz und Madrid – ihrer Lieblingsstadt – und arbeitete dann in verschiedenen deutschen Städten. Vor elf Jahren kam sie mit ihrem Mann in die Schweiz und wohnt nun mit ihrer Familie in Küsnacht.

Von der Anwältin zur HR-Chefin

Ins HR kam sie eigentlich mehr per Zufall. Die in Uruguay geborene Deutsche studierte Jura mit Schwerpunkt Arbeitsrecht. In ihrem ersten Job als Rechtsanwältin hatte sie oft mit Menschen zu tun, die weinten, weil ihnen gekündigt wurde. Das war für sie nicht zufriedenstellend. Sie kontaktierte einen Headhunter, der sie Richtung HR inspirierte, und sah dann ein Inserat eines alten Studienfreunds, der eine Personalvermittlung in Stuttgart eröffnete. So kam Judith Oldekop ins Recruiting, wurde bald Mitglied der Geschäftsleitung und baute das Controlling sowie Marketing und PR auf. Die Personalarbeit lernte sie on the Job. «Ich finde es spannend, die Linie und Menschen allgemein zu begleiten, sie zu unterstützen und zu coachen», sagt die zweifache Mutter. Etwa, wenn ein Mitarbeiter an seine Grenzen stösst und nicht mehr weiter weiss. «Dann bin ich da und zeige ihm eine Richtung auf, an die er vielleicht nicht gedacht hat.»

Wenn sie Neues mitprägen und mitgestalten kann, ist Judith Oldekop in ihrem Element. «Ich liebe Herausforderungen und springe auch gerne ins kalte Wasser. Zudem haben mich das Thema und das Geschäftsmodell von Siroop fasziniert», begründet die HR-Chefin ihren Wechsel von der Swisscom zum Start-up Siroop, einer Tochter von Swisscom und Coop. Auch wenn sie dort mit ihren 42 Jahren zu den älteren Mitarbeitern gehört. Bei Siroop sitzt sie zwar nicht in der Geschäftsleitung, ist aber bei den GL-Meetings dabei. «Ich bin nah dran, werde gehört und darf Einfluss nehmen.» Zudem kann sie die Unternehmenskultur des Start-ups mitprägen, ebenso wie den Employer Brand.

Die Firma wächst ständig, deshalb ist das fünfköpfige HR-Team auch stark mit Recruiting beschäftigt. Prozesse müssen sauber aufgegleist werden, damit sich die Mitarbeiter in der Firma zurechtfinden. Zudem möchte Judith Oldekop die Führungskräfte stärker unterstützen. «Wir haben viele junge Vorgesetzte, die zum ersten Mal ein Team leiten.» Für das mittlere Kader in der Sandwich-Position möchte sie einen «Sandwich-Lunch» etablieren, wo sich die Kaderleute einmal im Monat treffen. «Wir müssen das ‹Siroop-Horn› erklimmen. Derzeit sind wir beim Basecamp angekommen», verbildlicht sie den Weg, den Siroop noch vor sich hat. Um auch den Mitarbeitern diesen Weg zu verdeutlichen und sie auf dem Weg dorthin zu begleiten, liess das HR Toblerone-Schokolade mit dem Siroop-Logo und einem motivierenden Spruch branden.

Team soll sich wohl fühlen

Um die Mitarbeiter bei Laune zu halten, gibt es neben BGM-Massnahmen auch Pizza-Abende und Feierabendbier. «Die Arbeitsatmosphäre ist gut, aber es herrscht auch ein grosser Druck.» Umso wichtiger ist es der HR-Chefin, dass sich ihre Mitarbeitenden wohlfühlen. «Wenn sich die Mitarbeitenden nicht wohlfühlen, funktioniert auch das Produkt nicht», ist Judith Oldekop überzeugt. Deshalb überlegt sie sich zum Beispiel, eine Kooperation mit einem Fitnesscenter einzugehen. Und auch nach aussen gibt es noch viel zu tun: So will das HR-Team die Karriereseite neu bauen sowie neben Twitter weitere Social-Media-Kanäle aufbauen.

Und wie unterscheidet sich das Start-up Siroop vom Grosskonzern Swisscom? «Wir sind extrem nah bei den Mitarbeitenden dran, was ich auch zentral finde, um als HR erfolgreich zu sein.» So sitzen alle in Grossraumbüros – verteilt auf zweieinhalb Etagen –, auch die Personalabteilung. Da bei einem Start-up noch nichts etabliert sei, brauche es Mut, Entscheidungen zu treffen, und auch den Mut, Fehler zu machen und sie zuzugeben. Eine Herausforderung sei auch, das starke Wachstum zu begleiten und den Unternehmensspirit dabei zu erhalten. «Wir legen viel Wert auf Offenheit und Transparenz», sagt Judith Oldekop. Deshalb trifft sich einmal pro Woche das gesamte Unternehmen und ein Mitarbeiter pro Team erzählt, was gerade läuft.

«Ich will viel gleichzeitig machen»

Bei ihrer Arbeit im Start-up kommt Judith Oldekop zugute, dass sie gerne Dinge vorantreibt und ihre Mitmenschen ebenfalls dazu motiviert. «Ich will viel gleichzeitig machen – und schaffe das meistens auch», meint sie lachend. Überhaupt lacht sie viel während des Gesprächs. «Ich nehme gerne alles mit Humor, mit Gelassenheit und Entspanntheit. Ich will den Spass nicht verlieren.» Freude hat die HR-Chefin auch, wenn sie sieht, wie ihre Mitarbeitenden an ihren Aufgaben wachsen. Nur ihre Ungeduld, alles gleichzeitig erreichen zu wollen, steht ihr manchmal dabei im Weg. Und erreicht hat sie bereits einiges: Die oben erwähnte ICT-WG der Swisscom hat sie aufgegleist und als «WG-Mama» für das Wohlbefinden der Hochschulabsolventen gesorgt. Die Idee hinter dem «Project 365d»: Drei ICT-Cracks leben für ein Jahr in einer WG, entwickeln das Wohnen der Zukunft und absolvieren gleichzeitig ein Praktikum bei der Swisscom. Die ersten Bewohner zogen im Oktober 2014 für ein Jahr ein. Die Wohngemeinschaft gibt es immer noch: «Es ist schön, wenn Projekte weitergehen, auch wenn ich weg bin», sagt Judith Oldekop dazu.

Stolz ist sie auch, dass sie das «per Du» in der Swisscom durchsetzen konnte, und zwar auch extern: In Stelleninseraten werden alle Interessierten konsequent geduzt. Einen konkreten Misserfolg kann Judith Oldekop nicht nennen. «Wenn es Misserfolge gab, dann habe ich aus den Fehlern gelernt und auch gelernt, nicht aufzugeben, mich nicht demotivieren zu lassen. Manche Dinge würde ich wieder tun, auch wenn sie wehtaten.»

Familie steht an erster Stelle

Sie sei mutig und umsetzungsstark, attestieren ihr ihre Mitarbeitenden. Und dabei auch offen, was von ihrem Umfeld sehr geschätzt wird: Sie sagt ihre Meinung, kommuniziert transparent und hat immer ein offenes Ohr. Sie denkt auch gerne laut über Dinge nach – was ihr schon zum Verhängnis geworden ist, wie sie schmunzelnd sagt. «Seither kündige ich jeweils an, dass ich jetzt laut nachdenke.» Zudem sei sie ein «chronischer Optimist», der immer das Positive sehe. Ärgern tut sie sich vor allem über Dummheit, gesellschaftliche wie individuelle. Etwa wenn sie sieht, was derzeit in Europa mit den Flüchtlingen passiert und viele Menschen offensichtlich nichts aus der Geschichte gelernt haben. Oder wenn jemand im Job wiederholt den gleichen Fehler begeht.

Privat ist ihr die Familie das Wichtigste. «Wenn mich mein Mann, meine Kinder oder meine Eltern brauchen, lasse ich alles stehen und liegen.» Sie hält sich den Freitagnachmittag frei, um Zeit für ihre zwei Kinder (neun und sechs) zu haben. Zudem versucht sie, einmal pro Woche Yoga zu machen und jeden Tag liest sie in einem Buch, einem Roman oder einer Biografie. «Wenn ich in der Sonne bin, dann ist alles gut. Wenn ich dazu noch etwas Leckeres zum Trinken und ein schönes Buch habe, ist es noch besser.» Dafür geht sie oft in die Badi am Zürichsee, gemeinsam mit Freunden, Nachbarn und Kindern. «Ich habe gern viele Menschen um mich herum.»

Siroop

Siroop wurde im April 2015 gegründet und gehört je zur Hälfte Swisscom und Coop. Ziel von Siroop ist es, der beliebteste und relevanteste Online-Marktplatz der Schweiz zu werden. Auf siroop.ch präsentieren sich lokale und nationale Händler, die dort ihre Produkte anbieten. Das Start-up begann mit sechs Mitarbeitern, mittlerweile sind es knapp über 100. 

 

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