Interne Talententwicklung bringt Vorteile – fast immer
Anstatt viel Geld für die externe Personalsuche auszugeben, täten die Firmen gut daran, das interne Mitarbeiterpotenzial zu kennen und zu pflegen. Interne Leute sind sowohl mit der Firmenstrategie als auch mit deren Kultur vertraut, verfügen über ein gutes Netzwerk und haben bereits einen Leistungsausweis vorzuweisen. Grösster Nachteil: Mikropolitische Streitigkeiten können den Prozess hemmen.
(Bild: Tanja da Silva)
Die personaltechnische «Inzucht-Strategie» von General Electrics (GE) ist legendär. Seit Jahrzehnten setzt der Weltkonzern eisern auf internes Talent Management. So kamen und kommen für höhere Führungspositionen nur Mitarbeiter in Frage, die sich im Konzern hochgedient haben. Auch der Nachfolger des GE-Übervaters Jack Welch, Jeffry Immelt, wurde aus den internen Reihen rekrutiert.
Talententwicklung als Teil der Firmenkultur
Die wenigsten Unternehmen agieren derart konsequent wie GE. In den meisten Firmen liegt noch immer ein grosser Teil des internen Mitarbeiterpotenzials brach. Anstatt diese Leute aufzuwecken und zu motivieren, setzen viele Firmen auf eine «Bayern-München-Strategie», wie es Norbert Thom vom Institut für Organisation und Personal der Universität Bern etwas provokant formuliert. Anstatt zuerst in den eigenen Reihen nach Talenten zu fischen, kaufen sie teure Superstars von aussen ein – im Zuge des Fachkräftemangels und der demografischen Entwicklungen eine fatale Haltung. Denn für die langfristige Sicherung des Unternehmenserfolges reicht sie definitiv nicht mehr aus.
Eine Firma, welche die Zeichen der Zeit erkannt hat, ist der Schweizer Sanitärkonzern Geberit. Rund 60 Prozent der Fachspezialisten und Führungskräfte werden heute bereits intern rekrutiert. «Aufgrund unserer langlebigen Produkte und um den Vorsprung gegenüber den Mitbewerbern auch langfristig zu sichern», sagt HR-Chef Roland Held, «ist es für uns überlebensnotwendig, das Know-how im Unternehmen zu behalten.»
Weil der Konzern aus einer Familienunternehmung hervorging, war interne Talententwicklung schon immer Teil der Firmenkultur. «Doch richtig systematisch wurde es bis anhin nicht betrieben», so Held. Daher hat die Konzernleitung ein Kompetenz- sowie ein Fachkarrierenmodell verabschiedet. Während der Einführung der neuen Prozesse stellten die Verantwortlichen fest, dass es im Unternehmen sehr viele gute Mitarbeitende hatte, die auf ihren Positionen nicht mehr weiterkamen. Als Unterstützung wurde innerhalb von HR daher eine Stelle für internes Personalmarketing geschaffen. Heidi Bucher, die diese Stelle innehat, hat zum Ziel, dass künftig möglichst wenig Mitarbeitende vor einer Wand stehen, was ihre berufliche Entwicklung anbelangt. «Um dies zu erreichen», sagt Bucher, «können Mitarbeitende beispielsweise während einiger Tage andere Abteilungen kennen lernen. Mitarbeitende, die während einer längeren Zeit eine neue Herausforderung suchen, haben mit der Projektbörse die Chance, Neues kennen zu lernen, vorhandenes Wissen zu erweitern und in neuer Form anzuwenden.» Beide Offerten werden konzernweit, das heisst im In- und Ausland, angeboten.
Dreh- und Angelpunkt Skill Centre
Auch bei der IBM stellt die interne Förderung von Talenten einen zentralen Faktor im Personalmanagement dar. Dazu wurde das IBM Skill Centre aufgebaut. Hauptziel dieses Centers ist es, intern passende Profile zu vermitteln, um den Anforderungen der Kunden zu entsprechen. Dazu muss das Unternehmen in der Lage sein, talentierte Mitarbeitende in die Geschäftsbereiche zu versetzen, die deren spezifische Fähigkeiten am dringendsten benötigen. «Im heutigen sich ständig verändernden und wettbewerbsintensiven Markt ist es entscheidend, zur richtigen Zeit über die richtigen Kompetenzen zu verfügen», sagt Jutta Schilling, Managerin des Skill Centre IBM Schweiz. Das Skill Centre steht allen Mitarbeitenden offen und offeriert Karriereberatung, Fortbildungs- und Umschulungsmassnahmen. «Wir bieten verschiedene Karrieremöglichkeiten innerhalb des Unternehmens. Und wir haben exzellente Mitarbeitende, die nach neuen Chancen und Aufstiegsmöglichkeiten suchen. Leider kommen diese beiden Komponenten oft nicht zur richtigen Zeit zusammen.» Genau hier setzt das Skill Centre an. Sowohl Manager, die eine freie Stelle zu besetzen haben, als auch Mitarbeiter können sich bezüglich Neuorientierung an das Skill Centre wenden. «Um die richtigen Angebote mit den richtigen Kandidaten zusammenzubringen», so Jutta Schilling, «arbeiten wir eng mit den Fachvorgesetzten sowie den einzelnen Geschäftsbereichen und HR-Partnern zusammen.»
Internes Talent Management spart Kosten
Die Vorteile des internen Talent Managements liegen gemäss Mirjam Schaffner, Beraterin bei der xcg Executive Consulting Group AG und ehemalige Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Human Resources Management der Universität Zürich, darin, dass diese Mitarbeitenden einen Leistungsnachweis erbracht haben, ein gutes Netzwerk besitzen, mit der Unternehmenskultur und -strategie vertraut sind und wissen, was sie erwartet. Neben diesen weichen Faktoren gibt es auch noch harte Fakten, die für die interne Mitarbeitergewinnung sprechen: Wer den internen Arbeitsmarkt gut bearbeitet, spart Geld. So liegen die Kosten für die Rekrutierung von externen Fachleuten und Führungskräften je nach Aufwand bei 30 bis 40 Prozent eines Jahressalärs. Zudem ist die Suche aufwändig und trotz immer sorgfältigerer Eignungsabklärungen riskant: Eine misslungene Besetzung kostet schnell einmal 100000 bis 250000 Franken. Allerdings hat die interne Förderung von Kronprinzen auch ein paar Nachteile. «Man hat oft mit mikropolitischen Problemen zu kämpfen, die den Prozess lähmen oder sogar verunmöglichen können», konstatiert Mirjam Schaffner. Dazu zählen beispielsweise das bewusste Nichtoffenlegen von Talenten durch Vorgesetzte.
Etwas anders gelagert waren die Probleme beim Beratungsunternehmen pom+ Consulting AG, das in den Bereichen Immobilienmanagement und Organisationsentwicklung tätig ist. Dieses griff für die Besetzung von Kader- und Spezialistenstellen ebenfalls über lange Zeit hauptsächlich auf den internen Arbeitsmarkt zurück. Seit Kurzem hat es seine Strategie aber angepasst. «Dies», so die Personalverantwortliche Manuela Scheuzger, «weil viele der jungen Mitarbeitenden, die wir weitergebildet und entwickelt haben, das Unternehmen dann trotzdem wieder verliessen.» Neu setzt das Unternehmen auch auf erfahrene Fachleute aus dem Markt. Auf den Nachzug von internen Mitarbeitenden möchte das KMU aber trotzdem nicht verzichten. «Nach wie vor bieten wir all unseren Mitarbeitenden verschiedene Ausbildungen und Karrierewege an.»
Ein Patentrezept, wie viele Mitarbeiter aus dem Unternehmen selbst und wie viele von extern geholt werden sollen, gibt es nicht. Auch die Firmengrösse spielt für diese Frage gemäss Talent-Management-Expertin Mirjam Schaffner nur eine untergeordnete Rolle. «Für jedes Unternehmen ist es wichtig, das interne Begabungs- und Leistungspotenzial auszuschöpfen.»
Die vier Ziele der internen Talententwicklung
Für eine erfolgreiche Entwicklung interner Talente gelten die folgenden vier Ziele:
- Stellen Sie vorwiegend Mitarbeiter mit Entwicklungspotenzial ein.
- Überlassen Sie ihnen «3-S-Tätigkeiten», die Sinn, Spass und Spielraum bieten.
- Lassen Sie die Mitarbeiter so lange in der gleichen Funktion, wie sie gute Leistung zeigen. Bieten Sie ihnen aber rechtzeitig neue Herausforderungen an, damit sie nicht nachlassen.
- Ist die Sättigungsphase erreicht, bieten Sie den Mitarbeitern entweder eine neue Position an, mit der sich die Mitarbeiter wieder identifizieren können – oder lassen Sie sie ziehen.