Personalgewinnung

«Internetrecherchen sind für uns 
nicht der Königsweg»

Gemäss Daniel Hippenmeyer, Head of Recruiting Region Switzerland, gelingt es der Credit Suisse, trotz des herrschenden Arbeitnehmermarktes die Leute anzusprechen, die zur Unternehmensmarke passen. Dies dank einer klaren Segmentierung, einem gut geführten und transparenten Rekrutierungsprozess sowie einer gelebten Leadership-Kultur.

Wie gelingt es der Credit Suisse, die besten Mitarbeitenden zu rekrutieren?

Daniel Hippenmeyer: Um die besten Kandidaten auf dem Arbeitsmarkt zu erreichen, ist es zentral, dass man als Firma genau weiss, welche Botschaften man aussenden will und was man als Arbeitgeberin zu bieten hat. Sowohl HR als auch die Linie müssen die Leitwerte des Unternehmens verinnerlicht haben und an die Leute bringen. Dazu müssen beide Bereiche auch über hohe Kompetenzen im Bereich Rekrutierung verfügen.

Was heisst das genau?

Darunter verstehe ich primär eine gezielte Wahl und professionelle Nutzung des jeweiligen Rekrutierungskanals. Das heisst, für uns als Rekrutierungsbereich und ebenso für die Linie ist es entscheidend, auf eine klare Segmentierung zu achten. Zudem ist das Recruiting auch eine Frage des Leadership. Die Recruiting-Organisation muss ihren Mitarbeitenden Perspektiven und Ziele bieten. Und sie muss von der Linie mitgetragen werden.

Worin unterscheiden sich die Rekrutierungsmassnahmen für Hochschulabsolventen gegenüber denjenigen für gestandene Banker?

Für die erste Zielgruppe setzen wir vor allem auf Auftritte an Absolventenkongressen. An diesen stellen wir unsere Karrierestart-Programme vor. Wegen unseres Brands werden die Stände sehr gut besucht und wir haben dabei hohe Erfolgsquoten zu verzeichnen.

Andere Firmen sind auch an Absolventenkongressen. Wodurch unterscheidet sich Ihr Auftritt von dem der anderen Unternehmen?

Wir haben interessante Einstiegsmöglichkeiten und wir sprechen die interessierten Studierenden und Absolventen gezielt an. Und an unseren Ständen stehen nicht nur Vertreter vom Hochschulmarketing, sondern ebenso Mitarbeitende aus dem HR sowie immer auch Ambassadoren aus der Linie. Denn das sind die spannenden Gesprächspartner für interessierte junge Leute.

Zusätzlich zu den Aktivitäten an Absolventenkongressen treten unsere Mitarbeitenden auch mit Referaten, Workshops oder Fallstudien an den Hochschulen auf. Zudem veranstalten wir für diese Zielgruppe auch sportliche oder kulturelle Anlässe. Mit allen diesen Massnahmen präsentieren wir den Studierenden und Absolventen unser Unternehmen und unsere Angebote als Arbeitgeber.

Welche Angebote sind das konkret?

Nach Studienabschluss bietet die Credit Suisse das Career Start Program, ein 12- bis 18-monatiges Einstiegsprogramm für Hochschulabsolventen mit On- und Off-the-job-Modulen, während dem die -Career Starters neben der angestrebten Funktion einen weiteren Bereich kennen lernen. Unter bestimmten Bedingungen sind sogar Auslandseinsätze möglich.

Während dem gesamten Programm werden die Career Starters durch eine -spezialisierte HR-Fachperson begleitet und betreut. Unser Internship ermöglicht Studierenden, die das vierte Semester erfolgreich abgeschlossen haben, ihren Wunschbereich kennen zu lernen, und gibt erste Einblicke in unser Tagesgeschäft, in un-sere Organisation und Unternehmenskultur.

Hochschulabsolventen, die ihr wissenschaftliches Interesse mit der Bankpraxis verbinden möchten, können sich sodann auch für ein Academic Research Program bewerben.

Sie haben mehrmals Ihren Brand erwähnt. Was möchte die Credit Suisse denn damit aussagen?

In unseren Auftritten wollen wir transportieren, dass wir ein starkes, zukunftsgerichtetes Unternehmen mit einer führenden Position im Markt sind. Seit ihrer Gründung 1856 hat sich die Credit Suisse Innovation auf die Fahnen geschrieben. Sie erschloss immer wieder neue Geschäftsfelder und baute auf der ganzen Welt innovative Geschäftsbereiche auf. Als integrierter, globaler Finanzdienstleister sind wir in der Lage, die besten Leistungen aus einer Hand anzubieten. Wir wollen uns im Investment Banking, Private Banking und Asset Management bei den Kunden höchste Wertschätzung verdienen.

Zurück zur segmentierten Rekrutierung. Wie suchen Sie erfahrene Berufsleute?

Für das Lateral Recruiting nutzen wir einerseits unsere klassischen Kanäle wie unser Online-Stellenanzeigen-Portal. Auf diesem besitzen wir mit dem Job Agent eine interessante Zusatzfunktionalität. Wie wenn Sie sich eine Wohnung suchen, können Sie sich bei unserem Portal regelmässig über neue Stellen, die Sie interessieren, aufdatieren lassen. Diesen Kanal werden wir noch weiterentwickeln.

Grundsätzlich setzen wir beim Lateral Recruiting aber vor allem auf Netzwerke. Gerade der Linienmanager muss seine Netzwerke pflegen und wissen, wo er interessante Leute getroffen hat. Ein weiterer wichtiger Kanal sind die Mitarbeiterempfehlungen. Wenn man diesen Kanal gut pflegt, erhält man sehr viele gute Kandidaten.

Welche Netzwerke meinen Sie? Setzen Sie dabei auch auf Internetnetzwerke wie Xing?

Das sind primär Netzwerke, die sich aus persönlichen Kontakten von der Linie und von Mitarbeitenden anlässlich von Events oder im virtuellen Raum ergeben. Recherchen im Internet können in Einzelfällen zum Erfolg führen, sind nach unserer Erfahrung aber nicht der Königsweg bei der Rekrutierung.

Wie motivieren Sie die Mitarbeitenden dazu, neue Leute zu rekrutieren? Bezahlen Sie «Kopfgelder»?

Wir bezahlen Vermittlungsprämien, doch Geld ist bei Mitarbeiterempfehlungen gar nicht so entscheidend. Viel mehr stellen wir den Mitarbeitenden spannende Kits und Tools zur Verfügung, beispielsweise Informationsmaterial und Give-aways, mit denen sie immer wieder Impulse für Neubesetzungen auslösen können. Wir geben zudem Anregungen, wo potenzielle Mitarbeiter entdeckt werden können, und motivieren unsere Mitarbeitenden, sich auch ausserhalb unseres Unternehmens an Anlässen und Präsentationen zu bewegen.

Um diesen Weg gewinnbringend zu nutzen, ist es unabdingbar, diese und andere Recruiting-Tätigkeiten genau zu verfolgen und auch die Linienverantwortlichen über aktuelle Stellenbesetzungen laufend zu informieren. Wir vergleichen dazu auch den Rekrutierungserfolg in den verschiedenen Departementen und wollen die Mitarbeitenden motivieren, potenzielle Kandidaten aus ihrem Netzwerk für die Credit Suisse zu begeistern.

Ihre Recruiting Manager sitzen also nicht nur im Büro, sondern sind draussen am Markt  …

Ja, sie sollen netzwerken, und zwar bei der Linie, aber auch an externen Anlässen. Denn in einem kompetitiven Arbeitsmarkt ist es sehr wichtig, auch den Passivmarkt zu erreichen. Damit sind die potenziellen Mitarbeitenden gemeint, die momentan nicht aktiv auf dem Arbeitsmarkt sind. Beispielsweise Berufsleute in spezifischen Weiterbildungen oder Leute aus Berufsgruppen, die sich zur Umschulung in ein Bankenprofil eignen. Es können aber ebenso Frauen sein, die eine Teilzeitarbeit suchen, oder ehemalige Mitarbeitende, denen wir aufzeigen, was die Credit Suisse als Arbeitgeberin bietet und welche Werte sie verkörpert.

Wie gehen Sie denn diese spezielle Gruppe von potenziellen Mitarbeitenden an?

Primär anlässlich von Events oder mit Ambassadoren aus der Linie. Diese ermuntern wir dazu, dass sie an Orten, an denen sie auftreten, daran denken, ihre Zuhörer stets auch über die Credit Suisse als Arbeitgeberin zu informieren. Indem fachkompetente und authentische Personen auftreten, können wir gute potenzielle Bewerber für uns interessieren.

Und wo treten diese Botschafter auf?

Beispielsweise mit Fachreferaten an Konferenzen und Messen sowie in Fachzirkeln.

Welchen Mitarbeitertyp suchen Sie?

Wir wollen integere Mitarbeitende gewinnen, die ehrgeizig sind, sich Herausforderungen stellen und sich gerne ab und zu auch ausserhalb der Komfortzone bewegen. Zentral sind für uns aber auch die fachlichen Kompetenzen und die Kompetenzen im persönlichen Bereich, die natürlich stark vom jeweiligen Berufsbild abhängen. Unser Selektionsprozess ist entsprechend darauf ausgerichtet, die erforderlichen Kompetenzen und Fähigkeiten zu erfassen und zu beurteilen.

Wie differenzieren Sie sich da von Ihren Mitbewerbern?

Wir machen uns zum einen Gedanken darüber, was wir unseren Mitarbeitenden bieten. Zum anderen kümmern wir uns intensiv um den Beschaffungsmarkt. Das heisst, wir müssen wissen, wo wir die interessanten Leute treffen. Das ist die hohe Kunst in einem verschärften Wettbewerb um talentierte Mitarbeitende. Wer seine Recruiting-Organisation darauf ausrichtet und weiss, auf welchen Kanälen er potenzielle Kandidaten ansprechen will, der ist erfolgreich.

Wichtig ist es auch, unsere Anforderungen im gesamten Bewerbungsprozess transparent zu machen. So braucht es zum Beispiel für viele Funktionen interkulturelle Kompetenz, um sich in einer globalen Matrixorganisation zu bewegen, in welcher der Umgang mit kulturellen Unterschieden zum Alltag gehört.

Machen Sie im Recruiting länderspezifische Unterschiede?

Nein, denn grundsätzlich sind sowohl auf der Management- wie auch auf der Spezialistenebene globale Kompetenzen gefragt. Auch unser Employer Branding ist auf der ganzen Welt dasselbe. Die Unterschiede machen wir vielmehr zwischen den verschiedenen Berufsprofilen. Wenn wir einen Relationship Manager suchen, sprechen wir diesen anders an als einen Senior-Business-Analysten in der IT.

Woher wissen Sie, dass Nicht-Schweizer Ihre Employer Value Proposition attraktiv finden?

Der Rekrutierungserfolg im Ausland und bei Ausländern in der Schweiz beweist, dass das, was wir unseren Mitarbeitenden bieten, geschätzt wird.

Wie hoch ist die Quote der wieder abspringenden Kandidaten? Oder anders gefragt: Bei wie vielen Kandidaten gelingt es Ihnen, die Werte Ihres Unternehmens überzeugend zu kommunizieren?

Der Rekrutierungsprozess ist für beide Seiten ein Entscheidungsprozess zur Überprüfung der Passung von Kandidat und ausgeschriebener Stelle. Abbrüche liegen dabei in der Natur der Sache.

Wichtig für uns als Recruiting-Organisation ist, ob die Erwartungen der Kandidaten, beispielsweise bezüglich Kompetenz der Recruiter oder Reaktionszeiten, auch erfüllt werden. Unsere Zufriedenheitsmessungen belegen, dass die hohen Erwartungen sowohl bei Abgelehnten wie auch bei eingestellten Kandidaten weitgehend erfüllt werden.

Sehr tief ist bei uns auch die Quote der Kandidaten, die ganz am Schluss des Prozesses noch aussteigen. Nämlich dann, wenn wir eigentlich das Gefühl haben, dass es nun zur Vertragsunterzeichnung kommt. Diese Messgrösse beträgt bei uns nicht einmal ein Prozent!

Und worauf führen Sie diese geringe Quote zurück?

Auf unseren strukturierten und sehr transparenten Rekrutierungs-Prozess, wäh-rend dem beide Seiten immer wieder die Möglichkeit haben auszusteigen. Zudem achten wir bei einer Stellenausschreibung darauf, diese sehr präzise zu formulieren, und überwachen diese Phase sehr genau. Wenn ich beispielsweise sehe, dass wir in einem Bereich aus 100 Dossiers lediglich fünf Vakanzen füllen können, spreche ich mit der Linie. Ich frage dann, ob wir genug aus den Dossiers machen oder ob sie zu eng auf ein bestimmtes Profil fokussiert seien.

Für ein erfolgreiches Recruiting gibt es drei Hebel: Der eine sind die Kosten, der andere die Qualität und der dritte ist die Time-to-fill. Im momentanen Arbeitsmarkt liegt unsere Priorität ganz klar auf Letzterem, wobei dies natürlich nicht auf Kosten der Qualität gehen darf. Bei uns dauert es in der Regel unter 30 Arbeitstagen von der Stellenausschreibung bis zur Vertragsunterzeichnung.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Sandra Escher Clauss ist freie Journalistin.

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