Interkulturelle Kompetenz

«Je weniger ein Leader zuhört, desto grösser ist das Risiko des Misserfolgs»

Peter Robinson ist bei Burger King CEO der Region EMEA mit Hauptsitz in Zug. Für den gebürtigen Londoner zeigt sich gute Führung vor allem in Respekterweisung und ehrlichem Zuhören. In der Praxis sei diese Einstellung nicht so häufig zu finden, doch beim Leadership interkultureller Teams sei sie massgeblich für den Nutzen der Diversität, sagt der Brite.

Was sind die häufigsten Fehler, die Chefs unterlaufen?

Peter Robinson: In der Theorie reden viele Chefs zwar vom aktiven Zuhören, es wird in diversen Managementseminaren beinahe gepredigt, aber echte Anwendung findet genuines Zuhören nach meinen Beobachtungen weniger.

Woran machen Sie das fest?

Ein Mitarbeitender hat mir einmal gesagt, er habe es nie zuvor erlebt, dass sich sein Vorgesetzter mit ihm zusammen hinsetzt und über allgemeine Dinge spricht. Ich rede einfach gerne mit Menschen und behandele sie so, wie ich auch selbst von meinen Chefs behandelt werden möchte – nämlich mit gegenseitigem Respekt.

Weshalb wird denn Ihrer Meinung nach das einfache Gespräch zwischen Führungspersonen und Mitarbeitenden in der Praxis so sehr unterschätzt?

Menschen schauen immer öfter auf ihre physische Fitness. Wenn jemand dynamisch durch die Gänge läuft, muss es ihm ja gut gehen, ist die weitläufige Denkweise. Meiner Ansicht nach wird aber dem mentalen Zustand von Mitarbeitenden viel zu wenig Beachtung geschenkt. Wenn Sie als Chef Ihrem gesamten Team gegenüber eine gewisse intellektuelle Neugier zeigen, haben Sie automatisch deren Motivation für ihren Job, erst dann interessieren sich die Leute wirklich für das, was sie täglich tun.

Worüber reden Sie in solchen Gesprächen – über Gott und die Welt?

Ich höre mir gerne Geschichten von Menschen an. Wenn ich mich mit Kollegen in Ägypten unterhalte, dann finde ich es faszinierend zu hören, wie dort beispielsweise Jungunternehmer neue Firmen von Null an aufbauen und sie dann auch noch zum Erfolg bringen. Eine solche Geschichte sagt mir zusätzlich einiges über die erzählende Person aus. Denn die Art und Weise, wie dieser Mitarbeitende die Geschichte erzählt, wie lange er braucht, um auf den Punkt zu kommen, seine Prioritäten im Leben und viele andere Aspekte, die sich implizit zeigen – alles das gibt mir sehr viel verpackte Information über meine zukünftige Zusammenarbeit mit ihm. Es findet sich immer ein Link zwischen der Geschichte eines Mitarbeitenden und dem Geschäft beziehungsweise der Position dieses Menschen. Im Kern geht es dabei um nichts anderes als um den Aufbau einer zwischenmenschlichen Beziehung.

Hören Sie auch Leuten zu, deren Story vielleicht nicht so spannend ist?

Jede Geschichte hat ihren Reiz oder auch einen unerwarteten Informationsgehalt, der sich als äusserst wichtig erweisen kann. Wenn ich zum Beispiel als Kunde in ein Burger-King-Restaurant komme und ein verschmutztes WC vorfinde, dann werde ich dort nicht lange Kunde bleiben. Für mich als Verantwortlichen dieser Restaurantkette bedeutet dies, dass ich auch dem Mann oder der Frau vom Reinigungsdienst beim Erzählen seiner oder ihrer Geschichte zuhöre, denn auch die Story dieser Person könnte mir Aufschluss geben über die Situation des Reinigungsdienstes. Somit ist auch der Reinigungsdienst für mich Teil des Expertenteams. Ich bin Generalist. Deshalb arbeite ich mit Experten. Und wenn ich mich auf die Experten nicht verlassen kann und ihnen auch nicht zuhöre, erreiche ich nicht viel. Das gilt für den CFO gleichermassen wie für den Reinigungsservice.

Sind Sie auch ein guter Zuhörer, wenn jemand nicht so schnell zum Punkt kommt?

Ja, ich höre wirklich immer zu, weil mich fasziniert, was Leute zu erzählen haben. Ich muss allerdings zugeben, dass mir diejenigen in der Zusammenarbeit sehr viel mehr liegen, die sich knapp und präzise ausdrücken. Meistens sind diese Typen fokussierte, energiegeladene, positive Denker. Mit denen arbeite ich deswegen am liebsten, weil sie unkompliziert an Prozesse gehen und offen sind für Neues. Gerade unser Fast-Food-Geschäft ist in ständiger Bewegung. Da müssen Sie flexibel nicht nur neue Ideen entwickeln und annehmen, sondern sie auch schnell umsetzen können. Wer unkompliziert ist, ist eher fähig, verschiedene Themen gleichzeitig anzupacken oder mit verschiedenen Umgebungen fertig zu werden, die sich als vielleicht nicht so einfach herausstellen.

Was wäre gemäss Ihrer Definition eine schwierige Umgebung?

Wenn Unternehmen interne politische Spiele spielen, dann ist das für mich eine schwierige Situation, weil sie die Effizienz in den Teams abtötet. Man sucht dann nicht mehr nach den besten Lösungen für das Gesamtresultat, sondern nach besten Lösungen für den Einzelnen. Damit verlieren die Leute dann auch das Vertrauen untereinander, wodurch niemand mehr kritikfähig ist, weil alles persönlich genommen wird.

Konstruktive Kritik ist auf Vertrauen aufbauend und ist nie persönlich gemeint. Wer keine konstruktive Kritik versteht, befindet sich immer in der Lage, sich verteidigen zu müssen. Ich vermute, dass komplizierte Menschen mit ihren vielen Worten und Ausführungen überdecken, dass sie essenziell nicht so viel zu sagen haben. Sie verdecken ihre Unsicherheit mit verkomplizierenden Ausführungen und verlängern unnötig wichtige Entscheidungsprozesse. Wenn ich die Meinung von 20 Committees brauche, um eine Entscheidung treffen zu können, dann behindern wir uns gegenseitig. Wenn man sich hingegen im Team mit logischen Argumenten austauscht, braucht man nicht 100 Powerpoint-Präsentationen, um eine Entscheidung zu fällen. In vielen Unternehmen beobachtete ich, wie aus reiner Wichtigtuerei und so genannter politischer Korrektheit tagelang unnötig Präsentationen vorgetragen wurden, deren Essenz sowieso auf einer einzigen Logik basierte.

Haben Sie mit dieser pragmatischen Vorgehensweise nie Fehlentscheidungen getroffen?

Doch. Ich habe einmal einen Fehler begangen, den ich mir heute immer wieder in Erinnerung rufe, weil er mich von einem zweiten Fehler dieser Art abhält. In einem früheren Job hatte ich einer Mitarbeitenden bei ihrer Marktrecherche zu blind vertraut. Ich hatte es versäumt, tiefer gehende Fragen zu stellen, bevor wir ein Produkt umbenannten. Die Umbenennung wurde dann ein Flop. Daraus habe ich aber gelernt, dass man nie zu oft nachfragen kann. Bei solchen Entscheidungen für oder gegen eine Produkteinführung oder -änderung kann man nicht oft genug nach dem Grund und nach dem Zweck fragen. Je weniger Sie nachhaken und je weniger Sie zuhören, desto grösser ist das Risiko eines Misserfolgs.

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Connie Voigt ist 
Executive Coach bei der Firma «Inside Out» sowie Gründerin der Netzwerkorganisation «Interculturalcenter.com GmbH». Zudem ist sie Dozentin für Organizational Behavior an der Edinburgh Business School, FHNW Basel und FU Berlin.

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