Retention Management

«Jede Führungskraft hat schon hundertmal ‹Brücken bauen für Kader› erlebt»

Die ganz wilden Zeiten sind vorbei, in doppelter Hinsicht: Seit 2008 gibt 
es weniger rauschende Feste, und extreme Teambildungsanlässe sind out. 
Firmen greifen zu den Klassikern. Ein bisschen mehr Mut dürfte sein.

Was zieht am besten im Eventbusiness? Till Klammer, Geschäftsführer von Teamevents, nennt drei Schwerpunkte: Sehr gefragt sind Anlässe, wo vor allem gegessen wird, Anlässe an speziellen Orten wie Seen, Burgen, Schlössern und, insbesondere für Firmen mit internationaler Belegschaft, die sogenannten   «Schweizer Olympiaden», wo man selbst Käse machen und seine Fähigkeiten im Alphornblasen austesten kann.

2008, so beobachtete Klammer, kam eine Wende, seither ist ein Essen in einem Restaurant viel weniger zwingend. Der Grillabend, wo sich die Leute auch noch ein klein bisschen bewegen, um das Fleisch auf den Rost zu legen, tut es oft auch.

Drachenbootbau statt Survival

«Events ziehen im Moment am besten, Teambildung weniger», sagt Till Klammer. Konkret läuft in seinem Unternehmen zurzeit das Sommernachtsbarbecue am besten. «Von den wettbewerbsorientierten Events ist man dagegen eher weggekommen.» Riverrafting hat das Unternehmen zum Beispiel seit vier Jahren keines mehr verkauft: «Kanufahren, Klettern und insbesondere extreme Teambildungsanlässe sind im Moment ziemlich out.» Die meisten Kunden hätten inzwischen eingesehen, dass es nicht sinnvoll ist, einen Event zu buchen, bei dem sich manche Mitarbeiter weigern, mitzuziehen – zum Beispiel Survivalgeschichten, Sichabseilen, Brückenschlag über ein Tobel mit anschliessender Überquerung. Stattdessen werden Events gebucht, bei denen die ganze Gruppe ohne Probleme mitmachen kann und niemand vor den Kopf gestossen wird. Events, die ein bisschen alles sind: ein bisschen sportlich, ein bisschen planerisch, ein bisschen kreativ. Etwa ein Drachenbootbau, bei dem die abschliessende Fahrt freiwillig ist.

Manuel Angelini, Inhaber der Agentur 
Angelini, wünscht den Unternehmen etwas mehr Mut: «Die meisten setzen auf die Klassiker, auf das Bewährte, auf das Essen in einer Lokalität mit auflockerndem Rahmenprogramm, auf die Weihnachtsfeier, auf Dinge wie Iglubauen oder Huskyschlittenfahren. Wir versuchen jeweils, unseren Kunden auch etwas verrücktere Sachen vorzuschlagen – denn seien wir ehrlich, vieles war schon mehrfach da, und jede Führungskraft hat wohl schon hundertmal ‹Brücken bauen für Kader› erlebt. Bleibend ist nur, was neu ist, was überrascht.»

Mit Unerwartetem würden viel eher Emotionen geweckt. Seine Vorschläge: die Überquerung des Aletschgletschers zur Konkordiahütte, inklusive Dokumentation, damit alle im Nachhinein noch etwas davon haben. Oder: zwei bis drei Tage Aufenthalt in einem der vielen inzwischen unbewohnten Dörfer im Tessin. Oder Helldriver, eine Spielshow, die er selbst anbietet, mit Moderator, bei der Teams mit ferngesteuerten Rennautos um die Wette fahren: «Das weckt bei den Leuten den Spieltrieb und baut schnell hierarchiebedingte Kommunikationsbarrieren ab.»

Firmenchef avanciert zum Rockstar

Natürlich soll sich kein Unternehmen verstellen. Ein Eventprogramm muss immer auch zum Betrieb passen. Das folgende Beispiel von 
Manuel Angelini zeigt, wie Unternehmen durchaus offen sind für neue Ideen: Für ein grosses Mitarbeiterfest wurde in einer Halle ein Open-Air-Festival nachgestellt, mit Essständen und Rasenhügellandschaft und Bühnen, und der CEO, als Special Guest angekündigt, kam mit einer elektrischen Gitarre auf die Bühne und gab breitbeinig ein rockiges «Alli mini Äntli» mit wildem Solo zum Besten. Dass alles Playback war, wurde anschliessend aufgelöst, als ein zuvor hinter einem Vorhang verborgener Gitarrist ebenfalls auf die Bühne trat. Angelini: «Die Mitarbeiter staunten, und die Aufmerksamkeit war da. Ein witziger Auftakt für die Rede des CEO.»

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Franziska Meier ist Redaktorin und Produzentin mit langjähriger Erfahrung im Zeitungs- und Zeitschriftenbereich. Als Chefredaktorin des Magazins «fit im job» sowie als Fachredaktorin der Zeitschrift «HR Today» hat sie sich auf das Thema «Mensch, Arbeit & Gesundheit» spezialisiert. Zu ihren journalistischen Schwerpunkten gehören insbesondere Persönlichkeitsentwicklung, Coaching, Stressprävention und betriebliches Gesundheitsmanagement. Achtsamkeit praktiziert sie manchmal im Schneidersitz, öfter jedoch auf ihren Spaziergängen rund um den Türlersee.

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