Jeder Mitarbeiter ein Botschafter: So wird die Unternehmensmarke gestärkt
Wer glaubt, dass nur die Marketingabteilung Einfluss auf die Unternehmensmarke hat, der irrt. Mit seinem Verhalten ist jeder einzelne Mitarbeitende ein Markenbotschafter. Dafür das Bewusstsein zu stärken, liegt auch in den Händen von HR. Wie das geht und was es dabei zu beachten gilt, erklärt Torsten Tomczak, Spezialist für Behavioral Branding.
Warum ist es wichtig, Mitarbeiter zu Botschaftern ihres Unternehmens zu machen?
Torsten Tomczak: Langfristiger wirtschaftlicher Erfolg ist nur mit einer starken Marke zu haben und Marken werden nicht nur durch Produkte und Marketingkommunikation aufgebaut, sondern auch durch das Verhalten aller Mitarbeiter. Und zwar umso mehr, je höher der Dienstleistungsanteil an der Leistung eines Unternehmens ist.
Es ist also vor allem für Dienstleistungsunternehmen zentral?
Ja, aber wann ist ein Unternehmen ein Dienstleistungsunternehmen? Klar, für Banken, Versicherungen, Tourismus, Handel usw. ist ein gutes Behavioral Branding matchentscheidend. Aber auch bei B2B-Unternehmen bieten Menschen anderen Menschen Sach- , aber auch Dienstleistungen an. Diese sind oft nur deshalb verkäuflich, weil sie von Services begleitet werden. Und selbst im B2C-Bereich, also bei den klassischen Markenartiklern, nimmt die Bedeutung des Behavioral Branding zu. Man denke beispielsweise an die wachsende Zahl unternehmenseigener Shops wie Nespresso, Nike oder Apple.
Wie verläuft der Prozess, Mitarbeiter zu Botschaftern der Firma zu machen?
Was das «Zu-Markenbotschaftern-Machen» angeht, muss man grundsätzlich vorsichtig sein und sich auf einen langwierigen Prozess einstellen. Zu beachten ist, dass jedes Unternehmen ohnehin Behavioral Branding betreibt – ob es will oder nicht. Die Mitarbeiter sind immer als Markenbotschafter unterwegs. Die Frage ist nur, ob als gute oder schlechte.
Worauf baut die Behavioral-Branding-Strategie in den Unternehmen auf?
Formal: auf einer soliden externen und internen Analyse. Inhaltlich: auf einer stark ausgeprägten Unternehmenskultur und einem echten Customer Insight, der in eine originelle Markenpositionierung übersetzt wurde. Organisatorisch: auf einer sehr guten Zusammenarbeit von HR- und Marken management. Mit Sicherheit kann man sagen, dass Probleme im Behavioral Branding nicht durch Nacht-und-Nebel-Aktionen – nach dem Muster: Analyse, Massnahmenkatalog, Resultat – gelöst werden können. Dazu hängt Behavioral Branding viel zu sehr mit Themen wie Unternehmensidentität und -kultur, Organisationsklima, Führungsstil auf der einen und Markenidentität und -image auf der anderen Seite zusammen.
Welche Massnahmen führen zum Ziel?
Behavioral Branding durchdringt letztlich alle Bereiche des HR und der Führung. Ziel ist es ja, dass die Mitarbeitenden möglichst in allen Lebenslagen, also nicht nur im Job, sondern auch in ihrem Privatleben, als positive und aktive Markenbotschafter auftreten. Dies fängt beim Recruiting und Employer Branding an, setzt sich über Trainings und Schulungen, über Fragen zur Gestaltung des Arbeitsplatzes bis hin zur Führung fort. Behavioral Branding lässt sich nicht verordnen.
Viele Menschen wechseln heute ihre Stelle alle 2 bis 5 Jahre. Ist es nicht naiv zu glauben, dass Mitarbeiter echte Botschafter eines Unternehmens sein können?
Es gibt immer noch zahlreiche Unternehmen mit einem hohen Anteil an langjährigen Mitarbeitenden – und es sind oft gerade diese, die sehr gut im Behavioral Branding sind. Auf der anderen Seite sind aber auch ehemalige Mitarbeitende weiterhin Markenbotschafter – besonders glaubwürdige.
Welche Gefahren birgt es, wenn Mitarbeitende, die sich stark identifizieren, entlassen werden?
Auch entlassene Mitarbeitende sind Markenbotschafter – oft aber mit einer negativen Botschaft. Dies ist eine Gefahr für das Markenimage. Unternehmen, die mit Entlassungen fair und nachvollziehbar umgehen, besitzen aber gegenüber anderen Vorteile. Gerade 2009, als Unternehmen in einigen Branchen zu Massenentlassungen gezwungen waren, war dies zu beobachten. Eine starke Marke wirkt dort wie ein Image-Schutzschild, der das Unternehmensimage gegenüber den negativen Botschaften Einzelner immunisiert.
Wie schnell kann eine Firma Einfluss auf ihr Behavioral Branding nehmen?
Ungefähr so schnell wie auf den Kurs eines Öltankers. Ich komme aus der schnelllebigen Marketingwelt und musste es auch akzeptieren: Eine konservative Unternehmenskultur lässt sich nicht, auch wenn die Markt- und Technologieentwicklungen es noch so dringend verlangen, von heute auf morgen zu einer innovativen Kultur ummodeln. Das ist eine Herkulesaufgabe. Denken Sie beispielsweise an einen Ex-Monopolisten mit 40 Jahren Beamtentum, der in Märkten der Zukunftstechnologien tätig sein will.
In welchem Verhältnis steht das Behavioral Branding zur externen Markenkommunikation?
Beide müssen hundertprozentig Hand in Hand gehen. Eine Zeitungsanzeige zum Beispiel ist nicht nur ein Versprechen an die Kunden. Auch die Mitarbeiter müssen sich damit identifizieren. Unternehmen, die das gut machen, haben diese, bevor sie mit einer Werbekampagne an die Öffentlichkeit gehen, ein Jahr vorher intern verankert.
In wessen Aufgabenbereich fällt Behavioral Branding? Marketing oder HR?
Eindeutig in beide. Ohne eine enge Zusammenarbeit von HR und Marketing geht nichts. Aus unserer Forschung wissen wir, dass wenn Behavioral Branding funktioniert, der CEO auch der oberste Markenchef seines Unternehmens ist. Ziele und Strategien werden von HR und Marketing umgesetzt, wobei die einen die extern geprägte Markenorientierung in ihre Arbeit integrieren müssen – ob beim Recruiting, bei Schulungen, bei der Entwicklung von Anreizsystemen etc. und die anderen die Mitarbeiter als wichtigste Zielgruppe kennen und verstehen lernen müssen.
Prof. Torsten Tomczak
ist
Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre mit Spezialgebiet Marketing
an der Universität St. Gallen. An
der dortigen Forschungsstelle für Customer Insight ist Tomczak
zudem als Direktor tätig.