Porträt

«Just dare it and do it – trau es dir zu und zieh es einfach durch!»

Seit der Gründung vor zehn Jahren wird der Sprachdienstleister CLS Communication AG vom selben Management geführt. An der Spitze: CEO Doris Marty-Albisser, von Ernst & Young mit dem Titel «Entrepreneur 2007» in der Sparte Dienstleistung ausgezeichnet. Sie sieht sich als Fitness-Trainerin ihres Teams und führt das Unternehmen auf Wachstumskurs.

Mit hoher Geschwindigkeit hat Doris Marty-Albisser offensichtlich keine Mühe: Im Gespräch holt sie sich mitten im Satz vom wohlgeordneten Schreibtisch ein paar Dokumente, deutet auf Grafiken und flicht sie nahtlos in ihre Erklärungen ein. Nach mehr als zehn Jahren Aufbauarbeit im Top-Management des Sprachendienstleistungs-Unternehmens CLS Communication AG wirkt Albisser nicht müde, im Gegenteil, geradezu beneidenswert frisch. Tempo ist in ihrer Branche alles. Von geruhsamer kreativer Geistesarbeit am einsamen Schreibtisch mag allenfalls noch die literarische Übersetzung geprägt sein, im wirtschaftlichen Umfeld ist das Übersetzen eine professionelle Dienstleistung. Eine, die in einem harten Konkurrenzkampf steht. «Ein Grossteil unserer Aufträge muss über Nacht erledigt sein», erklärt die Unternehmerin, die nicht nur CEO und VR-Delegierte, sondern seit dem 2003 erfolgten Management-Buyout auch Mitinhaberin ihrer Firma ist.

Rasanter Aufbau von der Abteilung zur Unternehmung

Der Aufbau – oder besser gesagt: Ausbau – zum multilingualen Kommunikationsdienstleister, wie sich das Unternehmen selbst nennt, erfolgte entsprechend temporeich. Das Unternehmen an der Dianastrasse unweit des Zürcher Bleicherwegs – und damit in nächster Nähe von Banken, Wirtschaftsprüfern und Versicherungen – ging 1997 aus den ehemaligen Übersetzungsabteilungen des Bankvereins und der Zürich Versicherung hervor. Nach und nach wurden weitere Sprachdienste aus dem Finanz- und Telekomsektor integriert, etwa diejenige der Swisscom, der Raiffeisen-Gruppe oder der Swiss Re. 2002 wagte das KMU den Sprung ins Ausland – mit Erfolg. Heute zählt CLS zu den grössten Sprachdienstleistern weltweit und erzielt mit 340 Mitarbeitenden und 1300 Freelancern einen Umsatz von rund 58 Millionen Franken.

«Wir wachsen mit unseren Kunden», erklärt Albisser die Erfolgsstory. Obwohl mit der Globalisierung die Konkurrenz grösser wurde, profitiert das Unternehmen von der wachsenden Internationalisierung. Operieren Unternehmen in fremden Märkten, wird ihr Bedarf nach Dienstleistungen grösser. So wächst CLS quasi Hand in Hand mit den Kunden. Gegenwärtig streckt das Unternehmen seine Fühler in den arabischen Raum aus. In Asien wurden bereits mehrere Filialen eröffnet, in Singapur, Schanghai, Hongkong und Peking. Auch hier in rekordverdächtigem Tempo: Die Tochter in Singapur war in knapp drei Monaten einsatzbereit.

Enorm spannend sei das Engagement in Asien, schwärmt Albisser. «Der Aufbau in Asien führt auch bei uns zur spürbaren Beschleunigung.» Wer im Arbeitsalltag Gemütlichkeit sucht, dürfte bei dieser Chefin an die Falsche geraten. «Als Firma gleichen wir gelegentlich einem Fitness-Center», sagt sie lachend und vermittelt den Eindruck, als seien Margendruck und Kundenanforderungen hauptsächlich dazu da, ihr Team und sein Management fit zu halten. Immerhin räumt sie ein, dass die geforderte Geschwindigkeit nicht immer leicht einzuhalten sei und es sich auch bei dieser Dienstleistung um ein knallhartes Margengeschäft handle, dem nur mit ganzheitlichen Unternehmenslösungen zu begegnen sei.

Ohne Berührungsängste zur Technik

Von Beginn an begegnete man bei CLS den diversen Herausforderungen der Branche mit einem entschiedenen Bekenntnis zu modernster Technologie und den entsprechenden Investitionen. Zu einer Zeit, in der die Informationstechnologie in der Übersetzerbranche noch als rotes Tuch galt, wurde an der Dianastrasse bereits auf maschinelle Übersetzungsinstrumente gesetzt, auf Terminologie-Datenbanken und  individualisierte Kundenwörterbücher. Der Vorteil solcher Tools liegt auf der Hand: Indem alles automatisch konsequent durch CLS-interne oder kundenspezifische Übersetzungs-Hilfsprogramme geprüft wird, werden dieselben Texte nicht wieder und wieder neu übersetzt.

«Warum sollte man etwas manuell machen, wenn es auch automatisch geht?», fragt Albisser, die sich selbst als Technologie-Freak bezeichnet. Für sie sei die Frage «Mensch oder Maschine?» keine, die sich stelle, oder zumindest keine, die im Sinne eines «Entweder-Oder» zu beantworten wäre. «Maschinen werden Menschen im Übersetzen nie ersetzen können», stellt sie klar, ist aber überzeugt davon, dass Maschinen in Zukunft die Übersetzer noch stärker unterstützen können: «Da liegt noch sehr viel Potenzial drin.»

Dass die Bequemlichkeit für die Kunden auch die Gefahr einer grösseren Abhängigkeit zu ihren Lieferanten führt, scheint ein modernes Prinzip zu sein, das nicht nur im Handel mit elektrischen Zahnbürsten oder kleinen Kaffeekapseln, sondern auch im Dienstleistungssektor zunehmend angewandt wird. Die Anpassung an neue Kundenwünsche und die daraus erforderliche Erweiterung des Geschäftsmodells verlangt den Lieferanten allerdings auch einiges ab. Für CLS führte die Expansion in andere Länder nicht nur zu kulturellen Impulsen, sondern zur Entwicklung eines neuen, viel umfassenderen Verständnisses der eigenen Dienstleistung. In Asien bietet CLS nicht lediglich Übersetzungen, sondern praktisch den gesamten Sprachfluss eines Unternehmens an: von der Analyse des zu Kommunizierenden über die Generierung von Inhalten bis zum Druck. Mit Folgen für das Personalmanagement: «Heute steht der einzelne Übersetzer nicht mehr so sehr im Zentrum – es kommt auf das richtige Team an.»

Der Erfolg ist keine Einzelleistung

Spricht sie von Unternehmenskultur, meint Albisser denn auch vor allem eins: ein starkes Teamgefühl. Den Preis «Entrepreneur 2007», mit dem sie im letzten Oktober von Ernst & Young ausgezeichnet wurde, nahm sie mit den Worten entgegen: «Mich freut dieser Preis vor allem für das Unternehmen. Allein sind Sie nichts. Sie brauchen Mitstreiter, die die gleichen Ziele verfolgen.» Nach ihrer eigenen Person befragt, wirkt Albisser im Gespräch einen Augenblick verloren, antwortet zwar willig, findet aber schnell zurück zu einem spannenderen Sachgebiet, über das zu reden es sich ihrer Meinung nach offenbar mehr lohnt.  Auch in Interviews betont sie lieber die Teamleistung als ihre eigenen Erfolge: «Kein CEO kann etwas alleine erreichen. Seine Aufgabe ist es, die richtigen Leute an Bord zu nehmen – der Rest ist die Teamleistung.»

Ihr Team scheint es ihr mit einem vertrauensvollen Umgang zu danken und mit langjähriger Loyalität. Ihre engste Mitarbeiterin, Esther Tschumi, scheint auf Nachfrage selbst etwas überrascht über ihr inzwischen mehr als sechsjähriges ununterbrochenes Engagement. «In meinen Vorgängerfirmen bin ich nie so lange geblieben.» Dies, bestätigt sie, dürfe durchaus als Zeichen dafür interpretiert werden, dass die Zusammenarbeit mit ihrer Chefin selbst nach so langer Zeit immer noch spannend und befriedigend sei.

Chancengleichheit statt Quotierung

Frauen haben ohnehin guten Grund, bei CLS zu bleiben. Schliesslich verschreibt sich das Unternehmen konsequent der Chancengleichheit und setzt diese auch durch: Die Hälfte der Geschäftsleitungsmitglieder sind weiblich. Einen geschlechterpolitischen Vorteil daraus zu schlagen, liegt Albisser fern. «Reiner Zufall», beteuert sie. Quoten könne sie nichts abgewinnen, betont sie, sie sei eine leidenschaftliche Verfechterin des Prinzips «Best person in the best position». Teilzeitarbeit, Jobsharing, Telearbeit – all die Segnungen einer modernen, flexiblen Arbeitspolitik würden von Frauen und Männern gleichermassen in Anspruch genommen, selbstverständlich auch in Führungspositionen. «Es gibt sehr viele fähige Frauen im Management», gibt sich Albisser überzeugt, «man muss sie einfach arbeiten lassen.»

Konkret heisse das für sie, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Damit beide Geschlechter zumindest die Möglichkeit hätten, dieselben Erfahrungen zu machen, sei vor allem die Kinderbetreuung sicherzustellen – durch geeignete Institutionen wie Tagesschulen etwa. Albisser räumt ein, dass viele Einzellösungen im Betrieb den Koordinationsaufwand für das Personalmanagement erhöhen, geht aber auch dieses Detail mit der für sie offenbar typischen Haltung an: «Es gibt für fast alles eine Lösung.» Lösungsorientiert, visionär, spritzig, so wird sie von Bekannten beschrieben. Gefragt, was sie jüngeren Managerinnen raten würde, sagte sie einst in einem Interview: «Just dare it and do it – trau es dir zu und zieh es einfach durch.»

Durchsetzungsstarke Geschäftsfrau

Kaum vorstellbar, dass die gelernte Übersetzerin in ihrer Laufbahn auch schwierige Zeiten erfuhr, die sie bremsten oder gar zu stoppen drohten. «Doch, natürlich», betont sie und wird für einen Augenblick ungewöhnlich still. Der Nutzen der Erfahrung sei das Wissen, selbst grössere Turbulenzen letztlich überstehen zu können, sagt sie und fügt lakonisch hinzu: «Man muss auch Rückschläge einstecken können». Mit diesem Satz scheint ihre trockene Seite durch, diejenige wohl, die ihr in der Schweizer Übersetzerbranche den Ruf der «toughen Geschäftsfrau» eingetragen hat.

Wer heute mit Übersetzungen sein Geld verdienen will, muss schneller, günstiger und zuverlässiger sein als die Konkurrenz, macht Albisser unmissverständlich klar. Schliesslich stamme diese infolge der Globalisierung immer öfter aus dem kostengünstigeren Ausland, aus Deutschland oder den anderen Nachbarländern. Wer mit dem von CLS vorgegebenen Tempo nicht mithalten kann – kleine Übersetzungsbüros oder Freelancer etwa – spricht schon mal von Lohndrückerei. Die erfahrene Managerin kontert gelassen: «Den Kostendruck, der auf der Branche lastet, müssen alle mittragen.» Als untrügliches Zeichen für den aktuellen Konsolidierungsprozess, der die Branche erfasst habe, wertet sie die Tatsache, dass sich immer wieder kleinere und mittelgrosse Firmen gegenüber CLS zum Kauf anbieten.

Vitales KMU auf dem Weltmarkt

Am Morgen vor dem Gespräch mit HR Today gab die UBS ihren Rekordverlust bekannt. Eine Gefahr für eine Firma wie CLS, die mit ihren Kunden wächst? Schliesslich könnte 
sie auch mit ihnen schrumpfen. «Natürlich fallen weniger Übersetzungsaufträge an, wenn die Kunden aus internen Sparmassnahmen weniger Publikationen herausgeben», erklärt Albisser. Ihren unternehmerischen Auftrag verstehe sie aber so, weder ein Klumpenrisiko noch generell zu grosse Risiken einzugehen. «Wir sind ab und zu rauen Winden ausgesetzt», umschreibt die Hobby-Seglerin den Geschäftsalltag.. Dort, wo bei anderen CEOs meist angesagte Kunst im Grossformat prangt, erinnern in ihrem Büro ein paar kleine persönliche Urlaubsbilder an ruhige Gewässer und Sonnenuntergänge  Ein Unternehmen wie die CLS, scheinen sie zu sagen, ist keine Bohrinsel, sondern ein wendiges Boot, das in den Wellen schwankt. Seine Hauptsache ist: unterwegs sein. CLS ist momentan sehr gut unterwegs, nicht zuletzt dank der fähigen Frau auf der Brücke – auch wenn es diese vorzieht, von Schiff und Mannschaft zu sprechen.

Doris Marty-Albisser

1959 in Luzern geboren, schloss 1985 das Übersetzerdiplom an der Zürcher Hochschule Winterthur (ehemals DOZ) ab und 1993 das Executive MBA der Universität St. Gallen. Nach einigen Jahren Übersetzungstätigkeit für Stäfa Control Systems wechselte sie zur Schweizerischen Bankgesellschaft als Projektleiterin für Sprachtechnologien und später Leiterin des Sprachendienstes. Dann arbeitete sie einige Zeit selbständig als Sprachtechnologieberaterin. 1995–97 bereitete Doris Albisser als Direktionsmitglied des Schweizerischen Bankvereins dessen Sprachendienst auf das Outsourcing vor. Seit Juli 1997 führt sie als CEO und VR-Delegierte die CLS Communication AG. Sie engagiert sich in internationalen Berufsverbänden und sitzt im Verwaltungsrat der Osec. Neben dem Segeln verbringt Doris Albisser ihre Freizeit am liebsten mit Kochen, Wandern und Tanzen. Sie spricht fünf europäische Sprachen, mit Chinesisch liebäugelt sie zurzeit noch.

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