Körpersprache und Intuition im Personalgespräch
Komplexe Entscheidungen, schwierige Fragestellungen, grosse Verantwortung: Personalgespräche sind eine Herausforderung. Die Intuition und das Lesen von Körpersprache können dabei – richtig eingesetzt – eine grosse Hilfe sein.
Wer die Körpersprache des Gegenübers lesen kann, ist beim Personalgespräch im Vorteil. (Bild Key)
Wie wichtig sind para- und nonverbale Kommunikationsanteile in Personalgesprächen?
Ob bewusst oder unbewusst wahrgenommen: Gestik, Mimik, Körperhaltung sowie Sprechtempo, Stimmhöhe, Lautstärke oder auch Sprachmelodie machen den grössten Teil der Kommunikationssignale aus – je nach Studie zwischen 80 und sogar 93 Prozent der gesamten Kommunikation. Und in Personalgesprächen sind diese Anteile besonders wichtig, da es nicht nur um die Überprüfung der Fachkompetenz, sondern auch um die Beurteilung eines Menschen und seiner Persönlichkeit geht.
Was für Folgen haben para- und nonverbale Kommunikationsanteile?
Wenn wir diese Kommunikationskanäle und die damit vermittelten Inhalte nicht bewusst aufnehmen, werden sie uns zum einen beeinflussen, ohne dass wir dies selber mitbekommen. Zum anderen verpassen wir sehr viele Signale, die uns helfen, den Menschen in seiner Gesamtheit zu beurteilen. Es lohnt sich also, die para- und nonverbalen Zeichen unseres Gegenübers durch bewusstes und eventuell trainiertes Wahrnehmen kontinuierlich zu lesen und so viele zusätzliche und korrigierende Informationen zu den verbalen Kommunikationsanteilen zu erhalten. Nervosität während eines Vorstellungsgesprächs kann dann zum Beispiel entweder als grosse Motivation, die Stelle zu bekommen, interpretiert werden – oder aber als Hinweis auf wenig Erfahrung im angesprochenen Thema erkannt werden.
Was hat die Intuition in Personalgesprächen zu suchen?
In komplexen Entscheidungssituationen oder wenn die Zeit drängt, hilft uns die Intuition, indem umständliche rationale Entscheidungen durch abgekürzte Verfahren ersetzt werden. Der Entscheider vertraut dabei auf teilweise unbewusste fachliche und private Erfahrungen und setzt Heuristiken ein: Komplexe Fragestellungen, die nur schwer zu beantworten sind (zum Beispiel: Ist die Kandidatin eine gute zukünftige Führungsperson und passt sie in unsere Firma?), werden ersetzt durch einfacher beantwortbare Fragen (zum Beispiel: Hat sie einen festen Händedruck, einen offenen Blick, erscheint sie mir sympathisch?). Dieses intuitive Vorgehen hat Vorteile: Wir treffen schnelle Entscheidungen, haben das Gefühl «richtig zu liegen» und bauen auf unsere Erfahrungen. Leider ist ein solches Vorgehen aber auch sehr fehleranfällig.
Warum ist die Intuition fehleranfällig?
Mangelnde Fähigkeiten im Lesen von Menschen, der Blick durch die persönliche Brille und Manipulationen durch die Gesprächspartner beeinflussen unsere Entscheidungen:
Lesen von Menschen: Die Intuition ist nur so gut wie die Wahrnehmung der Signale und die eigenen Erfahrungswerte. Wer sich im Lesen von Menschen nicht fundiert auskennt, wird falsche Eindrücke erhalten und daraufhin entsprechend falsche Entscheidungen treffen.
Persönliche Brille: Durch das jeweilige Befinden und durch die Brille der persönlichen Vorlieben, Erfahrungen und Sichtweisen wird die Intuition beeinflusst – wer diese Umstände nicht korrigierend berücksichtigt, wird ebenfalls falsche Eindrücke bekommen und daraufhin falsche Entscheidungen treffen.
Manipulation / Beeinflussbarkeit: Durch (bewusst oder unbewusst eingesetzte) Manipulierung durch den Gesprächspartner verfälscht sich das Resultat unserer Intuition ebenso. Mögliche Beeinflussungsmechanismen sind zum Beispiel:
- Halo-Effekt (Wer gross und schön ist, muss auch leistungsfähig und erfolgreich sein.)
- Framing («Ich war drei Monate arbeitslos» versus «Ich habe die letzten zehn Jahre fast immer gearbeitet».)
- Priming (Werden im Gespräch die Begriffe «Geld» oder «Leistung» erwähnt, lässt uns dies egoistischere Entscheidungen treffen.)
- Reziprozität (Du bist mir entgegengekommen, also fühle ich mich verpflichtet, dir ebenso entgegenzukommen.)
- Commitment / Konsistenz (Ich habe gesagt, dass mir Mitarbeiterführung wichtig ist, jetzt fühle ich mich verpflichtet, eine Anfrage für das Mentoring einer jungen Führungsperson positiv zu beantworten.)
- Soziale Bewährtheit (Die anderen machen das so, dann machen wir das auch so.)
- Knappheit (Der Bewerber hat bereits ein anderes Stellenangebot, also muss ich zugreifen.)
Wie lässt sich diese Fehleranfälligkeit korrigieren?
Je genauer wir um unsere momentane Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit, um unsere Erfahrungen, unsere Fähigkeit im Lesen von Menschen und unsere Beeinflussbarkeit wissen, umso besser können wir dieses Wissen korrigierend in die Entscheidungen einfliessen lassen. Und je genauer wir lernen, die para- und nonverbalen Kommunikationsanteile unserer Gesprächspartner zu lesen, je feiner die Wahrnehmungsfähigkeit ist, desto besser sind auch die Resultate unserer Intuition.
Wie lassen sich Intuition und die Fähigkeit, das Gegenüber lesen zu können, in (Personal-)Gesprächen sinnvoll nutzen?
Gut trainierte und um Verfälschungen korrigierte Intuition ermöglicht uns schnelle und nachhaltige Entscheidungen. Dazu empfehlen sich die folgenden Vorgehensweisen.
Langfristige Vorbereitung:
- Sich der biografischen und persönlichen Beeinflussung bei Bewertungen und Entscheidungen bewusst werden.
- Das Lesen von Menschen trainieren, zum Beispiel durch Workshops.
Vorbereitung des Personalgesprächs:
- Sich das aktuelle Befinden, Vorbewertungen und Erwartungen bewusst machen.
- Klären, was über den Menschen herausgefunden werden soll.
Gesprächsanfang:
- Entspanntes (neutrales) Gesprächsumfeld schaffen, um die «Basisrate», also den Menschen in entspanntem Zustand, kennenzulernen.
Durchführung des Gesprächs:
- Kontinuierliches Lesen des Gegenübers.
- Steuerung des Gesprächs je nach Wunsch (Gegenüber entspannen oder herausfordern).
- Überprüfen von Manipulationsvorgängen und Intuitionsfehlern.
Nachbereitung:
- Die intuitiven Eindrücke rational überprüfen.
Welches sind die zwei populärsten Irrtümer beim Lesen von Menschen?
Zum einen wird immer wieder versprochen, dass man lernen könne, die Gedanken anderer Menschen zu lesen. Zum anderen wird wiederholt behauptet, dass jede einzelne Mimik und Gestik jeweils nur eine einzige Interpretation zulässt.
Gedanken lesen: Niemand kann Gedanken lesen! Was lesbar ist, sind Zeichen für zugelassene und unterdrückte Emotionen und für Anspannung. Gekoppelt mit Erfahrung im Lesen von Menschen und unter Berücksichtigung des Kontexts geben diese Zeichen sehr gute Hinweise auf das, was im Gesprächspartner gerade vorgeht, wo er authentisch ist, wo er etwas versteckt und wo er uns etwas vorspielt – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Vereinfachte Interpretationen: Kein einzelnes para- oder nonverbales Zeichen bedeutet bei jedem Menschen in jeder Situation das Gleiche (zum Beispiel verschränkte Arme als Hinweis auf Ablehnung). Jedes Zeichen muss im Kontext gelesen, interpretiert und bei der jeweiligen Person validiert werden. Die verschränkten Arme können je nach Kontext tatsächlich Ablehnung ausdrücken, eventuell sind sie aber auch das Resultat von Konzentration, vom Bedürfnis nach Sicherheit oder auch von Wohlbefinden und sogar persönlichem Interesse. Erst im Kontext mit den restlichen Kommunikationssignalen, der Situation an sich sowie unserer Erfahrung zum Kommunikationsverhalten unseres Gegenübers ergibt sich ein vollständiges Bild.
Intuition und das Lesen der Körpersprache bleiben somit anspruchsvoll und die wenigsten von uns sind Naturtalente. Die gute Nachricht ist aber: Wir können alle unsere Intuition verbessern, unsere Wahrnehmungsfähigkeit trainieren und rasch Erfolge erzielen. Und das motiviert doch ungemein!
Quellen / Literatur
- Daniel Kahnemann, Schnelles Denken, langsames Denken. Siedler Verlag, München, 2011
- Paul Ekman, Gefühle lesen. Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg, 2010
- Joe Navarro, Menschen lesen. mvg Verlag, München, 2011
- Robert B. Cialdini, Die Psychologie des Überzeugens. Verlag Hans Huber, Bern, 2010
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