Kontrolle oder Schutz?
Zeiterfassungssysteme erleben während der Pandemie eine Renaissance. Tanja Pichlbauer, Arbeits- und Organisationspsychologin und Teamlead HR beim Softwarehersteller TimeTac im Gespräch.
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Viele Firmen arbeiten auf «Vertrauensbasis» und erfassen keine Arbeitszeiten. Ein Fehler?
Tanja Pichlbauer: Es gibt sicherlich Betriebe, die Vertrauensarbeitszeit anbieten und auf eine Aufzeichnung der Arbeitszeit verzichten. Allerdings meist bei leitenden Angestellten oder Positionen, die vom Arbeitszeitgesetz explizit ausgeschlossen sind. Für alle anderen Arbeitnehmenden gilt die Dokumentation der Arbeitszeit im DACH-Raum als verpflichtend. Dies dient nicht als einschränkendes Kontrollinstrument. Im Gegenteil: Es kann Arbeitnehmende davor schützen, sich heillos zu überarbeiten.
Glaubt man Prognosen, werden Tätigkeiten im Berufsleben wichtiger, die nicht von Maschinen ausgeführt werden. Kreativität kann man jedoch nicht verordnen …
Kreativität entsteht vor allem, wenn ein unterstützendes und innovatives Arbeitsklima gelebt wird. Neue unkonventionelle Wege werden aber nur dann eingeschlagen, wenn die Angst des Scheiterns gering ist und in der gelebten Fehlerkultur stets nach Lösungen und nicht nach Schuldigen gesucht wird. Das kann Arbeitszeiterfassung natürlich nicht steuern. Sie kann jedoch Achtsamkeit und Fokussierung fördern. Wenn sich Mitarbeitende Auszeiten für kreatives Denken schaffen und Distanz zum Abarbeiten von Aufgaben nehmen, kann das für eine Unternehmenskultur richtungsweisend sein.
Während der Pandemie wurde Homeoffice staatlich verordnet. Viele Mitarbeitende waren wochenlang nicht im Büro, wo ihre Produktivität quasi beobachtbar war. Doch wie erfasst man die Zeit im Homeoffice?
Im Homeoffice sollte die Zeiterfassung leicht verständlich und so unkompliziert wie möglich sein. Mit einer Software-as-a-Service-Lösung wie TimeTac können Arbeitnehmende ihre Arbeitszeiten von zu Hause über einen Webbrowser oder eine mobile App in Echtzeit, nachträglich oder mit Zeitgutschrift erfassen. Zudem sieht man auf einen Blick, ob Mitarbeitende oder Vorgesetzte im Homeoffice tätig sind, woran sie aktuell arbeiten oder ob sie gerade pausieren. Das wirkt sich erleichternd auf den Arbeitsalltag aus, da damit der subjektive Druck der ständigen Erreichbarkeit genommen werden kann.
Inwiefern hat die Pandemie eine höhere Nachfrage nach Zeiterfassungssoftware bewirkt?
Die Corona-Krise hat den Wunsch nach elektronischer Zeiterfassung verstärkt. Kurzarbeit und Homeoffice haben gezeigt, wie wertvoll effiziente Zeiterfassungssysteme bei der Abrechnung, aber auch bei der Dokumentation tatsächlich geleisteter Arbeitsstunden sind.
Was sind für Sie die wichtigsten Trends in der Zeiterfassung?
In einer zunehmend agilen Arbeitswelt ist ein hochflexibles Zeiterfassungssystem gefragt, um Zeitkonten mit verschiedenen Arbeitszeitmodellen zu führen und Arbeitszeiten mobil zu buchen. Funktionen wie Employee-Self-Service, komfortable Übersichten, digitale Workflows oder verschiedene Auswertungsmöglichkeiten machen Zeiterfassung zu einem vielseitigen HR-Instrument.
Wie wird sich Zeiterfassungssoftware in den nächsten fünf Jahren entwickeln?
Mögliche Trends werden bei der Art des Identifikationssystems erwartet. Besonders grosse Chancen werden Bluetooth Low Energy dabei eingeräumt. Weiterhin werden bei mobilen Lösungen Flexibilität und Ortsunabhängigkeit eine Rolle spielen. Ebenso könnten Sprachschnittstellen wichtiger werden.
Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz (KI) dabei?
KI spielt auch bei Zeiterfassung künftig eine Rolle. Um nur einige Beispiele zu nennen: sprachliche Benutzerschnittstellen, auf Benutzer zugeschnittene Interaktionen oder durchautomatisierte Prozesse. Das Wichtigste ist aber, stets datenschutzkonform zu agieren. Besonders in Europa wird unsere Privatsphäre, Gott sei Dank, mit sehr viel Sorgfalt und Achtsamkeit geschützt.