Kündigung infolge Verweigerung von Mehrarbeit
Urteil des Bundesgerichts vom 28. Oktober 2013 (4A_414/ 2013).
Das Bundesgericht in Lausanne. (Bild: Keystone)
Das Urteil
Der Kläger war seit 1998 bei der Beklagten als Produktionsmitarbeiter angestellt. Ab dem 18. Oktober 2011 war der Arbeitnehmer immer wieder für unterschiedlich lange Zeit 100 Prozent arbeitsunfähig geschrieben: vom 18. Oktober bis 6. November, vom 9. November bis 4. Dezember und vom 25. Januar bis 5. Februar 2012. Am 16. Februar 2012 verlangte der Produktionsleiter vom Arbeitnehmer, dass er für einen dringend fertig zu stellenden Auftrag Mehrarbeit leiste. Der Arbeitnehmer verweigerte die Mehrarbeit mit der Begründung, dass er eigentlich gar nicht arbeitsfähig sei und sich bereits für die Leistung von 100 Prozent «durchgebissen» habe. Infolge dieser Weigerung kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer machte daraufhin eine missbräuchliche Kündigung geltend und verlangte von der Arbeitgeberin den Betrag von rund CHF 15 000.– und behielt sich vor, später allenfalls noch mehr einzuklagen. Die Arbeitgeberin verlangte mit einer Widerklage, dass das Gericht feststelle, dass sie dem Kläger aus dem Arbeitsverhältnis nichts mehr schuldig sei.
Sowohl das Kantonsgericht als auch das Obergericht Appenzell Ausserrhoden gaben der Arbeitgeberin recht. Dagegen erhob der Kläger Beschwerde an das Bundesgericht. Der Kläger machte geltend, dass seine massiven gesundheitlichen Probleme zum Zeitpunkt der Kündigung den Mitarbeitern und Vorgesetzten offensichtlich klar und bekannt gewesen seien. Gemäss Ansicht des Klägers hätte er für die Fertigstellung des Auftrages täglich ein bis zwei Stunden zusätzlich und insgesamt rund 200 Überstunden leisten müssen. Das habe ihm krankheitsbedingt nicht zugemutet werden können. Die Arbeitgeberin wandte dagegen ein, dass es lediglich um eine einmalige Überzeit von einer halben bis zwei Stunden gegangen sei und sie keinerlei Kenntnis davon gehabt habe, dass der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt nur eingeschränkt leistungsfähig gewesen sein soll.
Das Bundesgericht hielt fest, dass entscheidend sei, ob die Arbeitgeberin am 16. Februar 2012 gewusst habe, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sei, Mehrarbeit zu leisten. Andernfalls sei das Motiv der Kündigung nicht missbräuchlich und damit auch die Kündigung zulässig. Die Beweislast für die Missbräuchlichkeit liegt beim Arbeitnehmer. Den Beweis dafür, dass die Arbeitgeberin seine eingeschränkte Leistungsfähigkeit gekannt hat, konnte er allerdings nicht erbringen. Daran konnte auch ein ärztliches Attest nichts ändern, in dem der Hausarzt des Klägers am 4. Juni 2012 – fast vier Monate später – bestätigte, dass dieser am 16. Februar 2012 keine Mehrarbeit hätte leisten können. Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab.
Konsequenz für die Praxis
Der Arbeitgeber darf Überstunden anordnen, wenn sie zumutbar und betriebsnotwendig sind. Ob die Anordnung zulässig ist, muss im Einzelfall geprüft werden und hängt unter anderem auch von der persönlichen Situation und Gesundheit des betroffenen Mitarbeiters ab. Der Arbeitnehmer, der Überstunden zu Unrecht verweigert, wird allerdings schadenersatzpflichtig und muss wie in diesem Fall mit der Kündigung des Arbeitsvertrages rechnen.