HR Today Nr. 6/2019: Praxis – Künstliche Intelligenz im HR

Eine Beziehung mit Zukunft?

Künstliche Intelligenz (KI) ist vermehrt im Einsatz und auch der HR-Bereich kann davon profitieren. Wichtig ist jedoch das Verständnis dafür, in welchen Bereichen KI nützt, und wo menschliche Intelligenz dienlicher ist.

Hatten Sie heute schon Kontakt mit künstlicher Intelligenz (KI)? Nein? Sicher nicht? Denn als Nutzer ist es unmöglich zu erkennen, ob hinter einer Benutzeroberfläche KI steckt oder nicht. Zum einen bleibt KI im Hintergrund und versteckt sich hinter Chatbots, Suchmaschinen, Sprachassistenten und Smartphones. Haben Sie beispielsweise Siri heute schon etwas gefragt? KI. Haben Sie ein Selfie mit dem Smartphone gemacht und es hat erkannt, dass Sie es sind? KI.

Zum anderen fehlt es einfach vielfach an Wissen, was KI eigentlich ist. Man denkt an Horrorgeschichten von menschgewordenen Computern, welche die Weltherrschaft übernehmen. Zitate wie jenes von Stephen Hawking «... KI ... könnte das schlimmste Ereignis in der Geschichte der Zivilisation werden»¹ tragen auch nicht zur allgemeinen Beruhigung bei. Und gibt man bei Google den Begriff KI ein, erscheinen unter den Vorschlägen Begriffe wie «Gefahr» und «Jobkiller», aber nicht «Möglichkeiten» oder «Chancen». Einen Grossteil der Panik verdanken wir des Weiteren Hollywood, gepaart mit viel Unwissenheit.

Wen wundert es da, dass 80 Prozent der Betriebsleitenden sagen, dass ihre Mitarbeitenden mehr über KI lernen müssen, um sich damit wohlzufühlen.² Haben die Mitarbeitenden erst einmal Verständnis dafür entwickelt, was KI ist und was sie kann, bekommen sie ein Gespür dafür, in welchen Bereichen sie von KI profitieren und sie am besten nützen können. Gerade im HR gibt es viele Möglichkeiten, um KI einzusetzen.

Was macht KI?

Es gibt heute noch keine allgemeingültige Definition von KI, da aus wissenschaftlicher Sicht auch keine Definition des Begriffs «Intelligenz» existiert. Das macht es für uns nicht gerade einfacher zu verstehen, was KI ist. Die Informatik hat mit KI den Anspruch, intelligentes Verhalten zu automatisieren. Vereinfacht heisst das, dass KI mit Daten gefüttert wird und selbständig lernt, Zusammenhänge zu erkennen und auf deren Basis einen Output zu generieren. Je mehr Daten, desto besser. Theoretisch könnte man einen ähnlichen Output auch mit klassischer Programmierung erreichen. Das würde aber vor-aussetzen, dass man die Logik hinter diesem Output kennt. Wenn ich etwa ganz genau sagen kann, warum ein Recruiter einen bestimmten Kandidaten auswählt. Aber die Logik hinter solchen Entscheidungsprozessen ist so komplex, dass sie nicht so einfach darstellbar ist. Hier kommt KI zum Einsatz.

Was sind die Grenzen von KI?

  1. Erklärung: Genauso wenig wie wir Menschen eine Antwort geben können, wie oder warum wir gewisse Entscheidungen treffen, kann das KI.
  2. Empathie: Als das KI-System AlphaGo 2017 Ke Jie besiegte, einen der weltbesten Go-Spieler, weinte dieser vor Enttäuschung. AlphaGo hingegen fühlte weder Glück noch das  Bedürfnis, Ke Jie tröstend zu umarmen.
  3. Kreieren von etwas vollkommen Neuem: Bekommt KI beispielsweise viele Bilder als Input, überträgt sie diese in Zahlenreihen, schafft statistische Zusammenhänge und kreiert etwas Neues mit ähnlichen Zahlen, Mustern und Verteilungen – eine Neukomposition von etwas Bestehendem.³
  4. Vorurteile erkennen: KI übernimmt die Vorurteile der Daten, mit denen sie gefüttert wird und kann diese nicht als solche erkennen. Sie kann auch nicht voraussehen, welche Konsequenzen Entscheidungen haben, die sie trifft. So versuchte Amazon Rekrutierung mit KI zu betreiben und stellte dabei fest, dass weibliche Bewerberinnen diskriminiert werden, weil die Trainingsdaten mehr männliche Bewerber enthielten.⁴

Welche Anwendungsfelder gibt es für KI?

KI bietet trotz seiner Grenzen viele Möglichkeiten der Anwendung. Aber was genau kann man damit tun? Vereinfacht werden drei KI-Anwendungsfelder unterschieden. Diese funktionieren allein für sich oder gemeinsam.

  1. Kategorisierung: KI hilft, wenn etwas eingeordnet werden soll, aber nicht immer genau die gleiche Logik dahintersteckt. Beispielsweise hilft sie beim Erkennen und Kategorisieren von Spesenbelegen. Ist der Starbucks-Kaffee nun Verpflegung, öffentliches Verkehrsmittel oder Unterkunft?
  2. Ähnlichkeitsberechnung: Möchte man Dinge vergleichen, kann KI helfen, Entscheidungen zu treffen. Ein Beispiel hierfür ist das CV-Matching mit dem Stellenprofil. Viele Unternehmen überprüfen und sortieren schon so ihre Lebensläufe vor.
  3. Wissensvermittlung: Gibt man KI Zugriff auf verschiedene Datenquellen, kann diese auf Basis des Inhalts Antworten auf Fragen geben. In einigen Unternehmen wird das beispielsweise im Bereich Talentmanagement verwendet. Hier kann ein Kandidat einen Chatbot beispielsweise fragen, was er benötigt, um befördert zu werden. 


Wie kann HR KI nutzen?

Ausgehend von den Anwendungsfeldern kann HR KI auf vier verschiedene Weisen nutzen, abhängig davon, ob Gefühl und Empathie oder eher Verstand und Logik im Vordergrund stehen, und ob es um Kreativität und Strategie oder Optimierung geht.

1 und 2: KI kann Routineaufgaben übernehmen

HR kann alle repetitiven Aufgaben an KI übergeben. Je nachdem, wie wichtig Empathie ist, tritt HR mehr in den Vorder- oder Hintergrund.

1. KI löst ab: Wenn Empathie nicht notwendig ist, oder Emotionen gar hinderlich sind, kann HR die Aufgaben an KI abtreten – beispielsweise in den Bereichen Mitarbeiterservices, Dokumentenmanagement, HR-Administration sowie Reise- und Spesenmanagement. Heute schon sind durch KI unterstützte Chatbots die erste Anlaufstelle für Mitarbeitende bei Fragen. KI übernimmt im Dokumentmanagement die erste Zuordnung der Dokumente und füllt gewisse Inhalte ab. Und vielleicht wird KI HR in Zukunft auch bei der Kontrolle der Löhne in der Saläradministration unterstützen können.

2. KI hält den Rücken frei: Ist bei Routineaufgaben auch Empathie gefragt, operiert KI als Werkzeug im Hintergrund. In der Rekrutierung kann KI Recruiter so mit einer ersten Abschätzung des Lebenslaufs unterstützen, oder aufgrund von Videodaten Einschätzungen zum Charakter der Person geben. Im Onboarding könnte KI zudem die gesamte Onboardingplanung übernehmen und ein KI-gestützter Chatbot könnte den Mitarbeitenden während des Prozesses begleiten. 


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3 und 4: Bei komplexen Fragestellungen kann KI HR unterstützen

Wenn die Aufgaben komplexer werden und es mehr um Kreativität geht, ist ganz klar der Mensch gefragt. KI kann und wird hier in Zukunft unterstützen, ist jedoch in vielen Bereichen heute noch nicht so weit.

3. Hand in Hand: Bei komplexen Themen, bei denen der Verstand im Vordergrund steht, unterstützt KI teilweise heute schon. Gerade im Analytics-Bereich sind die Anwendungsmöglichkeiten unendlich. So berechnet KI die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mitarbeitender das Unternehmen verlässt, oder unterstützt bei der Personalkostenplanung. Auch beim Thema Compensation kann KI zum Einsatz kommen. Schon heute übernimmt ein einfaches System bei stark standardisierten Bonusreglementen den Prozess. Künftig unterstützt KI vielleicht auch bei komplexeren Prozessen.

4. KI punktuell unterstützend: Sobald Empathie wichtiger wird und das Thema komplex ist, kommt KI nur sehr punktuell und im Hintergrund zum Einsatz. Je wichtiger Kreativität und Empathie, desto weniger KI. Doch gerade bei Themen wie Entwicklung, Learning sowie Performance & Goals, kann ein KI-gestützter Chatbot die Mitarbeitenden durch den Prozess führen und als Sparringpartner agieren. Bei Performance & Goals oder der Nachfolgeplanung vermag KI einen ersten Vorschlag für eine Kalibrierung oder eine Einteilung in der Performance-Matrix oder einen Nachfolger zu geben.

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Muss man KI offenlegen?

Wenn so viele Anwendungsmöglichkeiten existieren und man als Nutzer nie weiss, ob KI dahinersteckt, was gibt es von rechtlicher Seite zu beachten? In Europa ist dank Datenschutzgrundverordnung (Englisch GDPR) einigermassen geregelt, wie mit KI umgegangen werden sollte. Fachexperten diskutieren zwar über die Strenge der Auslegung, aber alle sind sich einig, dass mit Artikel 13 und 14 Unternehmen die Nutzer informieren und Auskunft geben müssen, sobald KI Entscheidungen trifft, die einen signifikanten Einfluss auf den Nutzer haben. In der Schweiz ist diese Thematik noch nicht geregelt. Rechtlich gesehen macht es also Sinn, sich an die EU-Gesetzeslage zu halten.

Was sollte HR jetzt machen?

  1. Informieren Sie sich: KI scheint kein kurzlebiger Trend zu sein, sondern hält sich hartnäckig. HR muss kein KI-Experte sein, sollte aber die Möglichkeiten und Grenzen von KI kennen. So können Sie beurteilen, was Sinn macht, und wo Vorsicht geboten ist.
  2. Fangen Sie mit den einfachen Themen an: Beginnen Sie mit dem Einsatz von KI bei den repetitiven Fragestellungen, die Verstand benötigen. Dort werden Sie im ersten Schritt auch den grössten Effekt spüren.
  3. Entwickeln Sie gezielt selbst: KI verbirgt sich immer hinter einer anderen Oberfläche oder einem System. Bevor Sie selbst anfangen zu entwickeln, informieren Sie sich am Markt, ob bereits eine Lösung existiert, die genau das abbildet, was sie brauchen.

Quellen:

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Anja Buser ist Senior Consultant HR Strategies bei HR Campus.

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Felix Anderegg ist Senior Technology Consultant bei HR Campus.

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