Kurzarbeit – nicht jedes Unternehmen hat Anspruch auf Entschädigung
Seit Ende letzten Jahres steigt die Zahl der Unternehmen mit Kurzarbeit sprunghaft an: Im November 2008 waren doppelt so viele Betriebe betroffen wie noch im Vormonat. Doch wer von den Behörden Leistungen erhalten will, muss bestimmte Kriterien erfüllen.
Am 27. Juli 1999 starben 21 Personen einer Canyoning-Gruppe, als sie im Berner Oberland auf dem Saxetfluss von einer Flutwelle überrascht wurden. Die Branche stellte Touren auf dem Saxetfluss sofort ein. Nach ein paar Monaten entschloss sich die Konkurrentin des damaligen Veranstalters, wieder Canyoning-Ausflüge auf dem Fluss anzubieten. Dagegen regte sich grosser öffentlicher Widerstand, der in den Medien ausgetragen wurde. Die kantonale Volkswirtschaftsdirektion empfahl, die Touren mit Rücksicht auf die Gefühle und die Empörung der betroffenen Angehörigen vorerst nicht durchzuführen. Das Unternehmen befolgte den Rat, musste deswegen aber Kurzarbeit anmelden. Das Gesuch wurde abgelehnt und die Angelegenheit in der Folge dem Gericht vorgelegt. Dieses entschied, in dieser Branche hätte der gleiche Arbeitsausfall auch wetterbedingt entstehen können. Und wetterbedingte Ausfälle stellten ein spezifisches Betriebsrisiko von Canyoning-Veranstaltern dar, dem durch geeignete Personalmassnahmen zu begegnen sei. Es bestehe deshalb kein Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung. Die Sache wurde an das Bundesgericht weitergezogen.
Das Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (AVIG) regelt detailliert, in welchen Fällen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung besteht. So fallen etwa Arbeitsausfälle, die durch übliche oder saisonale Beschäftigungsschwankungen verursacht werden, nicht unter den Rechtsbegriff der Kurzarbeit. Denn dieser setzt grundsätzlich einen aussergewöhnlichen Arbeitsausfall voraus – wie beispielsweise als Folge der aktuellen Weltwirtschaftskrise. Sind die Arbeitsausfälle zudem absehbar, besteht ein Anspruch nur, wenn der Engpass nicht durch eine angepasste Betriebsorganisation wie durch Teilzeitarbeit, Gleitzeit oder Arbeit auf Abruf hätte vermieden werden können.
Allerdings dürfen darunter nicht einfach Entlassungen verstanden werden. Denn das würde der Grundidee des Kurzarbeitsentschädigungsinstituts widersprechen (Erhaltung von Arbeitsplätzen). Bei der Ablehnung von Gesuchen um Kurzarbeitsentschädigung sollten die Behörden deshalb aufzeigen, welche anderen geeigneten Massnahmen der Arbeitgeber zu ergreifen versäumt haben soll. Schliesslich müssen durch Inanspruchnahme von Kurzarbeitsentschädigung Arbeitsplätze erhalten werden können. Zweifelt die zuständige Behörde, dass nur eine vorübergehende Krise vorliegt, kann sie eine Betriebsanalyse durchführen lassen. Kurzarbeit steht demnach nur überlebensfähigen Unternehmen offen, die Entlassungen vermeiden können und sie nicht nur hinauszögern wollen. Für gekündigte Arbeitsverhältnisse besteht folgerichtig kein Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung.
Mitarbeiter bleiben verfügbar, Know-how wird erhalten
Kurzarbeitsentschädigung kann rechtspolitisch sowohl als Sozialversicherung, aber auch als wichtiges konjunkturpolitisches Instrument gesehen werden. So hat etwa Deutschland kürzlich als Kernelement seiner Konjunkturmassnahmen die Verlängerung der Kurzarbeitsleistungen von sechs auf achtzehn Monate beschlossen. In der Schweiz sind es grundsätzlich zwölf Monate. In Krisenzeiten kann der Bundesrat die Leistungen aber allgemein oder nur für einzelne Branchen oder Regionen um höchstens sechs weitere Monate verlängern. Dabei entlastet Kurzarbeit den Arbeitgeber nicht nur bei den Lohnkosten. Vielmehr werden durch das Vermeiden von Personalfluktuation auch Einarbeitungskosten und Verlust von Know-how verhindert. Zudem bleiben die betroffenen Mitarbeiter kurzfristig verfügbar, sollte sich die Lage ändern.
Das Prinzip der Kurzarbeit ist einfach: Die Arbeitspensen werden im erforderlichen Umfang gekürzt (statt 100 Prozent beispielsweise 50 Prozent). Vom Lohnausfall (hier 50 Prozent) übernimmt die Arbeitslosenversicherung 80 Prozent (hier also 40 Prozent, nämlich 80 Prozent von 50 Prozent).
Arbeitgeber, die Kurzarbeit einführen wollen, sollten folgende Stolpersteine beachten:
- Die Mitarbeiter müssen mit der Kurzarbeit einverstanden sein. Wer nicht einverstanden oder wer befristet angestellt ist, ist weiterhin gemäss Arbeitsvertrag zu entlöhnen. Entsprechend sollten dem Gesuch um Kurzarbeitsbewilligung die schriftlichen Einwilligungen der Mitarbeiter beigelegt werden.
- Kurzarbeit muss zehn Tage im Voraus angemeldet werden, in der Regel bei einer dem kantonalen Arbeitsamt angegliederten Behörde. Bei Verspätung werden die Leistungen um jeden Tag der Verspätung einen Tag gekürzt.
- Der Arbeitgeber hat die Kurzarbeitsentschädigung gegenüber den Mitarbeitern vorzuleisten; bis zur späteren Rückvergütung durch die Arbeitslosenversicherung müssen die Lohnkosten demnach aus eigenen Mitteln sichergestellt sein.
- Die Sozialversicherungsbeiträge sind auf 100 Prozent des Lohns abzuführen, auch wenn nur 80 Prozent des Lohns rückvergütet werden.
- Ist der Arbeitsausfall nicht nachweisbar, weil eine entsprechende Arbeitszeitkontrolle fehlt, entfällt der Anspruch ganz. Jeder Mitarbeiter sollte den auf ihn zutreffenden Stundenausfall monatlich unterschriftlich bestätigen; diese Bestätigungen sind der Behörde vorzulegen.
- Und schliesslich: Werden die Abrechnungen nicht fristgerecht vorgelegt, verfällt der Rückvergütungsanspruch!
Das Bundesgericht hat in unserem Fall übrigens zu Gunsten des Canyoning-Unternehmens entschieden: Ein auf Canyoning spezialisiertes Unternehmen sei zwar saison- und wetterabhängig. Daraus könne indessen «nicht geschlossen werden, ein Arbeitsausfall sei stets dann nicht [als Kurzarbeitsentschädigungsanspruch] anrechenbar, wenn ein Bach aus welchen Gründen auch immer nicht benutzt werden könne». Und mit dem öffentlichen Widerstand gegen die Wiederaufnahme der Touren habe nicht gerechnet werden können. Die Kurzarbeit sei deshalb unvermeidbar gewesen und müsse entschädigt werden.