Ladies only
Klassische «Old-Boy-Networks» wie Studentenverbindungen, Militärseilschaften, Zunft- und Clubzugehörigkeiten sorgen unter Männern seit Jahrhunderten für einen Beziehungskitt von wirtschaftlicher Relevanz. Als Antwort darauf sind in den letzten Jahren immer mehr Netzwerke entstanden, die exklusiv für Frauen zugänglich sind. Geschlechtergetrennte Netzwerke scheinen einem Bedürfnis der Beziehungspflege zu entsprechen. Warum nur?
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Befragt man Präsidentinnen von Frauennetzwerken, inwiefern Männer und Frauen einen unterschiedlichen Begriff von Vitamin B und von der Art des Netzwerkens haben, gleichen sich die Aussagen: «In der Regel haben Frauen durch die Mehrfachbelastung von Familie und Beruf weniger Zeit für das Netzwerken. Sie müssen gezielter vorgehen, um nachhaltige Erfolge zu erzielen», so die Einschätzung von Clivia Koch, Präsidentin der «Wirtschaftsfrauen Schweiz», einem 1999 gegründeten Frauennetzwerk, welches heute rund 650 Kaderfrauen sowie Unternehmerinnen vereint.
Obwohl bekanntermassen 75 Prozent der Kaderstellen gar nicht erst ausgeschrieben werden, seien «Frauen viel schwieriger zum Netzwerken zu bewegen als Männer, weil sie sich zuerst die Nutzenfrage stellen», so auch die Erfahrung von Carole Hofmann, Präsidentin der 2009 gegründeten «Young Female Entrepreneurs and Executives» (YFEE), die heute rund 750 Unternehmerinnen und Frauen «ab Stufe Vice President Assistant» vernetzt. Wenn nicht von vornherein klar ist, worin der Nutzen besteht, würden viele Frauen an einer Veranstaltung nicht teilnehmen, so Hofmann: «Haben sie zudem kleine Kinder und müssen deren Betreuung organisieren, überlegen sie es sich zweimal, ob der Anlass tatsächlich so wichtig ist.»
Hat die weibliche Zurückhaltung beim Netzwerken weitere Gründe? «Frauen bewegen sich im Berufsalltag oft in männerdominierten Bereichen und verhalten sich gehemmter, sobald ein Mann dabei ist. Ganz speziell, wenn dieser ein dominantes Verhalten zeigt. Frauen weisen ihn dann eher weniger in die Schranken, sondern agieren resigniert im Sinn von ‹lass ihn doch einfach reden›», konstatiert Petra Rohner, die 2007 das Frauennetzwerk «Swonet» als Xing-Gruppe gegründet hat, welches heute mehr als 6900 Frauen unterschiedlichster Branchen, Funktionen und Generationen verbindet. «In einer Frauenrunde findet ein Erfahrungsaustausch viel offener statt. Unternehmerinnen reden beispielsweise ganz direkt über Fehler oder Führungsprobleme», so Rohner.
Frauen mit Wettbewerbsvorteilen
Dass Frauen beim Netzwerken eine gewisse Gehemmtheit an den Tag legen, beobachtet auch Wirtschaftsfrauen-Präsidentin Clivia Koch: «Frauen haben mehr Mühe, direkt nach einer Dienstleistung oder einer Empfehlung zu fragen und sie scheuen sich, auch selbst eine Empfehlung abzugeben. Männer sind da viel unverblümter. Sie sagen einfach, was sie wollen und ein Nein schreckt sie nicht davon ab, es weiter zu versuchen.»
Ganz ähnlich tönt es auch bei Carole Hofmann von YFEE: «Viele Frauen stellen ihre Leistungen beim Netzwerken häufig unter den Scheffel und trauen sich nicht, das Wort zu ergreifen. Dabei wäre es wichtig, an einer Veranstaltung gezielt die ranghöchste Person anzusprechen und die Gelegenheit zu nutzen, ihre Bekanntschaft zu machen. Wobei es für Frauen übrigens viel leichter ist, andere Menschen anzusprechen, als für Männer. Nehmen an einem Anlass überwiegend Männer teil, haben Frauen sogar einen Wettbewerbsvorteil.»
Apropos Vorteile: Welche Vorteile gibt es denn überhaupt, wenn Frauen beim Netzwerken unter sich bleiben? Dazu Clivia Koch von den Wirtschaftsfrauen Schweiz: «Weibliche Nachwuchskräfte finden in Frauennetzwerken Vorbilder, was zum Vorteil aller ist, denn schliesslich wollen wir ja neue Führungskulturen und Führungsinnovationen. Diese entstehen aber nicht, wenn Frauen den Männern und veralteten Führungskulturen nacheifern, die in vielen männerdominierten Netzwerken vorherrschen.»
Lähmende Herrenrunden
Wie lähmend hermetische «Old-Boy-Networks» und »Herrenrunden» auf Frauen wirken, die Karriere machen und sich vernetzen möchten, bringt HR-Beraterin Stefanie Rieger von der Consultingfirma Somersault auf den Punkt: «Als Frau fühlt man sich vor allem ausgeschlossen, weshalb frauenspezifische Business-Netzwerke hier ein Gegengewicht setzen können», meint Rieger, die sich intensiv mit der Frage der Geschlechter-Diversität in Führungsgremien beschäftigt und unter anderem auch im «Woman's Chapter» der HSG-Alumni teilnimmt und ausserdem im HR-Netzwerk «ConnexHR» als Präsidentin aktiv ist: «Ich glaube nicht, dass Frauen einen anderen Begriff von Vitamin B haben, sie sind einfach im Mittel weniger gut vernetzt als Männer. Aber ich stelle auch immer wieder fest, dass gerade Unternehmerinnen den Männern bezüglich Netzwerken in nichts nachstehen.»
Dabei könnten gemäss Rieger Frauen-Netzwerke durchaus eine valable Alternative sein. «Es gibt mittlerweile eine ganz Reihe von namhaften Unternehmerinnen-Persönlichkeiten, die sich in solchen Netzwerken engagieren, weil sie Frauen im Business fördern wollen. Ich kann hier neben dem Women's Chapter der HSG-Alumni auch die Young Female Entrepreneurs & Executives YFEE empfehlen.»
Netzwerken jüngere Frauen anders als gestandene Frauen? Dazu YFEE-Präsidentin Carole Hofmann: «Ich denke schon, jüngere Frauen sind heute viel selbstbewusster. Für sie hat sich das Thema Mann oder Frau grösstenteils erledigt. Es ist auch nicht mehr so, dass sie männlich auftreten müssen, um sich durchzusetzen. Ich sehe da ganz klar einen Generationenwechsel und das ist gut so.» Ähnlich lautet auch die Prognose von Stefanie Rieger: «Wünschenswert und am zielführendsten wäre es, wenn beide sich öffnen würden – und ich bin da in jedem Fall zuversichtlich, dass das Stück für Stück passieren wird.»