Sie ist eine Frau, die Farben liebt. Das wird auf den ersten Blick klar. Heute dominiert Rot. Dörthe Huscheck, Managing Director Consumer Goods Business sowie Verwaltungsratspräsidentin der Swarovski Schweiz AG, versprüht einen Hauch von Glamour und kommt ganz und gar nicht in uniformierter Businesskleidung daher. Zu ihrem leuchtend roten Haar trägt sie ein rotes Kleid, rote Pumps und roten Lippenstift. Mutig. Doch für Huscheck ganz normal. «Das geht aber nicht immer», grinst sie, «es ist stark stimmungsabhängig.» Was «immer geht», ist der Schmuck aus dem Hause Swarovski. Klar, etwas anderes trägt sie nicht mehr, nicht nur aus geschäftlichen Gründen. Die Frühlingssonne fällt auf den Ring an ihrer rechten Hand und bringt unzählige rote und weisse Kristallsteinchen zum Funkeln.
Dass sie und Swarovski in jeder Hinsicht ein gutes Team sein könnten, der Gedanke kommt der ausgebildeten Augenoptikerin fast so nebenbei. Für Carl Zeiss ist Huscheck bereits seit zwei Jahren in der Schweiz, und der Name Swarovski ist ihr aus ihrem Fach-bereich als Hersteller von optischen Instrumenten, Brillen und Sonnenbrillen ein Begriff. Nach zehn Jahren in der Optik und einem berufsbegleitenden Studium in Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Marketing wird es Zeit, etwas anderes zu wagen – denkt sie sich und greift zum Telefonhörer. Ob es wohl derzeit eine Stelle in ihrem Hause gebe, die ihrem Profil entspreche, fragt sie bei Swarovski an und kann es selbst kaum glauben: «Gerade waren sie dabei, eine Stelle für die Vertriebsleitung auszuschreiben», erinnert sich Huscheck und spricht von Fügung. Und so wird Huscheck Sales Manager in der Schweiz. Insgesamt hat das Unternehmen in der Schweiz zu der Zeit vier Mitarbeiter für den Vertrieb und noch keine Swarovski-Retail-Geschäfte. Elf Jahre ist das jetzt her. Heute beschäftigt die Swarovski Schweiz AG knapp zweihundert Mitarbeiter und unterhält in der Schweiz 18 eigene Boutiquen.
Die Gemeinsamkeiten der
Norddeutschen und der Schweizer
Huscheck ist verantwortlich für Umsatz und Profit für das Consumer Goods Business in der Schweiz, darunter fallen die Swarovski-Boutiquen, drei Partnerboutiquen und rund 160 Fachhändler. Der rundum verglaste imposante Firmensitz der Swarovski International Holding liegt in Männedorf, direkt an der Goldküste des Zürichsees. Huscheck wohnt privat quasi direkt gegenüber, auf der anderen Seite des Sees. Sehr idyllisch an einer grünen Wiese, wie die Naturliebhaberin sagt. Wenn auch so ganz anders als in der Heimat.
Aufgewachsen ist Huscheck mit einer jüngeren und einer älteren Schwester in einem kleinen norddeutschen Dorf namens Heiligenfelde, im flachen Land, ungefähr 150 Kilometer von der Nordsee entfernt. Ihre Kindheit verbringt sie auf dem ländlichen Reiterhof unweit ihres Elternhauses mit Voltigieren und Reiten. «Das war das Einzige, das für eine Fünfjährige allein mit dem Fahrrad erreichbar war. Sonst gab es da nicht viel zu tun.» Huscheck besucht die ländliche Grundschule und anschliessend das Gymnasium. Nach dem Abitur macht sie eine Lehre als Augen-optikerin in der Nähe von Oldenburg.
Ihre norddeutsche Mentalität beschreibt sie als verbindlich und treu. «Da sind die Norddeutschen den Schweizern schon fast sehr ähnlich», sagt Huscheck. Sie mag die
vornehme Zurückhaltung der Schweizer und «dass sie auch einfach mal zuhören können». Huscheck ist überzeugt, dass es in erster Linie darauf ankommt, wie man auf die Menschen zugeht. «Aber ich habe auch gelernt, offen zu sein für die Schweizer Mentalität und genau zu schauen, wie die Schweizer miteinander umgehen.» Inzwischen besitzt sie neben ihrem deutschen auch den Schweizer Pass. Und das aus Überzeugung: «Ich liebe beide Welten sehr.» Zu Beginn ihrer Karriere war sie zwei Jahre in Hongkong tätig, als Verantwortliche für das Carl Zeiss Profit Center Optik in Hongkong und China. «Das hat mich sensibel gemacht für fremde Kulturen, und ich habe auch dadurch unsere westliche Kultur sehr schätzen gelernt.»
Als Huscheck das Ruder bei der Swarovski Schweiz AG übernimmt, steckt der Unternehmensbereich Modeschmuck noch in den Kinderschuhen und soll vorangetrieben werden. Huscheck kann sich schnell mit «ihren» Produkten identifizieren. Sie selbst hat gerne schöne Dinge und schöne Kleider. «Ich stürze mich lustvoll in jeden Trend», gibt sie lachend zu. Da hat sich in der ganzen Zeit nichts geändert. Nur, dass sie heute meist zuerst den Schmuck besitzt und dann passend dazu ihre Kleider kauft. Auch Handtaschen und Schuhe gehören zu ihren liebsten Kaufobjekten. Ihren Schuhtick leugnet sie nicht, obwohl der nicht mehr oder weniger ausgeprägt sei als bei den meisten Frauen.
Im Rahmen der globalen Modekollektion, die unter der Leitung der Kreativdirektorin Nathalie Colin in Paris entworfen wird, gibt es Adaptionen für den europäischen, asiatischen und amerikanischen Markt. «In der Schweiz haben wir erstaunlicherweise einen der höchs-ten Fashionanteile in Europa, noch vor Italien und Frankreich. Das zeigt, dass die Schweizer Frau sehr modisch ist und auch die farblichen Trends mitmacht. Wir bieten ein Gefühl von Luxus, den man auch bezahlen kann.» Sie zeigt auf ihren Finger: «Mein Ring kostet rund 250 Franken. Die einzelnen Kristalle sind handgesetzt, der Ring selbst ist vergoldet.»
Wie sie sich ihren Erfolg erklärt?
«Das hat sich so ergeben»
Das Rezept für das Grundmaterial der Kris-talle ist natürlich streng geheim. Daniel Swarovski gründete 1895 das Unternehmen in Wattens/Tirol, dort befindet sich heute noch der Hauptsitz. Mittlerweile wird das Familienunternehmen in der fünften Genera-tion geführt. Ein Geschäftsbereich betrifft die Produktion von Kristallkomponenten für verschiedene designorientierte Industriezweige, der zweite wichtige Geschäftsbereich befasst sich mit der Erzeugung fertiger Kristallprodukte wie Schmuck, Modeaccessoires, Kristallobjekte und Home-Decor-Objekte. Diese werden über ein weltweites Netz von derzeit 1218 Swarovski-Boutiquen und 1000 Partnerboutiquen verkauft.
Seit letztem Jahr gibt es bei Swarovski auch Schmuck für den Mann, und an der diesjährigen BaselWorld hat das Unternehmen eine eigene Uhrenkollektion für Männer vorgestellt. Ist das Gleichberechtigung einmal andersherum? «Warum sollten Männer sich nicht schmücken?», fragt sie zurück. Sie sei überzeugt, immer mehr Männer ansprechen zu können. Obwohl der Anteil Frauen sicher immer ungleich höher sein werde.
Zu ihrem Arbeitsalltag gehören regelmäs-sige Meetings. Sie verhandelt ausserdem mit Shoppingcentern und ist stets auf der Suche nach neuen attraktiven Standorten für ihre Boutiquen oder Partnerboutiquen. Die Marketingexpertin ist unermüdlich mit der Markenpositionierung beschäftigt. Bei den Kunden – und bei den Mitarbeitern. Letztere werden in sämtliche Aktivitäten sehr stark eingebunden. «Und wenn eine neue Kollektion herauskommt, ist es für uns alle fast wie Weihnachten. Jeder überlegt dann gleich: Was ist sein persönliches ‹Must-Have›?»
Einen grossen Teil von Huschecks Aufgaben nimmt die Personalarbeit ein. Sie weiss, dass ihr Unternehmen am Markt nur so stark sein kann, wie ihre Mitarbeiter dafür das Fundament geben. Ihre Begeisterung für das Sichschmücken versucht sie weiterzugeben und die Mitarbeiter so weit wie möglich einzu-binden.
Wie sie sich selbst ihren Erfolg erklärt? «Das hat sich so ergeben», meint sie bescheiden und erklärt: «Weil ich immer das getan habe, was mir Spass gemacht hat. Ich habe viel Freude am Menschen und daran, wirklich etwas zu bewegen.» Ihr Verhältnis zu den männlichen Kollegen ist gut und auf Augenhöhe. «Der Eintritt als Frau in eine Führungsposition in einem eher weiblichen Geschäft ist vielleicht einfacher als in einer anderen Branche. Aber zuletzt geht es immer um die Zahlen und die Fähigkeit, Menschen respektvoll führen zu können.»