Personalentwicklung

Lebenslanges Lernen
 im Praxistest

Nur wenige Grossunternehmen können sich echte
 Corporate Universities leisten. Für die anderen Firmen
 sind Kooperationen mit Hochschulen interessant. 
Für eine erfolgreiche Partnerschaft gilt es jedoch, 
einige Punkte zu beachten.

Die Kooperationsintensität zwischen der klassischen, staatlich finanzierten Hochschule und privaten Unternehmen hat in den vergangenen Jahren mehrfach Aufsehen erregt. So streiten sich unterschiedliche Exponenten über die 100-Millionen-Franken-Spende der UBS an die Universität Zürich oder andere Formen des Sponsorings. Doch in einer Welt des raschen Technologiewandels und unmittelbaren Wissenstransfers zwischen Netzwerkpartnern kommen sich Unternehmen und Hochschulen fast von selbst näher.

Angesichts demografischer Veränderungen, höherer Suchkosten auf dem Arbeitsmarkt und der gezielten Erwartung von Talenten, am Arbeitsplatz ihren Arbeitsmarktwert steigern zu können, sind Unternehmen heute gefordert, attraktive und qualitativ hochwertige Bildungsangebote bereitzustellen. Corporate Universities als Bildungseinrichtungen der Unternehmen werden rasch einmal als optimale Form der Personal- und Kaderentwicklung ins Feld geführt. Sie sollen lebenslanges Lernen mit strategierelevanten Themen der Unternehmen kombinieren. Das Konzept der «unternehmensinternen Akademie» etablierte sich in den 1980er-Jahren in den USA. Dabei handelt es sich entgegen der Bezeichung aber nicht um eine Hochschule. Die verliehenen Abschlüsse werden in der Regel nicht staatlich anerkannt.

Wie Corporate Universities durch den Test fallen

Corporate Universities versprechen, den hohen Anforderungen sowohl aus Organisations- wie auch Bildungsperspektive über neue Lernformen, eine stärkere Strategieorientierung und ein Ineinandergreifen von Personal- und Unternehmensentwicklung gerecht zu werden. Im optimalen Fall kombinieren sie freie, aber unternehmensbezogene, zumeist angewandte Forschung mit Bildung und Unternehmensentwicklung. Sind jedoch die Konzeption der Lerninhalte und die Reflektion der Umsetzungsprozesse ausschliesslich auf die Ziele des Unternehmens fokussiert, droht eine Reduktion der Bildungsleistung. Die instrumentelle Verwendung von Bildungsinhalten kann dabei so stark in den Vordergrund 
rücken, dass ein tiefer gehender Erkenntnisgewinn und 
dadurch ausgelöste Innovationen ausbleiben. Trifft dies zu, fallen Corporate Universities längerfristig durch den «Bildungstest», weil es nicht gelingt, eine gleichzeitig inspirierende, innovationsfreundliche und kritische Bildungskultur zu etablieren.

Respekt vor den Stärken des Partners

In der Schweiz haben echte Corporate Universities Seltenheitswert und auch international sind sie kein Massenphänomen. Es gibt einzelne Beispiele grosser Unternehmen wie ABB, Nestlé oder Novartis, die situativ Bildungs-, Forschungs- und Organisationsziele miteinander kombinieren. Diese Unternehmen zeigen jedoch auch die Grenzen von Corporate Universities auf. Vielfach lohnen sich die Investitionen in Aufbau und Betrieb nur für Grosskonzerne.

Bereits mittelgrosse Unternehmen bleiben daher lieber bei klassischen Formen der Personalentwicklung. Vor diesem Hintergrund rücken  Kooperationen zwischen Wirtschaft und Hochschulen verstärkt ins Blickfeld des Interesses. So lässt sich die Zusammenarbeit im Rahmen bestehender Bildungsangebote aufnehmen oder verstärken, indem systematisch Mitarbeiter in die Studiengänge entsandt werden und Fachleute aus den Unternehmen als Praxisexperten den Lehrkörper ergänzen. Der Einsatz von Case Studies und Transferaufgaben in Absprache mit Unternehmen gehört bereits zum didaktischen Standardrepertoire, während die Verknüpfung von Weiterbildung mit Praxisplätzen (Praktikum) noch eher selten ist.

Solche Bildungskooperationen können erfolgsversprechend sein, da sie sowohl die Grenzen des Organisationsalltags als auch jene der akademischen Hallen zu sprengen vermögen. Die Herausforderung an beide Systeme ist es, aufeinander zuzugehen und in nützlichen Feldern sowie in zweckmässiger Form zu kooperieren. Denn einerseits ist es im Sinne von Universitäten, dass sich die Wirtschaft verstärkt mit wissenschaftlich abgestützten Erkenntnissen auseinandersetzt. Andererseits sollte es noch mehr im Interesse der Wirtschaft sein, wenn Hochschulen sich an praxisrelevanten Problemen orientieren und die wirtschaftliche Realität besser kennen.

Grundlegende Spannungsfelder sind jedoch oft ein Hindernis für eine gewinnbringende Annäherung beider Seiten. Im Kern drehen sich die Problemkreise vielfach um den Respekt vor den Stärken des Partners. Hochschulvertreter müssen zum Beispiel …

  • 
den Gewinn praxisorientierter Fragestellungen für die Lehre und Forschung nutzen lernen
  • 
sich von der Meinung, dass nur sie den echten Forschungs- und Bildungsbedarf kennen, verabschieden und
  • 
die Vielfalt didaktischer Lehrformen für erwachsenengerechten Unterricht erlernen

Gleichzeitig müssen Unternehmensvertreter…

  • 
den Inspirations- und Motivationseffekt freier Reflektion über die Organisationsgrenzen hinweg für ihre Mitarbeitenden entdecken
  • 
die Bedeutung von Orientierungswissen für den nachhaltigen Lernerfolg erkennen und
  • 
die Bewertungsmassstäbe der Diplom vergebenden Institution anerkennen

Erfolgreiche Kooperationen wissen gerade den Mehrwert der Unterschiedlichkeiten beider Systeme zu schätzen. Die Personaler sind verantwortlich dafür, dass in entsprechenden Kursen  organisationsbezogenes Know-how von Organisationsvertretern eingebracht wird. Gleichzeitig sehen sie den Mehrwert eines Hochschuldozenten, solche Inhalte in einen Gesamtkontext einbetten und vernetzen zu können. Dies ruft nach einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit bereits bei der Entwicklung von Bildungsangeboten.

Entscheidend für den Erfolg ist aber die Nachhaltigkeit der Zusammenarbeit. Die einmalige Verpflichtung eines externen Dozierenden oder die punktuelle Finanzierung einzelner Mandate vermag langfristig wenig zu bewirken. Wenn Corporate-University-Strukturen erwünscht, aber nicht möglich sind, dann lohnt es sich, über eine längerfristige Zusammenarbeit nachzudenken. Dabei können sich Weiterbildungselemente, Beratungsleistungen und Forschungsaktivitäten sinnvoll ergänzen, müssen aber die jeweiligen Grundprinzipien beachten.

Während der Hochschulpartner bei Weiterbildung und Beratung bereit sein muss, sich stärker auf die Praxisbedürfnisse und Unternehmenswünsche im Sinne des Praxistests einzulassen, so ist Offenheit seitens der Unternehmen gegenüber nicht unmittelbar zweckgerichteten, sondern wissenschaftlich ausgerichteten Fragestellungen im Rahmen von Forschungsarbeiten zwingend notwendig. Geistreiches, fachlich herausforderndes und offenes Mitdenken kennzeichnet hier das Bestehen des Bildungstests.

Beide Seiten profitieren

Letztlich sind es nicht einzelne bekannte Dozierende oder Unternehmensnamen, die ausschliesslich für den Erfolg von Bildungskooperationen verantwortlich sind. Vielmehr profitierten beide Seiten von jahrelanger Zusammenarbeit, aufgebautem Vertrauen und gegenseitigen Lehr- und Lernerfolgen. Insbesondere Unternehmen können von solchen Kooperationen beziehungsweise einer echten Bildungskultur vielfältig profitieren:

  • 
Innovationen wie Produktentwicklungen und Prozessverbesserungen sind rasch wertschöpfungssteigernd, wenn die Beteiligten gewohnt sind, kritisch und frei zu reflektieren.
  • 
Bildungskooperationen bieten motivierende Perspektiven für Mitarbeitende, da das interne Kurswesen eine stärker inhalts- und qualitätsorientierte Ausrichtung erhält – abgesehen von der Möglichkeit, einen anerkannten Bildungsabschluss zu erwerben. Zudem werden die Kontakte mit unternehmensexternen Mitstudierenden als bereichernd erlebt.
  • 
Die frühe Netzwerkbildung mit Hochschulabsolventen, beispielsweise im Rahmen von Praxisprojekten, Diplomarbeiten oder Veranstaltungskooperationen, begünstigt die Talentsuche.
  • 
Forschungsnähe oder auch Lizenznahmen an Forschungsarbeiten fördern eine Innovationskultur und Weiterentwicklung der Marktpositionierung.  

Auch die Hochschulen wollen ihrerseits von Bildungskooperationen profitieren. Vielfach wird von der Wirtschaft aber unterschätzt, wie wichtig Forschungsmehrwert und Unabhängigkeit im Gegensatz zur finanziellen Abgeltung sind. Dieser Mehrwert verlangt langfristige Verpflichtungsbereitschaft beider Partner mit angemessener Finanzierung, weil sonst kein Kapazitätsaufbau und nachhaltiger Wissenstransfer resultiert. Nebst Kooperationsvereinbarungen mit klar geregelten Details wie Nutzungsrechte und Unabhängigkeitsregelungen sind hierfür auch Gremien für die inhaltliche Reflektion betreffend Entwicklung, Umsetzung und Evaluation von Projekten sowie Lehrgängen notwendig.
Selbstverständlich eignen sich solche Kooperationsformen nicht in allen Gebieten gleich gut. Vor allem in wirtschaftsnahen und anwendungsorientierten Themenfeldern ist aber noch viel Potenzial vorhanden – vorausgesetzt Wirtschaft und Hochschule sind bereit, sich dem Bildungs- und Praxistest zu stellen.

7. IOP-Fachtagung

Am 10. September findet in Bern die 
7. IOP-Fachtagung statt. Vorgestellt werden die neuesten Trends zu den Themen lebenslanges Lernen, Employer Branding, Entlöhnung und Konfliktmanagement. Top-Referenten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft wie Adolf Ogi (alt Bundesrat), Anita Fetz (Ständerätin), Philippe Tobler (Neuroökonom), Valentin Landmann (Milieu-Anwalt), Jeannine Pilloud (SBB) und Ulrich Zwygart (Zurich) treten auf.

www.excellence.unibe.ch

 

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Adrian Ritz ist Professor für Betriebswirtschaftslehre des öffentlichen Sektors an der Universität Bern. Seine Forschungsarbeiten befassen sich mit Führungs-, Motivations- und Personalfragen.

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Andreas Fischer ist Direktor des Zentrums für universitäre Weiterbildung an der Universität Bern. Er ist Gründungsmitglied und Vizepräsident von Swissuni, dem Verein für universitäre Weiterbildung Schweiz.

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