Generation 50+

Lieber lehren als lernen

Der demographische Wandel ist in aller Munde, ältere Mitarbeitende werden ein wichtiges Kapital der Zukunft und vielen HR-Abteilungen ist bewusst, dass sie stärker in die Generation 50+ investieren müssen. Aber wie?

Lange Zeit eher stiefmütterlich behandelt, gerät die Altersgruppe 50+ mehr und mehr in den Fokus des HR-Management. Auch die Anbieter von Aus- und Weiterbildungen haben ein Auge auf ältere Schüler geworfen: Kurse explizit für Menschen ab 50 nehmen zu.

Jürg Enderli, Psychologe und Bereichsleiter Laufbahn am Laufbahnzentrum Zürich, beobachtet diese Entwicklung interessiert, aber kritisch. «Die Angebote wachsen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob bei der Zielgruppe 50+ ein Interesse dafür besteht.» Enderli schätzt den Begriff 50+ nicht sehr. «Das klingt wie eine Schallgrenze, ist es aber nicht.» Er und sein Team beraten regelmässig Menschen im mittleren Lebensalter und setzen sich mit deren Laufbahnfragen auseinander.

Grob könne man sie in zwei Gruppen aufteilen, sagt Enderli. «Ein Teil kommt aus Leidensdruck, weil sie sich nicht vorstellen können, die Jahre bis zur Pensionierung so weiterzumachen wie bisher. Der zweite, grössere Teil, das sind meist gut positionierte Fünfzigjährige die viel erreicht haben und sich aus komfortabler Situation Sinnfragen stellen. Viele der zweiten Gruppe machen eine komplette Umschulung oder werden ehrenamtlich tätig.»

Laut Enderli setzen sich viele Arbeitnehmende in der zweiten Hälfte der 40iger nochmals mit dem Thema Laufbahn auseinander. «Bis ins Alter von ungefähr 55 Jahren werden noch ziemlich radikale Entscheide gefällt. Später fallen die Schritte weicher aus.» Heisst, meist wird keine neue Ausbildung, sondern eher eine Weiterbildung gewählt.

Konkurrenz für Jüngere

Die Idee, solche Weiterbildungen explizit für eine Altersstufe anzubieten und damit sogenannte Peer-Groups zu schaffen, überzeugt Enderli nicht ganz: «Einerseits schafft eine vom Alter her einheitliche Gruppe den Vorteil, dass der Kursleiter auf das Bedürfnis nach Reflexion eingehen kann und er eine relativ homogene Gruppe vor sich hat, die mit den gesammelten Erfahrungen sehr voneinander profitieren kann. Andererseits sollte gerade dieser Erfahrungsschatz auch Jüngeren offen stehen. Eine Segmentierung wäre schade.»

Dieser Austausch, das «Abholen» von Wissen, die Weitergabe von Erfahrungen sei auch innerhalb der Unternehmen zentral. «Das ist wichtiger, als den Mitarbeitenden zig Weiterbildungskurse zu bezahlen. Es zeigt ihnen, dass ihr Know-how geschätzt und gebraucht wird.» Denn dass die älteren Mitarbeitenden viele Qualitäten mitbringen, die Unternehmen nützen, ist für Enderli klar. «Die Generation 50+ ist heute flexibler als vor zehn, fünfzehn Jahren. Sie hat Strukturwandel miterlebt und ist sich gewohnt, Veränderungen anzupacken. Denken Sie nur an den Einzug der IT in die Unternehmen.» Zudem seien viele über 50-Jährige fitter und gesünder, leben bewusster und könnten besser mit Druck und Stress umgehen als manche 40-Jährige. «Es wäre interessant herauszufinden, ob die heute über 50-Jährigen die 40-Jährigen nicht fast konkurrenzieren», sagt Enderli.

Was wünscht Ihr Euch?

Ein Unternehmen das daran arbeitet, konkret etwas für die Mitarbeitenden über 50 zu tun, ist Axa Winterthur. «Ein Viertel unserer Belegschaft ist über 50 Jahre alt. Das ist ein riesiger Know-how-Pool und es ist uns ein Anliegen, dass diese Mitarbeitenden weiterhin motiviert ihrer Arbeit nachkommen können», sagt Yvonne Seitz, Head Diversity & Familiy Care bei der Axa Winterthur. Um herauszufinden, welche Bedürfnisse Mitarbeitende dieser Generation haben, wurde eine gross angelegte Umfrage durchgeführt. Mit erstaunlichen Resultaten: «Wir haben festgestellt, dass viele erfahrene Mitarbeitende ihre Ideen, wie sie die Zeit bis zur Pensionierung gestalten möchten, oft nicht äussern oder schlicht die Zeit im Alltag nicht finden, um konkrete Schritte zu planen», sagt Yvonne Seitz.

Auch Weiterbildungen seien wider Erwarten kein primäres Anliegen. «Viel eher wünschen sich die befragten Mitarbeitenden, ihr eigenes Wissen und ihre Erfahrungen weiterzugeben.» Bei der Axa denkt man darum zusammen mit Mitarbeitenden über 50 darüber nach, wie dies konkret umgesetzt werden könnte. Ein Göttisystem, Jobsharing-Möglichkeiten mit jüngeren Kolleginnen und Kollegen oder einen Expertenpool sind dabei nur einige der eingebrachten Ideen. Wichtig ist aber: «Die Gruppe der erfahrenen Mitarbeitenden ist sehr heterogen und die Bedürfnisse sind dementsprechend unterschiedlich. Der Umgang mit Vielfalt generell muss daher ein wesentlicher Pfeiler unserer Unternehmenskultur sein», sagt Yvonne Seitz.

Abbild der Gesellschaft

Auch Novartis pflegt nach eigenen Aussagen eine Kultur der Vielfalt und Integration. «Dabei erstreckt sich das Engagement des Unternehmens über verschiedene Kernbereiche: Geschlecht, Kultur, Befähigung, (Arbeits-)Stil und eben auch Alter», sagt Valerie Gürtler-Doyle, Head Diversity & Inclusion Switzerland. Die Aus- und Weiterbildungsangebote stehen allen Altersgruppen offen. Trotzdem gibt es eine Reihe von Kursen für die Generation 50+. Unter anderem wurde zudem ein HR-Programme entwickelt, um es pensionierten Mitarbeitenden auf Managementstufe zu ermöglichen, Wissen und Erfahrung auch im Ruhestand weiterzugeben. Sie können damit ihre spezifischen Erfahrungen in den Bereichen Consulting, Coaching, Projektmanagement und Stand-in Assignment auch nach ihrer Pensionierung noch einsetzen. Das ermögliche einen flexiblen, fliessenden Übergang vom Berufsleben in den Ruhestand und gleichzeitig behalte das Unternehmen wertvolles Know-how und langjährige Erfahrung und Vernetzung, sagt Valerie Gürtler-Doyle.

Weiterführende Infos:

 

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos
Weitere Artikel von Stefanie Schnelli