Lohngleichheit: Das sagen die Unternehmen
Nachdem freiwillige Massnahmen nicht zum gewünschten Erfolg geführt hatten, schlug der Bundesrat im Oktober 2014 vor, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit 50 und mehr Mitarbeitenden dazu verpflichtet werden sollten, regelmässig eine interne Lohnanalyse durchzuführen. Diese Ankündigung trug dazu bei, dass innert weniger Monate zahlreiche Studien zur Lohngleichheit durchgeführt wurden. Besonders interessant erscheinen in diesem Zusammenhang insbesondere die Ergebnisse zweier Studien, in denen Unternehmen sich direkt äussern konnten.
Mehrere Studien haben sich mit dem Thema Lohngleichheit in der Schweiz befasst. (Bild: 123RF)
Die erste Studie wurde vom Bundesamt für Justiz und dem Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann bei Infras in Auftrag gegeben. Aus der gesamten Schweiz nahmen 1305 Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten (Rücklaufquote 48%) teil. 50 dieser Unternehmen wurden zusätzlich telefonisch vertieft befragt. Die zweite Studie wurde für das Centre Patronal durch M.I.S. Trend erstellt und umfasste 660 Unternehmen in der Romandie.
Die Ergebnisse dieser gross angelegten Studien ermöglichen uns besser zu verstehen, was die Unternehmen im Bereich der Lohngleichheit tun und wie sie zum Entwurf des Bundesrates stehen.
Die meisten Unternehmen überprüfen nicht, ob ihre Lohnpraxis gleichstellungskonform ist
Beide Studien zeigen, dass nur etwa ein Drittel der Unternehmen ihre Lohnpraxis bereits auf die Einhaltung der Lohngleichheit zwischen Frau und Mann überprüft hat (27% der befragten Unternehmen bei Infras und 34% bei M.I.S.Trend). Die Daten der Infras-Studie zeigen zudem, dass lediglich 6 Prozent derjenigen Unternehmen, die ihre Lohnpraxis noch nicht überprüft haben, die Absicht haben, eine solche Analyse durchzuführen.
Dies kann jedoch nicht auf mangelndes Interesse der Unternehmen an der Gleichstellungsfrage zurückgeführt werden, wird doch ganz im Gegenteil die Gleichstellung der Geschlechter als wichtiger Bestandteil der Personalpolitik betrachtet. Vielmehr scheinen Unternehmen ihre Lohnpraxis deshalb nicht zu überprüfen, weil sie der Überzeugung sind, dass bei ihnen die Lohngleichheit bereits eingehalten ist. Tatsächlich sind 77 Prozent der von M.I.S. Trend befragten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber der Auffassung, dass in ihrem Unternehmen die Lohngleichheit vollumfänglich realisiert sei.
Aus Sicht der Betriebe ist dieses Vertrauen in das eigene Lohnsystem durchaus nachvollziehbar. Dies umso mehr, wenn sich das Lohnsystem auf eine analytische Arbeitsbewertung unter Einbezug von geschlechtsneutralen Faktoren stützt, wodurch das Geschlecht a priori keine Rolle bei der Festsetzung des Lohnes spielt, oder wenn ein GAV zur Anwendung kommt.
Hingegen ist es durchaus möglich, dass sich bei der Umsetzung eines Lohnsystems im Laufe der Zeit ungewollt Ungleichheiten einschleichen. Ein solches Risiko kann nicht völlig ausgeschlossen werden. So stellt die Einhaltung eines GAV beispielsweise keineswegs die Einhaltung der Lohngleichheit sicher. In diesem Zusammenhang ist die Feststellung interessant, dass die Hälfte der von Infras befragten Unternehmen, die ihre Lohnpraxis überprüft haben, anschliessend Korrekturmassnahmen ergriffen haben. Es erscheint daher angebracht, es den 16 Prozent der von Infras befragten Unternehmen gleich zu tun und regelmässig ein Monitoring der Lohnpraxis vorzunehmen. So können Unternehmen sicherstellen, dass ihre Lohnpraxis auch tatsächlich gleichstellungskonform ist.
Die Unternehmen verwenden verschiedene Methoden zur Kontrolle ihrer Lohnpraxis
Gemäss den Ergebnissen der Infras-Studie analysieren 67 Prozent der Unternehmen ihre Lohnpraxis selber. Die meisten (57%) nehmen einen direkten Vergleich der Löhne vor, 31 Prozent verwenden eine Regressionsmethode und 12 Prozent nutzen ein geschlechtsneutrales analytisches Arbeitsbewertungssystem.
Diese Feststellungen sind kurz zu kommentieren, denn der direkte Lohnvergleich kann aufgrund seiner subjektiven Perspektive problematisch sein. Für eine Person ohne juristische Kenntnisse kann es durchaus schwierig sein zu beurteilen, welche nichtdiskriminierenden Faktoren für die Rechtfertigung von Lohnunterschieden zulässig sind, und in welchem Ausmass dies zutrifft. Diese Problematik verschärft sich nochmals, wenn anstelle von zwei Einzelpersonen zwei Personengruppen verglichen werden. Bisher hat das Bundesgericht lediglich zwei Methoden zur Kontrolle der Lohngleichheit zugelassen: die statistische Methode der Regressionsanalyse und die Arbeitsbewertung, anhand welcher der Wert von Funktionen bestimmt werden kann.
Die Unternehmen halten das Instrument des Bundes für das Erkennen von Lohnungleichheiten für geeignet
Gemäss den Ergebnissen der Studie von Infras haben 66 Prozent der Unternehmen, die intern und ohne Hilfe von aussen eine statistische Analyse ihrer Lohnpraxis durchgeführt haben, das vom Bund kostenlos zur Verfügung gestellte Instrument Logib verwendet. Ausserdem wurde etwa die Hälfte der extern durchgeführten Analysen mithilfe von Logib vorgenommen. 72 Prozent derjenigen Unternehmen, die Logib verwendet haben, beurteilen dieses Instrument als geeignet, um Lohnungleichheiten zwischen Frauen und Männern zu eruieren.
Die an Logib geäusserte Kritik betrifft hauptsächlich dessen Standardisierung. Da Logib mit der Zielsetzung entwickelt wurde, von allen Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden verwendet werden zu können, wurde nur eine begrenzte Anzahl von Faktoren in das Analysemodell mit einbezogen. Im Einzelfall ist es daher möglich, dass weitere unternehmensspezifische, nichtdiskriminierende lohnrelevante Faktoren vorhanden sind, die in Logib nicht berücksichtigt wurden. Aus diesem Grund kommt das Instrument mit einer Toleranzschwelle von fünf Prozent zur Anwendung. Trotz dieser Kritik sind lediglich 16 Prozent der Unternehmen der Meinung, dass Logib noch weitere Variablen einbeziehen sollte. So ergaben die diesbezüglich durchgeführten vertiefte Befragungen durch Infras, dass 85 Prozent der Unternehmen die Beibehaltung des bestehenden Modells mit einer Toleranzschwelle von fünf Prozent einem Modell mit zusätzlichen Variablen und einer geringeren Toleranzschwelle klar vorziehen.
Unternehmen, die Logib verwendet haben, schätzen den Aufwand auf zwei Arbeitstage für mittlere Unternehmen (50 bis 249 Mitarbeitende), auf drei Tage für grosse Unternehmen (250 bis 999 Mitarbeitende) und auf acht Tage für sehr grosse Unternehmen (mehr als 1000 Mitarbeitende). Bei einer wiederholten Durchführung halbiert sich dieser Aufwand. Folglich ist es nicht überraschend, dass 90 Prozent der Unternehmen den mit der Kontrolle verbundenen Verwaltungsaufwand als gering beziehungsweise sehr gering beurteilen.
Die Unternehmen begrüssen den Gesetzentwurf des Bundesrates
Gemäss den Ergebnissen der von M.I.S. Trend durchgeführten Untersuchung beurteilen 76 Prozent der Unternehmen den Gesetzentwurf als nützlich oder akzeptabel. Die Resultate der Infras-Studie bestätigen diese Tendenz, wobei zwei Drittel der vertieft befragten Unternehmen staatliche Massnahmen zur Verwirklichung der Lohngleichheit für sachdienlich halten. Bemerkenswert ist, dass gemäss derselben Studie 38 Prozent der Unternehmen der Ansicht sind, dass diese Kontrollen auch auf Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten ausgedehnt werden sollten.
Abschliessend stellen die Unternehmen gewisse Forderungen bezüglich der Einführung solcher Kontrollen. Sie verlangen gemäss der M.I.S. Trend-Studie , dass eine Toleranzschwelle von fünf Prozent beibehalten wird, dass die Möglichkeit bestehen soll, Lohnunterschiede zu erklären, dass diese Kontrollen staatlich finanziert werden, dass sie nicht allzu häufig stattfinden sollen (zwischen 3 und 5 Jahren), und dass im Falle von Diskriminierung keine Sanktionen ausgesprochen werden sollen. Zudem sollten Lohnunterschiede nicht innert einer vorgegebenen Frist korrigiert werden müssen und die Unternehmen möchten die freie Wahl der Methode haben.
Zusammenfassung
Die Einhaltung der Lohngleichheit ist für die Unternehmen offensichtlich ein wichtiger Grundsatz. Zahlreiche der befragten Betriebe sind davon überzeugt, dass sie diesen Grundsatz einhalten, ohne jedoch einen « Beweis » dafür zu haben. Von denjenigen Betrieben, die etwas unternommen haben, um sich diesbezüglich Sicherheit zu verschaffen, könnte ein beträchtlicher Teil auf ungeeignete Methoden zurückgegriffen haben. Das vom Bund zur Verfügung gestellte Instrument Logib wird von den Unternehmen als geeignet, einfach in der Handhabung sowie bezüglich Verwaltungsaufwand als kostengünstig beurteilt. Insgesamt begrüssen die Unternehmen unter gewissen Voraussetzungen die Einführung der staatlichen Massnahmen.
HIntergrundinformation
Der Vernehmlassungsentwurf zur Änderung des Gleichstellungsgesetzes betrifft nur Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitenden. Der Entwurf betrifft damit nur zwei Prozent der Unternehmen, hat aber Auswirkungen auf 54 Prozent der Erwerbstätigen in der Schweiz. Er sieht vor, dass Unternehmen alle vier Jahre anhand einer anerkannten Methode eine Lohnanalyse durchführen müssen. Anschliessend haben sie deren Durchführung durch Dritte, namentlich Revisionsunternehmen oder staatlich anerkannte Selbstregulierungsorganisationen zu gewähren. Sie können dazu auch Arbeitnehmendenvertretungen beiziehen.
Geprüft werden soll dabei nur, ob die Lohnanalyse korrekt durchgeführt wurde, nicht aber das Ergebnis selber. Die Kontrollstellen sollen verpflichtet werden, zuhanden der Leitung des kontrollierten Unternehmens einen Bericht darüber zu erstellen, ob die Lohnanalyse korrekt durchgeführt worden ist. Spätestens ein Jahr nach Erhalt dieses Kontrollberichts haben die Betriebe ihre Mitarbeitenden über das Ergebnis der Kontrolle zu informieren. Börsenkotierte Gesellschaften müssen das Ergebnis zudem im Anhang zur Bilanz aufführen, damit die Aktionäre über die Bemühungen zur Einhaltung der Lohngleichheit informiert werden.