Macht Diversität Ihr Unternehmen gesund?
Zwar gehört Diversität schon seit Jahrhunderten zur Schweiz, doch Faktoren wie unterschiedliche ethnische Herkunft, Sprachprobleme oder Altersunterschiede vergrössern zunehmend das Konflikt- und Stresspotenzial. Vielfalt sollte daher auch unter dem Aspekt der Gesundheitsförderung betrachtet werden.
Die Internationalisierung verändert den Arbeitsalltag. Je gesünder die Angestellten sind, desto besser können sie mit dem Wandel umgehen. (Foto: 123RF)
In der Vergangenheit ging es bei Diversität hauptsächlich darum, politisch korrekt und tolerant zu sein. Mit der zunehmenden Globalisierung und der damit verbundenen Migration kam das Thema der ethnischen Vielfalt hinzu. Obwohl diese Themen nach wie vor aktuell sind, wird heute im Zusammenhang mit Diversität übergreifender über die positive Gestaltung der Arbeitsbeziehungen von heterogenen Belegschaften diskutiert.
Möchten sich Unternehmen im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter als attraktive Arbeitgeber für Menschen mit unterschiedlichen Lebenszusammenhängen positionieren, müssen sie sich intensiv mit den vielen Facetten von Unterschiedlichkeit beschäftigen. Denn aktuell kommen noch weitere Entwicklungen hinzu: einer-seits die immer älter werdenden Belegschaften, deren Anforderungen sich von denen der jungen Generation unterscheiden – Themen wie Gesundheit sowie Prävention gewinnen wegen der Demografie an Bedeutung. Andererseits verstärkt die Internationalisierung die Zuwanderung von qualifizierten Mitarbeitern. In regelmässig wechselnden Teamkonstellationen treffen nun vermehrt verschiedene Arbeitskulturen, Qualifikationen und Wertvorstellungen aufeinander.
Vielfalt – ein Stressfaktor?
In der Regel wird Vielfältigkeit mit Nutzen und Gewinn für das Unternehmen verbunden. So gelten heterogene Gruppen als anpassungsfähiger bezüglich sich verändernder Umweltbedingungen und als kreativer bei Problemlösungsansätzen. Überdies kann sich ein gemischt zusammengesetztes Team besser mit den Wünschen einer heterogenen Kundschaft auseinandersetzen.
Die aktive Umsetzung eines Diversity Managements wirkt sich auch positiv auf der Kostenseite aus. Ein Arbeitsumfeld, in dem Platz für Individualität ist, steigert die Zufriedenheit und die Bindung ans Unternehmen. Im Gegenzug sinken die Ausfallzeiten der Mitarbeiter und die Personalmarketing-Kosten aufgrund niedrigerer Fluktuation.
So betrachtet scheint Vielfalt nur Vorteile zu haben. Allerdings zeigt die Praxis, dass der Mehraufwand nicht zu unterschätzen ist. Gerade in der Wandlungsphase von der monokulturellen zur multikulturellen Organisation müssen ausreichende Ressourcen zur Verfügung stehen, damit die zusätzliche Arbeit nicht zur Belastung wird.
Auch können in heterogenen Belegschaften Konflikte entstehen, die in einem homogenen Umfeld nicht in diesem Ausmass auftreten. Vor allem, wenn in Teams mit häufigen Wechseln Integrationsschwierigkeiten bestehen und diese nicht rechtzeitig erkannt beziehungsweise moderiert werden. Dann wird Vielfalt zum gesundheitsschädigenden Stressfaktor, hervorgerufen durch unterschiedliche Wertvorstellungen, zwischenmenschliche Konflikte oder Kommunikationsschwierigkeiten.
Entsprechend gilt es, sich darüber Gedanken zu machen, wie Stressfaktoren von vornherein zu vermeiden beziehungsweise frühzeitig zu erkennen sind. Wer punktuell das Stressgeschehen im Unternehmen analysieren möchte, kann dies zum Beispiel mit dem Stressbarometer S-Tool der Gesundheitsförderung Schweiz tun. Die automatische Auswertung des webbasierten Fragebogens liefert Ergebnisse auf Team-, Abteilungs- und Unternehmensebene, die für das Stressgeschehen relevant sind.
Nationale BGF-Tagung
Wer sich intensiver mit dem Thema Diversität und Gesundheit auseinandersetzen möchte, kann dies an der Nationalen Tagung für betriebliche Gesundheitsförderung tun. Unter dem Motto «Mehr Wert durch Vielfalt: gesunde Teams und Führung» wird am 21. August 2013 an der Universität Zürich aktuelles Fachwissen zu den Dimensionen Konflikte und Stress im Zusammenhang mit Vielfalt in Unternehmen ausgetauscht.
Weitere Informationen: www.gesundheitsfoerderung.ch/tagung
Gesundheit ermöglicht Vielfalt
Im Grunde genommen ist berufliche Tätigkeit nicht gesundheitsschädigend. Im -Gegenteil, sie beinhaltet eine Reihe gesundheitsförderlicher Potenziale. Ein Arbeitsumfeld mit Handlungs- und Entscheid-ungs-spielraum, vielseitiger Tätigkeit sowie Anerkennung und Wertschätzung hat eine leistungssteigernde wie auch motivierende Wirkung. Ein solches Umfeld fördert die individuelle Gesundheit und ermöglicht es, bis ins Pensionsalter fit zu bleiben.
Auch Unterschiedlichkeit ist nichts, was die Gesundheit der Mitarbeiter schädigen könnte. Aber es müssen die richtigen Voraussetzungen geschaffen worden sein und man sollte präventiven, gesundheitsfördernden Massnahmen eine hohe Priorität einräumen.
Diese Notwendigkeit zeigt sich einerseits im Zusammenhang mit den immer älter werdenden Belegschaften. Wer die Arbeitsfähigkeit der Arbeitnehmer möglichst lange erhalten will, muss sich darüber Gedanken machen, wie das Arbeitsumfeld und die -inhalte gesundheitsverträglich gestaltet werden können. Andererseits bringen multikulturelle Umgebungen ein vergrössertes Konflikt- und Stresspotenzial mit sich – wer körperlich und psychisch gesund ist, findet sich besser in wechselnden und herausfordernden Situationen zurecht. Gesundheit ist somit ein Erfolgsfaktor für Vielfältigkeit.
Mit KMU-vital steht ein modulares, in der Praxis erprobtes Programm zur Verfügung, das Unternehmen ganzheitlich analysiert und konkrete Vorgehensweisen vorschlägt. Mit ihm lassen sich wichtige Faktoren des Diversity Managements, wie zum Beispiel die Arbeitsgestaltung, die Zusammenarbeit im Team oder das Stressmanagement, nachhaltig zusammenstellen.
Label macht BGM sichtbar
Die Vielseitigkeit des Themas Diversität, auch in Bezug auf die Gesundheit, stellt die Verantwortlichen vor zahlreiche Herausforderungen. Um den unterschiedlichen Anforderungen gerecht zu werden und um Diversität nachhaltig zu institutionalisieren, empfiehlt es sich, systematisch vorzugehen und das Befinden der Mitarbeiter immer wieder zu überprüfen.
Um erfolgreiche Bemühungen nach aussen zu tragen, können sich Unternehmen mit dem Label Friendly Work Space zertifizieren lassen. Die Beurteilung erfolgt anhand von sechs Qualitätskriterien: 1. Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) und Unternehmenspolitik, 2. Aspekte des Personalwesens und der Arbeitsorganisation, 3. Planung von BGM, 4. Soziale Verantwortung, 5. Umsetzung von BGM, 6. Gesamtevaluation von BGM.
Fazit
Der permanente Wandel im Arbeitsumfeld macht es für Unternehmen notwendig, sich intensiv mit der zunehmenden Vielfalt auseinanderzusetzen. So kann sichergestellt werden, dass aus gesundheitsgefährdenden Faktoren gesundheitsfördernde Potenziale entstehen.
Vielfalt in der Praxis I
Baudepartement Stadt Winterthur: Gesundheitsmassnahmen für vier Ämter
«In der Linie ist Gesundheit vermehrt ein Thema»
Frau Briner, Sie haben 2012 das Projekt «Wir bauen auf Gesundheit» gestartet. Was ist besonders daran?
Melanie Briner*: Wir initiierten dieses Projekt, nachdem wir in einer Personalbefragung nicht so gute Resultate bei den Nacken- und Rückenbeschwerden erhalten hatten. Unser betrieblicher Gesundheitskoordinator und ich mussten entscheiden, starten wir ein Projekt für jedes unserer vier Ämter – Tiefbau, Baupolizei, Städtebau und Vermessung – oder eines für alle zusammen. In diesen Ämtern arbeiten 330 Personen, von der Entsorgung bis zur Denkmalpflege, da existieren ganz verschiedene Bedürfnisse bezüglich Gesundheitsmassnahmen.
Und dennoch haben Sie sich für nur ein Projekt entschieden?
Ja, und somit für Vielfalt innerhalb des Massnahmenkatalogs. Um diesen sinnvoll zusammenstellen zu können, gab es eine Arbeitsgruppe im Sinne eines Gesundheitszirkels, mit Teilnehmern aus jedem Bereich, vom Brandschutzexperten über den Leiter Administration bis zum Kehrichtbelader. In diesen Zirkel flossen Infos aus den Personalbefragungen sowie die Meinungen der Bereichsleiter, die wir zum Thema Gesundheit befragten.
Für welche Massnahmen haben Sie sich schliesslich entschieden?
Die Geschäftsleitung gab für acht Massnahmen, die der Gesundheitszirkel erarbeitet hatte, grünes Licht. Wir fördern nun die Flüssigkeitszufuhr und eine gesunde Ernährung, wir optimieren die Büro- und die Betriebsarbeitsplätze ergonomisch, beteiligen uns versuchsweise in einer Abteilung an einem Gruppensportpass, haben einen Ruheraum eingerichtet und es sind Kursangebote zum Umgang mit schwieriger Kundschaft sowie zu Stress- und Ressourcenmanagement geplant.
Ihr Fazit?
Natürlich kann der einzelne Mitarbeiter nicht alle Massnahmen nutzen – aber doch mehrere. Das Interesse im Departement ist da, wir konnten das Bewusstsein fürs Thema wecken. Und auch in der Linie ist Gesundheit vermehrt ein Thema.
- *Melanie Briner, Personalleiterin, Personaldienst Bau, Stadt Winterthur
Vielfalt in der Praxis II
Die Schweizerische Post: Integration von Menschen mit Behinderung
«Die Zusammenarbeit im Team verbessert sich»
Herr Moser, warum holen Sie Leute aus geschützten Werkstätten ins Unternehmen?
Fritz Moser*: Die Integration von Menschen mit Leistungsbeeinträchtigung ist in unserer Personalstrategie verankert. Unsere Bemühungen gehen vor allem dahin, eigene Mitarbeitende mit längerer gesundheitlicher Absenz wieder einzugliedern, um Rentenfälle zu vermeiden. Seit 2009 werden aber auch externe Personen mit geis-tiger, psychischer oder körperlicher Behinderung mit einem Personalverleihvertrag integriert. Von diesem Angebot profitieren inzwischen 33 Personen, die schweizweit auf 14 Betriebe verteilt sind. Sie arbeiten in allen Bereichen, vom Backoffice bis zur Logistik.
Was bringt dieses Projekt für die Involvierten?
Die Menschen mit Behinderung sind sehr motiviert, integriert zu werden. Sie wollen eine Arbeit machen, die geschätzt wird. Auch das Team profitiert: Die Zusammenarbeit verbessert sich, man hilft sich mehr gegenseitig. Die Zufriedenheit steigt, wie unsere jährliche Personalumfrage zeigt. Für Menschen ohne Behinderung relativieren sich zudem die eigenen Probleme.
Wie profitiert das Gesamtunternehmen?
Wir sammeln Erfahrungswissen, das uns hilft, IV-Fälle im Gesamtbetrieb zu verhindern. Wir verhalten uns sozialverantwortlich, was auch unserer Reputation zugutekommt. Und es gibt Firmen, die sich dank unserer Erfahrungen ebenfalls des Themas angenommen haben.
Was ist bei einem solchen Projekt zu beachten?
Es braucht vorgängig eine offene Information, um das Verständnis der Angestellten zu fördern. Zudem sollte so ein Projekt nicht während einer Reorganisation gestartet werden. Es kommt Menschen mit Behinderung entgegen, wenn die Arbeitsplätze überschaubar und die Einheiten klein und stabil sind. Sie schätzen Teilzeitjobs und eine regelmässige Leistungsbeurteilung. Und ganz wichtig: Sie wollen nicht eine Schonbeschäftigung, sondern einen richtigen Job.
- *Fritz Moser, Projektleiter, Secure Post, Die Schweizerische Post
- Interviews: fm
Weiterführende LInks
Das BGM-Label Friendly Work Space:
www.gesundheitsfoerderung.ch/label
Stress-Barometer für Firmen: www.s-tool.ch
Das Projekt SWiNG (Stressmanagement, Wirkung und Nutzen betrieblicher Gesundheitsförderung):
www.gesundheitsfoerderung.ch/swing
Werkzeuge für die Gesundheitsförderung:
www.kmu-vital.ch
Studien, Hintergrundwissen:
www.gesundheitsfoerderung.ch/pages/Betriebliche_Gesundheitsfoerderung/G…
Die Links stammen von der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz. Sie wird von Kantonen und Versicherern getragen. Mit gesetzlichem Auftrag initiiert, koordiniert und evaluiert sie Massnahmen zur Förderung der Gesundheit. Die Stiftung unterliegt der Kontrolle des Bundes. Oberstes Entscheidungsorgan ist der Stiftungsrat. Die Geschäftsstelle besteht aus Büros in Bern und Lausanne. Jede Person in der Schweiz leistet einen jährlichen Beitrag von 2.40 Franken zugunsten der Gesundheitsförderung Schweiz, der von den Krankenversicherern eingezogen wird.