Ratgeber

Management von Personalrisiken –
 eine Fallstudie liefert wertvolle Ansätze

Während bekannte Risiken wie Ausfallrisiken oder Liquiditätsrisiken anhand ausgefeilter Risikomodelle verfolgt werden, ist die Beschäftigung mit dem Begriff Personalrisiko noch relativ neu. Personalrisiken werden heute als Teil der operationellen Risiken betrachtet. Sie können detailliert dargestellt und mit gezielten Massnahmen unter Kontrolle gebracht werden.

Das Deliktrisiko trifft eine Bank in Gestalt unerlaubter Handlungen oder Straftaten wie Betrug und Veruntreuung. Weil Leistungs- und Know-how-Träger zuweilen aus Sicht der Unternehmung zum falschen Zeitpunkt den Arbeitgeber verlassen, bergen sie ein Austrittsrisiko. Das Motivationsrisiko beschreibt einen verminderten Leistungswillen. Das Engpassrisiko meint den Umstand, dass mangels ausreichender oder ausreichend qualifizierter personeller Kapazitäten Projekte oder Vorhaben nicht in der gewünschten Zeit oder Qualität abgeschlossen werden. Technologieentwicklungen und daraus resultierende zusätzliche oder neue Aufgabenfelder werden als Anpassungsrisiko bezeichnet.

Schwierige Quantifizierung

In der Anfangsphase sind mögliche Risiken gar nicht bekannt und müssen zunächst eruiert werden. Später können sich die erfassten Risiken verändern und/oder es entstehen neue Risiken. Das schwierigste Unterfangen besteht in der Quantifizierung der Personalrisiken. Neben der häufig stiefmütterlichen Behandlung qualitativer Aspekte sind auch die Verlustdatenreihen bezüglich Validität und Umfang noch klar ausbaufähig. Weiche Faktoren wie eine reduzierte Motivation von Mitarbeitenden oder deren Austritt können häufig nur abgeschätzt werden und halten nicht allen Risikomodellen stand. Können etwa bei Marktrisiken in Banken Value-at-Risk-Modelle angewendet werden, fehlt bei den Personalrisiken die Datengrundlage. Zudem fehlt – im Gegensatz zu den Ausfallrisiken – bei den Personalrisiken der zentrale Zusammenhang zwischen Risiko und Ertrag. Dies bedeutet, dass ein Personalrisiko normalerweise kein Mehr an Ertragschancen bringt.

Personalrisiken treten in jeder Unternehmung auf. In der Bankenbranche bestehen regulatorische Vorschriften für Personalrisiken. Bei den neuen Eigenkapitalvorschriften (Basel II) wurden per 1. Januar 2008 die operationellen Risiken mitberücksichtigt, wobei je nach gewähltem Modell bis maximal 15 Prozent des Bruttoertrags mit Eigenkapital unterlegt werden muss. Personalrisiken sind ein wichtiger Bestandteil der operationellen Risiken und haben – auch wegen der Diskussion und Einführung der zusätzlichen Regulierung – an Bedeutung gewonnen. Beruht das regulatorische Messverfahren auf dem fortschrittlichsten der möglichen Ansätze, sind für die einzelnen Geschäftsbereiche und Risikotypen die nötigen Informationen bereitzustellen. Dies erfordert eine Schätzung der Wahrscheinlichkeit des Verlusteintritts und der Verlusthöhe. Die auf diese geschätzten Daten anzuwendenden Unterlegungssätze werden aufgrund branchenweiter Datensammlungen vom Regulator vorgegeben.

Branchenneutraler Teamansatz

Die angesprochene Methode muss in der Lage sein, unerwartete Verluste (etwa den plötzlichen Ausfall einer Schlüsselperson) basierend auf einer Kombination interner und externer Verlustdaten, Szenarioanalysen und Faktoren, die das Geschäftsumfeld widerspiegeln, vernünftig zu schätzen. Dieses Unterfangen ist gerade hinsichtlich von Personalrisiken schwierig. Es fehlen einerseits Verlustdatenreihen und andererseits ist der Austausch zwischen Unternehmen bezüglich Personalrisiken heikel und gehört häufig zu den gut gehüteten Geheimnissen. Die «Zurich Hazard Analysis (ZHA)»-Methode hat sich für das Management von Personalrisiken bewährt. Sie beruht auf einem branchenneutralen Teamansatz und wird systemunterstützt auf der Basis eines Self Assessment durchgeführt. Die ZHA-Methode folgt dem Regelkreis des Risiko-Managements und umfasst die Schritte der Identifikation, Bewertung, Steuerung, Kontrolle sowie die Weiterentwicklung.

Es braucht griffige Schnittstellen

Eine Untersuchung bei der Zürcher Kantonalbank im Bereich Operations hat 38 Risikoarten zu Tage gebracht, welche mit rund 100 Massnahmen vermindert werden können. Als bedeutendste Risiken wurden ein falsches Mitarbeiterportfolio, der Ausfall von Mitarbeitenden, zu häufige Reorganisationen, eine mangelnde Attraktivität des Arbeitgebers sowie das Fehlverhalten von Mitarbeitenden geortet. Insgesamt liefert die Fallstudie wertvolle Informationen für das Management von Personalrisiken.

Die vorgestellte Methode bildet eine Grundlage für den Aufbau einer Verlustdatenbank und damit der gewünschten Zeitreihen. Die regulatorisch vorgeschriebene Verlustdatenbank kann neben vorgefallenen Verlustfällen auch qualitative Informationen aus dem beschriebenen Self Assessment verarbeiten. Nicht berücksichtigt wurde die Einbindung externer Daten. Zum heutigen Zeitpunkt ist die regulatorische Unterlegung noch wenig relevant. Aufgrund der Bedeutung und Wichtigkeit von Personalrisiken ist jedoch nicht nur regulatorischen Anforderungen zu genügen. Im Interesse eines vollständigen und griffigen Risikomanagements sind sämtliche Gebiete im Bereich der Personalrisiken zu entwickeln. Dies wiederum auch, um mögliche regulatorische Eingriffe frühzeitig zu antizipieren. Dazu braucht es griffige Schnittstellen zwischen Risikomanagement und dem HR Management.

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Lorenz Klöti ist Projektleiter bei der Zürcher Kantonalbank. Er ist Autor des Buchs «Personalrisiken. Qualitative und quantitative Ansätze für das Management von Personalrisiken», Haupt-Verlag 2008.

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