Gerade deshalb müssten sämtliche Prozesse so einfach und transparent wie möglich gestaltet sein: «Im System darf es kein Chichi geben, es dürfen keine Hürden und nur wenige Approval-Schleifen eingebaut sein.» Das Ziel müsse doch sein, ereifert sie sich, dass Linienmanager so eigenverantwortlich wie nur irgend möglich arbeiten könnten und nur noch bei ganz sensitiven Fragen wie etwa Jobwechsel oder Salärerhöhungen aufs HR zurückgreifen müssten.
Abgesehen davon sei die neue Arbeitsweise nichts revolutionär Neues, sagt sie: «Ob der Linienmanager sich nun mit dem HR-Berater an einen Tisch setzt oder die Formulare vom Portal herunterlädt, sie ausfüllt und an Peoplelink schickt – mehr Zeit erfordert dies nicht, im Gegenteil, aber eine grundsätzlich andere Einstellung und die Bereitschaft, mit elektronischen Tools zu arbeiten.» Berger ist zuversichtlich, dass die neue Organisationsstruktur in der Schweiz vergleichsweise reibungslos eingeführt werden könne, schliesslich würden in der Schweiz – nicht wie in anderen Ländern – keine Grundsatzdebatten über die Verweigerung an sich geführt.
HR-Business-Partner setzen sich höheren Risiken aus
Sie selbst könne den neuen Prozessen und Strukturen auch deshalb Vorteile abgewinnen, weil sie die Arbeit der Personalverantwortlichen grundsätzlich veränderten: «Als HR-Manager habe ich so doch mehr Zeit, mich mit den Linienmanagern an den Tisch zu setzen und die wirklich wichtigen Fragen zu klären: Was ist für nächstes Jahr geplant? Welche Veränderungen finden im Business statt, welche Trainings sind erforderlich, welche Teambildungsmassnahmen?»
Die streitbare Managerin, die auch Geschäftsleitungsmitglied von Unilever Schweiz ist, betrachtet es explizit als ihre Aufgabe als Business-Partner, Linienmanager hin und wieder herauszufordern, beispielsweise indem sie deren Führungsstil hinterfragt: «Warum machst du deinen besten Verkäufer zum Teamchef? Wer sorgt denn jetzt für das Wachstum der Firma?» Dass sie mit ihrer direkten Art die zwischenmenschlichen Reibungsflächen nicht gerade verkleinert, ist ihr ebenso bewusst wie die Tatsache, dass sie sich damit mitunter sogar Feinde schafft: «Wer sich exponiert, riskiert mehr.» Ihr Verständnis einer Businesspartnerschaft zwischen HR und Linie setze eine gehörige Portion Selbstvertrauen und Widerstandsfähigkeit voraus: «Man bekommt ordentlich zurückgetextet.» Hilfreich sei, sagt sie lächelnd, dass sie auf einige Jahre Geschäftserfahrung zurückblicken könne und sich nicht so leicht ein X für ein U vormachen lasse.
Hohe Anforderungen – nach allen Seiten
Wer mit Susanne Berger zu tun hat, dürfte sich mit hohen Anforderungen konfrontiert sehen – ob als Vorgesetzter oder Mitarbeiter. «Hohe Leistungsbereitschaft ist das Wichtigste jeder Teamarbeit» versteht sich für sie ebenso von selbst wie folgende Forderung: «Wer den Anspruch hat, dem Management anzugehören, sollte sich verantwortlich fühlen für seinen Bereich – ganz so, als wärs das eigene Geschäft.» Sie versuche, die Entscheidungsbefugnis wo immer möglich zu delegieren – so wie sie auch für sich selbst gerne Spielraum in Anspruch nehme.
Bei ihrem gegenwärtigen und letzten Projekt für Unilever ist der Spielraum allerdings sehr klein – am Ende muss sie ihre eigene Funktion abschaffen und sich selbst entlassen. Die Frage, wie es ihr mit dieser Perspektive gehe, beantwortet sie spontan: «Mir gehts gut dabei, es ist eine extrem spannende Aufgabe, bei der ich sehr viel lerne.» Dass es ihr so gut geht, mag auch daran liegen, dass Berger, die wochentags meist am Hauptsitz in Thayngen arbeitet und wohnt, auch ein waches Auge auf ihre Fitness hat: «Meinen sportlichen Terminen räume ich dieselbe Wichtigkeit ein wie meinen Geschäftsterminen.» Anders gesagt: Es wird je einmal wöchentlich Tennis gespielt und die Kraft trainiert – garantiert. Ebenso dürfte ihre familiäre Situation die Gelassenheit nähren: «Ich habe einen unendlich geduldigen Ehemann, der mir zu Hause den Rücken komplett frei hält und Haus und Tochter versorgt.»
Verständlich also, dass sie sich im Moment noch nicht sehr viele Gedanken über ihre berufliche Zukunft macht. Eine ähnlich gelagerte strategische HR-Position in einem international ausgerichteten Unternehmen würde sie reizen, sagt sie. Firmen, bei denen die Aufgaben und Prozesse schon seit Jahren in Beton gegossen sind, dürften sich bei ihr mit Sicherheit vergebens bewerben. Es ist unübersehbar, dass Berger gerne Neues aufbaut und gestaltet oder zumindest Bestehendes umbaut. «Ich sehe meine Aufgabe im Konzeptionellen», bestätigt sie, «im Visionären.» Dort, wo alle anderen sich ebenfalls aufhalten, dürfte ihr Platz nicht sein. Für eine eigene Spur verlässt sie schon mal die vorgegebenen Pisten, nicht nur im Skisport, wo die unberührten Schneefelder sie besonders locken, allerdings nur in Begleitung eines professionellen Bergführers. Das Risiko um des Risikos willen ist – bei aller Abenteuerlust – ihre Sache nicht.
Susanne Berger
Die diplomierte Kauffrau schlug zuerst eine Karriere im Marketingbereich ein. Bei Procter & Gamble stieg sie vom Assistent Brand Manager für Meister Proper zum Marketing Director Cosmetics&Fragrances auf, wo sie für Entwicklung und Implementierung regionaler Marketingstrategien für weltweite Exportmärkte verantwortlich zeichnete. Nach vier Jahren als Marketing Director für den Consumer-Bereich von Johnson & Johnson Schweiz wechselte sie ins HR-Management, wo sie bis 2006 als Regional HR Director von Johnson & Johnson tätig war. Seither ist die 1961 geborene Deutsche National Human Resources Director von Unilever Schweiz. Sie ist verheiratet und Mutter einer neunjährigen Tochter. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten mit der Familie, auf einem Segelboot oder einer Skipiste.