Porträt

«Manager müssen sich verantwortlich 
fühlen, als wärs ihr eigenes Unternehmen»

Für Johnson & Johnson Schweiz hat Susanne Berger das HR-Management aufgebaut, für Unilever Schweiz tut sie das Gegenteil – und rationalisiert dabei am Ende auch ihren eigenen Job weg. Eine Perspektive, die sie kaum stört. Denn ihr Glaube an die Zukunft ist unerschütterlich und die nächste spannende Herausforderung kommt bestimmt.

Den Spruch «Nichts ist so stetig wie der Wandel» hält Susanne Berger zwar für abgedroschen, heutzutage aber auch für «die absolute Wahrheit». Die beiden Unternehmen, für die sie in den letzten drei Jahren tätig war, waren zwar ganz unterschiedlich, in einem Punkt jedoch stimmten sie überein: in der Geschwindigkeit, mit der sie sich verändern mussten.

Bei Johnson & Johnson Schweiz hat sie ein nationales HRM aufgebaut, jetzt, bei Unilever Schweiz, muss sie eines auslagern. So unterschiedlich die Aufgaben sein  mögen, beides waren und sind willkommene Herausforderungen für eine Managerin wie Susanne Berger, die gerne in Bewegung bleibt und beharrlich nach Verbesserungsmöglichkeiten sucht. Den stetigen Wandel vollzieht sie konsequenterweise am eigenen Leib: Pünktlich zum Frühjahresbeginn erscheint sie mit 
weissblondem Haar, pünktlich zum Herbstbeginn lässt sie es wieder dunkel färben. «Seltsamerweise finden immer alle: Diese Farbe passt viel besser zu dir», sagt sie und lacht, wie sie es ganz offensichtlich gern tut: spontan, herzlich, ansteckend.

«Die Basis im HR ist ein gesunder Menschenverstand»

Ihr Curriculum vermittelt den Eindruck, dass es mit Susanne Berger seit zwanzig Jahren immer nur aufwärts geht: von der diplomierten Betriebskauffrau über die Marketingmanagerin zur Personalchefin von Unilever Schweiz. Zielstrebig ist sie auf jeden Fall, dazu auch energisch, kontrolliert und hellwach – dabei aber auch bemerkenswert unverkrampft und natürlich. Ihr Lebensmotto «Ultimate trust in the future» wiederholt sie mehrmals – auf Englisch, ganz so, als fänden sich in der deutschen Sprache keine Worte, die in ähnlich präziser Art dieses Gefühl ausdrücken, das sie offenbar durchs Leben begleitet: ein geradezu blindwütiges Vertrauen darauf, dass letztendlich alles gut wird. Ob es gerade diese Eigenschaft ist, die sie zum Erfolg führt? Immerhin hilft diese Gelassenheit, auf den richtigen Zeitpunkt zu warten oder – wohl eher dem Bergerschen Temperament entsprechend – die Chance zu packen, um daraus Glück zu formen.

«Ist es im Leben nicht manchmal so, dass alles zweifelsfrei auf eine Entscheidung hindeutet?», fragt sie und erwartet keine Antwort. Ihr Wechsel vom Marketing ins HR-Management habe sich so ergeben, erzählt sie, als eine Art logische Konsequenz aus dem Vorhergehenden. Bei ihrem letzten Arbeitgeber, Johnson & Johnson, sei sie einige Jahre lang Marketingchefin gewesen und in dieser Funktion «vor allem People-Manager».

Damals habe sie erfahren, was es bedeute, wenn in einer Organisation keinerlei HR-Management vorhanden sei, wenn es keine Prozesse für die Rekrutierung gebe, kein Performance-Management, keinerlei Unterstützung bei Lohngesprächen. Als nach Jahren die Stelle des HR-Managers neu geschaffen und intern ausgeschrieben wurde, habe sie sich erst gefragt, wen man dafür wohl finden würde. «In dem Moment, als ich mich fragte, ob das etwas für mich sein könnte, habe ich mich entschieden.» Die Hauptmotivation für ihre damalige Bewerbung sei die grosse Chance gewesen, innerhalb eines Konzerns etwas Neues zu kreieren respektive «auf Best Practices zurückgreifen zu können und darauf aufzubauen».

Ihrem Naturell entsprechend hat Susanne Berger diese neue Herausforderung frontal angepackt, mit viel Energie, Freude und Pragmatismus: «Ich bin zutiefst überzeugt davon, dass jede Aufgabe machbar ist – wenn man sie nur in genügend kleine Schritte zerlegt.» Einer dieser kleinen Schritte sei eine Zusatzausbildung im HR-Bereich gewesen, eine «Schnellbleiche», wie sie sie nennt, ein zertifizierter Lehrgang, um das Nötige zu erlernen. Eine Riesensache sei das nicht gewesen, erklärt sie bescheiden – um dann noch unverblümt hinzuzusetzen: «HR ist keine so hohe Kunst.» Sie sieht in den HR-Funktionen hauptsächlich Supportingprozesse, die Basis dazu sei – neben entsprechendem Fachwissen – in erster Linie «gesunder Menschenverstand».

Als eine Person, die stetige Veränderung begrüsst, dürfte sich Susanne Berger bei Unilever von Anfang an gut aufgehoben gefühlt haben, durchläuft der Konzern doch seit Jahren tiefgreifende Umbauphasen. In der Schweiz wurden zwischen 2001 und 2005 erst einmal drei verschiedene Standorte am jetzigen Hauptsitz in Thayngen vereint, was von Restrukturierungsmassnahmen begleitet war, dann, nach einer kurzen Verschnaufpause 2006, während der die Firma nach längerer Zeit auch wieder Wachstum genoss, rollte 2007 bereits die nächste Restrukturierungswelle heran: die Unilever-Zentrale beschloss den weltweiten Abbau von 20000 Stellen, die Schliessung von Fabriken und den Übergang von selbständig geführten Ländergesellschaften zu Multi-Country-Organisationen. In diesen sollen in Zukunft alle Funktionen länderübergreifend organisiert werden.

Für Unilever Schweiz, die neu mit Deutschland und Österreich zu einer Organisation gehört, bedeutet dies, dass sämtliche HR-, Finanz- und Supply-Chain-Funktionen von Hamburg aus gesteuert werden. Auch diesmal läuft die Um- wieder mit einer Restrukturierung Hand in Hand: In der Schweiz werden rund 100 Stellen abgebaut. «Fast 30 Prozent des Personalbestands», präzisiert Berger. Vom Abbau betroffen seien vor allem das oberste und mittlere Management, an anderen Orten werde vorwiegend durch natürliche Fluktuation und Frühpensionierungen eingespart.

«Nicht gleiches Recht, sondern 
gleiche Prinzipien für alle»

Die Umsetzung der Konzernpläne sei sehr komplex, erklärt Berger, nicht zuletzt wegen des ungewöhnlich grossen Umfangs des Outsourcingprojekts. «Alle Aspekte des HR werden an den Outsourcingpartner von Unilever, also Accenture, übergehen.» Es sei faszinierend, aus nächster Nähe zu erleben, wie so ein globaler Blueprint über die Ländergesellschaften rolle und wie diese sich bemühten, ihn auf ihre eigene Weise und in Übereinstimmung mit den kulturellen und legalen lokalen Rahmenbedingungen umzusetzen. «Konsistenz in allen Bereichen zu schaffen», dies ist nicht nur ihre persönliche Ambition bei diesem Projekt, ihrer Ansicht nach ist dies auch die grösste gegenwärtige Herausforderung für global ausgerichtete Konzerne.

Für den HR-Bereich gelte es etwa konkret, «nicht gleiches Recht für alle zu schaffen, sondern gleiche Prinzipien für alle. Es können nicht in einem Land pauschale Lohnerhöhung gewährt werden, während in einem anderen Land leistungsbezogene Erhöhungen erteilt werden.»

HR: vom Klein- zum globalen 
Unternehmen

Für den Kulturschock, den die Mitarbeitenden eines kleinen, familiär geführten Unternehmens wie Knorr erleiden, wenn es von einem Multi wie Unilever übernommen wird, hat Susanne Berger durchaus Verständnis: «Wenn Knorr in Thayngen aufwacht und plötzlich Teil von Global Unilever ist, mögen sich viele wirklich erst die Augen reiben. Welcome to the virtual world!» Wo bislang eine gut ausgebaute Personalabteilung primär dazu da war, für das Wohl der Belegschaft zu sorgen, sind die neuen, schlanken Strukturen durchaus gewöhnungsbedürftig. Sie sei der festen Überzeugung, dass das Outsourcing für den Konzern grundsätzlich die richtige Entscheidung sei, betont Berger, will jedoch nicht verhehlen, dass es allen eine grosse Anpassungsleistung abverlange, insbesondere eines: die Fähigkeit zum Umdenken. «Der Linienmanager muss wieder viel mehr Verantwortung für Peoplemanagement tragen und Prozesse, die er früher einfach dem HR-Manager übertrug,  selber machen oder zumindest selber auslösen.»

Gerade deshalb müssten sämtliche Prozesse so einfach und transparent wie möglich gestaltet sein: «Im System darf es kein Chichi geben, es dürfen keine Hürden und nur wenige Approval-Schleifen eingebaut sein.» Das Ziel müsse doch sein, ereifert sie sich, dass Linienmanager so eigenverantwortlich wie nur irgend möglich arbeiten könnten und nur noch bei ganz sensitiven Fragen wie etwa Jobwechsel oder Salärerhöhungen aufs HR zurückgreifen müssten.

Abgesehen davon sei die neue Arbeitsweise nichts revolutionär Neues, sagt sie: «Ob der Linienmanager sich nun mit dem HR-Berater an einen Tisch setzt oder die Formulare vom Portal herunterlädt, sie ausfüllt und an Peoplelink schickt – mehr Zeit erfordert dies nicht, im Gegenteil, aber eine grundsätzlich andere Einstellung und die Bereitschaft, mit elektronischen Tools zu 
arbeiten.» Berger ist zuversichtlich, dass die neue Organisationsstruktur in der Schweiz vergleichsweise reibungslos eingeführt werden könne, schliesslich würden in der Schweiz – nicht wie in anderen Ländern – keine Grundsatzdebatten über die Verweigerung an sich geführt.

HR-Business-Partner setzen sich 
höheren Risiken aus

Sie selbst könne den neuen Prozessen und Strukturen auch deshalb Vorteile abgewinnen, weil sie die Arbeit der Personalverantwortlichen grundsätzlich veränderten: «Als HR-Manager habe ich so doch mehr Zeit, mich mit den Linienmanagern an den Tisch zu setzen und die wirklich wichtigen Fragen zu klären: Was ist für nächstes Jahr geplant? Welche Veränderungen finden im Business statt, welche Trainings sind erforderlich, welche Teambildungsmassnahmen?»

Die streitbare Managerin, die auch Geschäftsleitungsmitglied von Unilever Schweiz ist, betrachtet es explizit als ihre Aufgabe als Business-Partner, Linienmanager hin und wieder herauszufordern, beispielsweise indem sie deren Führungsstil hinterfragt: «Warum machst du deinen besten Verkäufer zum Teamchef? Wer sorgt denn jetzt für das Wachstum der Firma?» Dass sie mit ihrer direkten Art die zwischenmenschlichen Reibungsflächen nicht gerade verkleinert, ist ihr ebenso bewusst wie die Tatsache, dass sie sich  damit mitunter sogar Feinde schafft: «Wer sich exponiert, riskiert mehr.» Ihr Verständnis einer Businesspartnerschaft zwischen HR und Linie setze eine gehörige Portion Selbstvertrauen und Widerstandsfähigkeit voraus: «Man bekommt ordentlich zurückgetextet.» Hilfreich sei, sagt sie lächelnd, dass sie auf einige Jahre Geschäftserfahrung zurückblicken könne und sich nicht so leicht ein X für ein U vormachen lasse.

Hohe Anforderungen – nach 
allen Seiten

Wer mit Susanne Berger zu tun hat, dürfte sich mit hohen Anforderungen konfrontiert sehen – ob als Vorgesetzter oder Mitarbeiter. «Hohe Leistungsbereitschaft ist das Wichtigste jeder Teamarbeit» versteht sich für sie ebenso von selbst wie folgende Forderung: «Wer den Anspruch hat, dem Management anzugehören, sollte sich verantwortlich fühlen für seinen Bereich – ganz so, als wärs das eigene Geschäft.» Sie versuche, die Entscheidungsbefugnis wo immer möglich zu delegieren – so wie sie auch für sich selbst gerne Spielraum in Anspruch nehme.

Bei ihrem gegenwärtigen und letzten Projekt für Unilever ist der Spielraum allerdings sehr klein – am Ende muss sie ihre eigene Funktion abschaffen und sich selbst entlassen. Die Frage, wie es ihr mit dieser Perspektive gehe, beantwortet sie spontan: «Mir gehts gut dabei, es ist eine extrem spannende Aufgabe, bei der ich sehr viel lerne.» Dass es ihr so gut geht, mag auch daran liegen, dass Berger, die wochentags meist am Hauptsitz in Thayngen arbeitet und wohnt, auch ein waches Auge auf ihre Fitness hat: «Meinen sportlichen Terminen räume ich dieselbe Wichtigkeit ein wie meinen Geschäftsterminen.» Anders gesagt: Es wird je einmal wöchentlich Tennis gespielt und die Kraft trainiert – garantiert. Ebenso dürfte ihre familiäre Situation die Gelassenheit nähren: «Ich habe einen unendlich geduldigen Ehemann, der mir zu Hause den Rücken komplett frei hält und Haus und Tochter versorgt.»

Verständlich also, dass sie sich im Moment noch nicht sehr viele Gedanken über ihre berufliche Zukunft macht. Eine ähnlich gelagerte strategische HR-Position in einem international ausgerichteten Unternehmen würde sie reizen, sagt sie. Firmen, bei denen die Aufgaben und Prozesse schon seit Jahren in Beton gegossen sind, dürften sich bei ihr mit Sicherheit vergebens bewerben. Es ist unübersehbar, dass Berger gerne Neues aufbaut und gestaltet oder zumindest Bestehendes umbaut. «Ich sehe meine Aufgabe im Konzeptionellen», bestätigt sie, «im Visionären.» Dort, wo alle anderen sich ebenfalls aufhalten, dürfte ihr Platz nicht sein. Für eine eigene Spur verlässt sie schon mal die vorgegebenen Pisten, nicht nur im Skisport, wo die unberührten Schneefelder sie besonders locken, allerdings nur in Begleitung eines professionellen Bergführers. Das Risiko um des Risikos willen ist – bei aller Abenteuerlust – ihre Sache nicht.

Susanne Berger

Die diplomierte Kauffrau schlug zuerst eine Karriere im Marketingbereich ein. Bei Procter & Gamble stieg sie vom Assistent Brand Manager für Meister Proper zum Marketing Director Cosmetics&Fragrances auf, wo sie für Entwicklung und Implementierung regionaler Marketingstrategien für weltweite Exportmärkte verantwortlich zeichnete. Nach vier Jahren als Marketing Director für den Consumer-Bereich von Johnson & Johnson Schweiz wechselte sie ins HR-Management, wo sie bis 2006 als Regional HR Director von Johnson & Johnson tätig war. Seither ist die 1961 geborene Deutsche National Human Resources Director von Unilever Schweiz. Sie ist verheiratet und Mutter einer neunjährigen Tochter. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten mit der Familie, auf einem Segelboot oder einer Skipiste.

 

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