Abgrenzung

«Manchmal müssen die Vorgesetzten die Mitarbeiter zwingen, abzuschalten»

Für Eric Waltert, Managing Director bei Cisco Systems Schweiz, ist Leistung nicht an eine bedingungslose Anwesenheit 
gebunden. Und wer abends spät noch eine Mail wegschickt, kann bei ihm sowieso nicht punkten. Denn beim Thema 
ständige Erreichbarkeit erwartet auch Ciscos HR-Leiter Beat Schwab ein hohes Mass an Selbstverantwortung.

Cisco Schweiz hat zum zweiten Mal in Folge den zweiten Platz im Ranking «Great Place to Work» erreicht.  Was fehlt noch zum ersten Platz?

Eric Waltert: Die Umfrage fiel in eine schwierige Zeit, in der wir aus Kostengründen einige Benefits für unsere Mitarbeiter reduzieren mussten. Das hat sicher Punkte gekostet. Dennoch haben wir uns gegenüber dem Vorjahr prozentual verbessert.

Welche Benefits waren das zum Beispiel?

Beat Schwab: Täglich frisches Obst, das wöchentliche gemeinsame Frühstück oder kostenlose Softdrinks. Trotzdem schneiden wir bei Mitarbeiterbefragungen gut ab.

Obwohl Sie auf Kosten der Mitarbeiter gespart haben?

B.S.: Wir mussten uns entscheiden, ob wir Stellen streichen sollten oder solche Zugaben. Das war unsere Antwort auf die Krise. Wir haben auch im Travel-Budget massiv 
gespart. Das gemeinsame Frühstück wollen wir übrigens wieder einführen.

Was macht Ihrer Meinung nach einen 
grossartigen Arbeitsplatz aus?

E.W.: Schöne Büromöbel, gute Sozialleistungen, gute Lage … Im Endeffekt ist aber die Unternehmenskultur das prägende Element.

Worauf legen Sie konkret Wert?

B.S.: Die Mitarbeiter können entscheiden: Gehe ich oder bleibe ich? Sie zu halten, 
ist eine grosse Aufgabe. Zu den Kriterien gehören Unternehmenserfolg, Arbeitsinhalt, Führungscrew und Kollegenkreis. Wobei ja all dies letztlich wieder von der Unternehmenskultur bestimmt wird.

Was setzen Sie bei Cisco von den genannten Punkten um, damit Ihre Mitarbeiter gerne bleiben?

E.W.: Einige Kernziele unserer Unternehmenskultur sind Vertrauen, Fairness, Integrität und offene Kommunikation. Damit man das nicht falsch versteht: Es ist nicht unser Ziel, dass sich jeder möglichst komfortabel fühlt, wir erwarten ganz klar eine Leistung. Doch je besser der Mitarbeiter unsere Ziele und Strategien versteht, desto mehr kann er den Wert seiner Leistungen im gesamten Kontext sehen und seine Rolle im Unternehmen finden.

B.S.: Wir achten sehr darauf, dass bei uns die richtigen Menschen zusammenkommen, und führen bei der Rekrutierung mindestens fünf Interviews, wenn es um Führungspositionen geht, sogar bis zu acht. Wir wollen 
sicherstellen, dass der Kandidat zu unserer Kultur passt. Das funktioniert ganz gut.

In einigen Arbeitgeber-Rankings landen vor allem IT-Unternehmen auf den vordersten Plätzen. Denken Sie, dass besonders diese schnelllebige Branche sich verpflichtet sieht, auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter zu achten?

B.S.: Wir sind natürlich sehr technikverliebt, die Innovation fasziniert unsere Mitarbeiter, und da ist es manchmal schwer, abzuschalten.

Müssen die Chefs die Technikfreaks sogar manchmal dazu zwingen abzuschalten?

E.W.: Ja, das kommt immer wieder vor. Da muss man schon manchmal sagen: «So, du gehst jetzt mal heim und nimmst einen Tag frei.» Ob der Mitarbeiter das Gefühl hat, dass der Vorgesetzte sich um sein Wohl sorgt, ist ein Punkt in unseren internen Befragungen.

Sie haben sich bei Cisco im vorigen Jahr ganz neu eingerichtet. Welchen Einfluss haben äussere Faktoren wie eine moderne Bürolandschaft auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter?

E.W.: Das sollte man nicht überschätzen. Aber die Bürolandschaft kann auf das Zusammenleben durchaus einwirken.

Wie sieht der Gestaltungsschwerpunkt Ihres Arbeitsumfeldes aus?

B.S.: Ich glaube, die Einrichtung muss vor allem zweckdienlich sein.  Wir sind ein virtuelles Unternehmen und die Leute arbeiten in virtuellen Teams. Es ist in der Regel nur ein Drittel der Mitarbeiter im Büro. Wir haben ein Shared-Desk-Konzept. Niemand hat sein eigenes Büro, einen eigenen Schreibtisch. Aber wir haben bei der Gestaltung darauf geachtet, dass es ruhige Räume gibt, in die sich die Mitarbeiter zurückziehen können. Und es gibt Räume speziell für Kundenpräsentationen und für interne sowie virtuelle Meetings. Unsere Cafeteria ist per Standleitung mit den Kollegen in Rolle verbunden, so dass diese sich jederzeit sehen und miteinander sprechen können.

Haben Ihre Teams gemeinsame Rituale?

B.S.: Erfolge gemeinsam feiern. Das kann man gar nicht oft genug tun. Wir feiern auch kleinere Erfolge, das fördert den Zusammenhalt im Team, vor allem in schlechteren Zeiten.

Es kann sich aber nicht den ganzen Tag alles ums Team drehen. Akzeptieren Sie es auch, wenn Mitarbeiter das Bedürfnis haben, sich mal zurückzuziehen?

E.W.: Ganz wichtig ist ein regelmässiger Ausgleich zum Stress. Wir haben ein sehr wirksames Element gefunden, es heisst Flexibilität. Wir gewähren dem Mitarbeiter eine enorme Freiheit. Aus technischer Sicht ist dies nichts Besonderes mehr, arbeiten kann man heute von überall. Jedoch pflegen wir eine ausgesprochene Leistungskultur – im 
Gegensatz zu einer Präsenzkultur. Bei uns schaut der Chef nicht danach, wer wann kommt.

Heisst dies, die Mitarbeiter können selbst entscheiden, wann sie ins Büro kommen?

E.W.: Wenn ich mal wieder in Ruhe mit meiner Familie frühstücken möchte, dann komme ich am Morgen eben erst um zehn Uhr. Das mache nicht nur ich als Chef, sondern das kann sich bei uns jeder trauen.
Wenn sich ein Mitarbeiter nach einem Geschäftstermin Zeit nimmt, einfach mal in einem Café zu sitzen, ist keiner böse. Im Gegenteil, in dieser Zeit kann der Mitarbeiter abschalten und auftanken. Die Leute müssen einen Ausgleich haben. Diese Zeit muss auch nicht am gleichen Tag wieder kompensiert werden.

Ist dies von allen Führungskräften akzeptiert?

E.W.: Selbstverständlich. Weil wir eine solche Kultur pflegen, können wir ruhigen Gewissens auf Massageangebote oder Ruheräume verzichten.

Das klingt ja geradezu nach paradiesischen Verhältnissen ...

E.W.: Meine Assistentin arbeitet an gewissen Tagen von zu Hause aus, wegen der Kinder. Für uns ist Leistung nicht an bedingungslose Anwesenheit gebunden. Wir wollen 100 Prozent Leistungsspektrum. Wer nur 60 Prozent Leistung bringen möchte, arbeitet eben Teilzeit. Es gibt auch Mitarbeiter mit einem Teilzeitvertrag, die stattdessen länger Ferien machen.

B.S.: Wir erfassen die Arbeitszeit nicht und haben auch keine Kontrolle. Dies würde sich auch nicht damit vereinbaren lassen, dass jemand guten Gewissens nachmittags um vier Uhr geht. Wir messen nur die Leistung. Wenn jemand seine Zielsetzung in der Hälfte der Zeit erreicht, ist er entweder überdurchschnittlich gut oder unsere Zielvereinbarung ist falsch. Bei uns gehört es einfach nicht zum guten Ton, dass die Mitarbeiter von 9 bis 17 Uhr im Büro sind.

Sie sind ein IT-Unternehmen, das die Welt quasi vernetzt. Welche Rolle spielen Technik und Multimedia in Ihrem Arbeitsalltag – Stichwort: permanente Erreichbarkeit?

B.S.: Dabei verlangen wir ein hohes Mass an Selbstverantwortung. Wir erwarten nicht, dass Mitarbeiter ständig erreichbar sind. Die Mitarbeiter müssen von Fall zu Fall selbst abwägen. Erreichbar sein ist ja auch eine Art von Commitment. Wir haben keine feste Response-Zeiten.

Wie hoch ist die Toleranz gegenüber Mitarbeitern, die nicht immer verfügbar sein wollen und ihr Mail und ihr Handy auch mal abschalten?

E.W.: Ich halte nichts von einem Wettstreit nach dem Motto «Wer hat abends spät die letzte E-Mail rausgeschickt?».

So etwas fällt bei mir nicht auf fruchtbaren Boden. Das hat alles Zeit bis zum nächsten Morgen. Ich selbst bin da sehr extrem. Niemand bekommt von mir abends oder am Wochenende eine Mail.

Ist eine Auszeit bei Cisco gleichbedeutend mit einem Karriereknick oder können Ihre Mitarbeiter nach ihrer Rückkehr wieder in ihrer alten Position anknüpfen?

B.S.: Wenn ein Mitarbeiter eine Auszeit nimmt, können wir seine Position natürlich nicht unbesetzt lassen – je nachdem, wie lange die Auszeit dauert. Bei seiner Rückkehr erhält beispielsweise ein Sales Manager eine Position auf gleichem Niveau. Bei uns wird niemand zurückgestuft, wenn er eine Auszeit nimmt. Das gilt auch für Familienväter.

Wie viel Verantwortung tragen Unternehmen dafür, ob und dass Mitarbeiter sich einen Ausgleich schaffen?

E.W.: Wir weisen die Mitarbeiter schon von Zeit zu Zeit darauf hin, auf ihre Work-Life-Balance zu achten. Aber spezielle Programme haben wir hierfür nicht. Grössere Cisco-Büros, zum Beispiel in Grossbritannien, haben eigene Fitnessstudios.

Wie hoch würden Sie die Kosten beziffern, die durch gesundheitsfördernde Massnahmen oder durch die relativ grossen Mitarbeiterfreiräume entstehen?

E.W.: Es ist nicht wirklich ein Kostenblock. Der Gewinn durch unsere Flexibilität und die Eigenverantwortung unserer Mitarbeiter schlägt sich eindeutig im Unternehmenserfolg nieder. In höheren Positionen können wir von einer Produktionssteigerung von sogar fünf bis zehn Prozent sprechen.

Eric Waltert (45)

ist seit September 2008 Managing Director bei Cisco Systems (Switzerland) GmbH. Seit 1995 ist er bereits für 
Cisco tätig und verfügt über eine mehr als 15-jährige Erfahrung in der IT- und Telekommunikationsbranche. Vor seiner Tätigkeit als General Manager verantwortete Eric Waltert den Vertrieb für strategische und globale Kunden in den Geschäftsbereichen verarbeitende Industrie, Einzelhandel, Transport und Energieversorger bei Cisco Deutschland.

Beat Schwab (52)

trat vor zwei Jahren bei Cisco Systems (Switzerland) GmbH als HR-Leiter Schweiz und Österreich ein und betreut zusätzlich seit einem Jahr Deutschland. Als HR-Leiter DACH unterstützt er eine Region mit über 1200 Mitarbeitern. Beat Schwab ist seit über 20 Jahren in diversen HR-Funktionen tätig, davon über zehn Jahre in der IT- Branche. Er war unter anderem sieben Jahre als HR-Leiter bei Microsoft für die Schweiz und 
Österreich verantwortlich.

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