Neben dem MBTI buhlt mit dem DISG-Test ein weiteres fragwürdiges Verfahren um die Gunst der Anwender. Der Anbieter wirbt mit 50 Millionen Testungen weltweit und auch in der Schweiz wird der Test häufig genutzt, wie eine Studie aus dem Jahr 2005 gezeigt hat. Interessanterweise gibt es mehrere Parallelen zwischen diesem Test und dem MBTI: Beide basieren auf theoretischen Annahmen aus den 30er- und 40er-Jahren des letzten Jahrhunderts, beide wurden von wissenschaftlicher Seite vielfach kritisiert – und beide Tests sind wirtschaftlich extrem erfolgreich. Eine weitere Gemeinsamkeit besteht darin, dass es nur sehr wenige Untersuchungen zur Aussagekraft der Tests für Berufserfolg von unabhängiger Seite gibt.
Das Entscheidungsproblem
In Weiterbildungskursen beklagen sich die Teilnehmer regelmässig über die völlige Intransparenz des Testmarktes. Daher verwundert es nicht, dass in Ermangelung der eigentlich notwendigen Informationen für viele das wichtigste Entscheidungskriterium die Einsatzhäufigkeit zu sein scheint. «Wir verwenden den Test, weil er von anderen Kollegen ebenfalls eingesetzt wird.» Weiterhin spielen ökonomische Argumente eine wichtige Rolle bei den Anwendern: Wie lang ist die Bearbeitungszeit des Tests? Was kostet er? Der Testmarkt ist für Anwender – und vielfach auch für fachliche Experten, die sich seit Jahren mit dem Thema Persönlichkeitstests beschäftigen – in weiten Teilen zu intransparent. Es fehlen für viele Tests die notwendigen Informationen, um sich fundiert entscheiden zu können. Der Markt hält zwar einige verlockende Angebote bereit, diese stellen sich aber bei genauerer Prüfung als qualitativ minderwertig heraus. Die angebotenen Tests basieren auf Theorien, die zwar sehr modern und ansprechend klingen, die aber in keiner Weise wissenschaftlich fundiert sind. Nicht zuletzt versprechen manche Persönlichkeitstests völlig unrealistische Einsichten in die «Tiefen der Persönlichkeit».
Da sich der Anwender unter Zeit- und Kostendruck auf einem intransparenten Markt orientieren muss, setzt er gezwungenermassen auf Entscheidungsstrategien, die nicht zu optimalen Ergebnissen führen. Ein intransparenter Markt sorgt eben gerade nicht zu einem Aussortieren von fachlich zweifelhaften Verfahren, sondern er führt zu Verzerrungen zugunsten von Testanbietern mit besonders eindrücklichen Websites und einem guten Marketing.
Testrezensionen bieten Übersicht
In den letzten Jahren wurden einige Initiativen ergriffen, um für Anwender mehr Klarheit zu schaffen. Von verschiedenen Fachkommissionen wurden Standards zur Bewertung von Tests erarbeitet und auf viele Tests angewendet. Die DIN-Norm 33430 und das mit ihr verzahnte Test-Bewertungssystem (TBS) liefern detaillierte Angaben zur Bewertung der Qualität von psychologischen Tests und gehen in diesem Punkt deutlich über die internationale Norm ISO 10667 hinaus. Das TBS wurde 2006 durch das Testkuratorium der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen erarbeitet und wird seither zur Bewertung von psychologischen Tests eingesetzt. Eine Liste mit bisher verfassten Testrezensionen findet sich auf folgender Internetseite: www.zpid.de/index.php?wahl=Testkuratorium
Weiterführende Informationen
So ausführlich und detailliert das Testbewertungssystem ist, so selten wurde es bislang leider angewendet. Daher sollten weitere Informationsquellen herangezogen werden. Als praktikabel und informativ haben sich folgende Informationsangebote erwiesen:
- Die Fachgruppe Diagnostik des Schweizerischen Dienstleistungszentrums Berufsbildung, Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung hat unter anderem die Aufgabe, Tests im Anwendungsbereich Berufsberatung zu prüfen und Empfehlungen abzugeben. Die ausgewiesenen Expertinnen und Experten dieser Fachgruppe verfassen fundierte, aber verständliche Kurzgutachten, sogenannte Labels. Die Labels, die für die Zielgruppe der Berufs- und Laufbahnberater erstellt wurden, eignen sich auch für benachbarte Anwendungsgebiete wie das der Personalentwicklung. Die Kurzgutachten können unter der folgenden Adresse abgerufen werden: http://www.diagnostik.sdbb.ch/labels
- Das wohl umfassendste Verzeichnis deutschsprachiger Tests stellt Psyndex Tests dar. Gegenwärtig enthält diese Datenbank 3479 ausführliche Verfahrensbeschreibungen, 309 Kurzbeschreibungen und 2798 Kurznachweise. Die vollständigen Beschreibungen enthalten auf ca. drei bis zehn Druckseiten nach einem einheitlichen Beschreibungsraster Angaben über Testkonzept und Testkonstruktion, fassen Untersuchungen über Testgütekriterien zusammen, geben Einblick in Durchführungs- und Auswertungsmodalitäten, nennen Anwendungsmöglichkeiten des Verfahrens und enden mit einer kritischen Bewertung sowie der zitierten Literatur. Die Web-Adresse lautet: http://pubpsych.zpid.de/pubpsych/
Neben diesen Online-Angeboten bietet die Literatur im untenstehenden Kasten weiterführende Testinformationen.
Beste Hilfe: Die eigene Kompetenz
Es gibt durchaus einige hochwertige Informationsangebote zu Persönlichkeitstests, sie sind nur leider wenig bekannt. Die genannten Angebote liefern für viele Tests ausführliche Besprechungen und stellen eine hervorragende Entscheidungsgrundlage dar. Allerdings bleibt trotz der Bemühungen der Fachverbände der Testmarkt in Teilen undurchsichtig. Die Expertengremien können die kontinuierlich neu entstehenden Tests nicht sämtlich begutachten, denn die Begutachtung ist vergleichsweise aufwändig. Daher empfiehlt es sich, die eigenen Kompetenzen in diesem Bereich durch einschlägige Weiterbildungen zu stärken oder externe Experten zur Testbeurteilung hinzuzuziehen.
Medienpartnerschaft
Forum Wirtschaftspsychologie: Erfolgreiche Personalauswahl – der Beitrag der Psychologie. Donnerstag, 14. November 2013, Stadttheater Olten
Welche Trends und Herausforderungen zeigen sich in der Personalauswahl? Welche Instrumente und Methoden gewährleisten eine erfolgreiche Rekrutierung? Welche Erfahrungen macht die Praxis und was sagt die Wissenschaft dazu? Diese und weitere spannende Fragen greifen am 14. November 2013 im Stadttheater Olten renommierte Vertreter der Wissenschaft sowie Expertinnen und Experten aus der Praxis im Rahmen einer offenen Podiumsdiskussion auf:
- Dr. Oliver Strohm, Partner, iafob – Institut für Arbeitsforschung und Organisationsberatung (Moderation)
- Stephan Beyeler, COO, Mercuri Urval, Schweiz, Niederlassungsleiter Basel (Mitglied der Geschäftsleitung)
- Nathalie Bourquenoud, Leiterin Arbeitswelt, PostFinance
- Prof. Dr. Benedikt Hell, Fachhochschule Nordwestschweiz, Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW
- Prof. Dr. Martin Kleinmann, Universität Zürich, Psychologisches Institut – Arbeits- und Organisationspsychologie
- Markus Lüdi, Direktor Personal Inselspital, Universitätsspital Bern
Zudem wird am Forum Wirtschaftspsychologie zum ersten Mal der Weiterbildungsaward der Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW verliehen.
Literatur
- Brähler, E., Holling, H., Leutner, D. & Petermann, F. (2002). Brickenkamp Handbuch psychologischer und pädagogischer Tests. Band 1 und 2. Göttingen: Hogrefe.
- Sarges, W. & Wottawa, H. (Hrsg.) (2004 und 2010). Handbuch wirtschaftspsychologischer Testverfahren (Band 1 & 2). Lengerich: Pabst.
- Kanning, U. P. & Holling, H. (Hrsg.) (2002). Handbuch personaldiagnostischer Instrumente. Göttingen: Hogrefe.