«Menschen sind die einzigen Faktoren, deren Wert höher ist als ihre Kosten»
Der HR-Vordenker Jac Fitz-enz kommt für ein Seminar in die Schweiz. HR Today befragte ihn im Vorfeld zu seiner Spezialität, der Messbarkeit der Personalarbeit. Nach wie vor ist es ein polarisierendes Feld: Die einen haben grosses Interesse daran, die anderen fürchten sich davor.
Jac Fitz-enz, amerikanischer HR-Pionier.
Herr Fitz-enz, könnte man das Humankapital als den blinden Fleck der Unternehmensführung bezeichnen?
Jac Fitz-enz: In den meisten Unternehmen vernachlässigt die Führungsebene das aktive Personalmanagement. Man war, übrigens zu Recht, der Ansicht, dass das Management von Vertrieb und Finanzen unkomplizierter und häufig auch rentabler ist. Es ist allerdings schwieriger geworden, Wachstum über Leverage-Effekte zu generieren, also muss das Management neue Wege gehen. Technologische Neuerungen kosten die Unternehmen so viel Geld und gewinnen so stark an Bedeutung, dass es wirtschaftlich sinnvoll ist, in die Mitarbeiter zu investieren, um so das Potenzial der Technologien voll ausschöpfen zu können. Die Antwort auf die aktuellen Herausforderungen könnte also sein, das Humankapital so effektiv wie möglich zu nutzen, statt es zu minimieren. Und genau aus diesem Grund sind vorausschauende Analysen so wertvoll.
Wie stark sind HR-Profis heute daran interessiert, die Erfolge ihrer Arbeit tatsächlich zu messen?
Etwa 30 bis 40 Prozent der HR-Profis haben grosses Interesse daran. Weitere 20 Prozent sind aufgeschlossen, werden aber voraussichtlich in näherer Zukunft nichts in dieser Hinsicht unternehmen. Der Rest ist nicht interessiert oder hat sogar Angst vor einer Evaluierung ihrer Arbeit. Das liegt daran, dass viele Beschäftigte im HR-Sektor keinen Geschäftssinn haben und ihr Jobverständnis jenem von Programmadministratoren gleicht.
Was hält HR-Profis von einer Bewertung ihres Humankapitals ab?
Da gibt es viele Gründe: mangelndes Verständnis von Statistik und fehlende Bereitschaft, dies zu ändern; mangelndes Interesse, an der Weiterentwicklung des Unternehmens mitzuwirken; die Überzeugung, dass man Menschen nicht «messen» sollte; die Angst, herauszufinden, dass sie nicht zum Unternehmenserfolg beitragen, oder die Angst, dass sie mit Linienmanagern oder der Unternehmensleitung über Zahlen diskutieren müssen. In vielen Unternehmen wird das Thema einfach gar nicht angesprochen.
Kann jeder Aspekt des Humankapitals quantifiziert werden? Wo stösst man an Grenzen?
e grobe Leitlinie lautet hier, dass alles messbar ist, was man sichtbar machen kann. Konzepte wie Führung, Unternehmenskultur, Einsatzbereitschaft und Engagement können gemessen werden, wenn man sie von sichtbaren Verhaltensweisen ableitet. Das heisst nicht, dass jeder Aspekt im Bereich HR oder Humankapital eins zu eins abgebildet werden kann, doch man kann für die meisten Faktoren plausible und stichhaltige Daten generieren, die die Mehrheit der Führungskräfte zufriedenstellen. HR-Abteilungen sollten ohnehin nicht alles messen, sondern nur die wenigen Aspekte, die für die Optimierung von Personal oder Unternehmen tatsächlich einen spürbaren Unterschied ausmachen.
Welche Rolle spielt die «weiche» Seite von HR künftig?
Die weiche Seite wird immer wichtig bleiben. Es geht hier allerdings nicht darum, Menschen glücklich zu machen. Vielmehr soll Menschen auf höheren Hierarchiestufen geholfen werden, den Wert ihrer Arbeit einzuschätzen. Dieser Wert drückt sich in der Rentabilität des Unternehmens, der funktionalen Produktivität und dem Service, aber auch in persönlichem Engagement, Leistung und Wachstum aus. All diese Faktoren sind messbar und in objektive, analysierbare Daten übertragbar.
Warum müssen wir den Mehrwert, den ein Angestellter dem Unternehmen bringt, ganz neu betrachten?
Das Humankapital wird in der Bilanz als Kostenfaktor geführt, was nicht mehr zeitgemäss ist. Im Prinzip sind Menschen die einzigen Faktoren, deren Wert höher ist als ihre Kosten. Alle materiellen Wirtschaftsgüter beginnen sofort nach ihrem Kauf, an Wert zu verlieren. Das Potenzial, das sie bergen, kann nur durch menschliche Arbeit voll ausgeschöpft werden. Kauft man eine Maschine, so ist diese wertlos, wenn es kein Personal gibt, das sie bedienen kann. Ganz davon abgesehen, dass auch sie gleich nach dem Erwerb an Wert verliert.
Wie werden sich Systeme zur Messung des Humankapitals künftig entwickeln?
Das Humankapital ist eine Herausforderung für das Risikomanagement. Denn Menschen kann man nicht kontrollieren. Heute, im Zeitalter von Smartphones, Tablets und sozialen Netzwerken, hat sich die Aufgabe des Managements gewandelt – weg von Befehlen und Kontrolle, hin zu Risikominderung. Folglich müssen Systeme zur Messung des Humankapitals sich auf vorausschauende Analysen konzentrieren, statt über die Resultate der Vergangenheit zu berichten. Natürlich brauchen wir diese Daten, aber sie helfen uns nicht, die Zukunft zu meistern. Die Kommunikationstechnologie entwickelt sich so atemberaubend schnell, dass sogar CIOs zugeben, dass sie keine Kontrolle über die Informationssysteme ihrer Unternehmen haben.