Agilität ist seit über 20 Jahren Gegenstand unternehmerischer Diskussionen. Das Interesse an agilen Techniken scheint keinesfalls abzu­flachen. Kleine innovative Start-ups wie auch agil-­arbeitende Teams der Grosskonzerne scheinen vom Agilitätszug erfasst worden zu sein. Auch in der Schweiz transformieren zahlreiche Unternehmen ihre Arbeitsprozesse hin zu mehr Agilität mit Methoden wie Sprints, Scrum und Kanban.

Während Agilität in der Praxis omnipräsent zu sein scheint, sind die Auswirkungen von Agilität bis anhin kaum systematisch erforscht. Das betrifft besonders agile Transformationen in Organisationen und Teams. Eine Ausnahme ist die aktuelle Studie eines holländischen Forscherkollektivs der Erasmus Universität Rotterdam. Diese beschäftigt sich mit der Wirkung agiler Arbeitsweisen in Teams. Dafür begleiteten die Forschenden 476 Mitarbeitende aus 114 Teams eines ­deutschen Logistikunternehmens. Gemäss der Studie führt das Arbeiten in kurzen Zyklen und kleinen Arbeitspaketen zu höherer Teamleistung.

Das Interessante dabei: Agile Arbeitspraktiken zeigen nuancierte Wirkung. Solche mit Fokus auf die Aufgabengestaltung kurbeln die Teamleistung an. Dazu zählen das Arbeiten in iterativen Zyklen wie Sprints oder das Pilotieren von Ideen. Teams in späteren Transformationsphasen profitierten besonders von Arbeitspraktiken, die sich auf die Aufgabengestaltung fokussierten. Dadurch entwickelten die Teams einen starken Gemeinschaftssinn und ermunterten sich gegenseitig, Herausforderungen anzugehen und Initiative bei der Aufgabenerfüllung zu zeigen. Dieser gemeinschaftliche Ansporn war einer der Gründe für die bessere Teamleistung.

Agile Arbeitsweisen, die der Koordination und der Kontrolle im Team dienten, erhöhten dagegen die individuelle Leistung, nicht aber die Teamleistung. Beispiele für koordinierende Praktiken sind (tägliche) Stehungen und Rückblicke, in agiler Sprache auch Daily Stand-ups und Retrospektiven genannt. Den Autoren zufolge könnte die Ursache dafür in der Wirkung koordinierender Agilitätspraktiken liegen, dass Methoden wie Stand-ups und Rückblicke die individuelle Sichtbarkeit und Rechenschaftspflicht vermehrt in den Mittelpunkt stellen. So rücken eigene Erfolge in den Vordergrund.

Für die Praxis bedeuten diese Erkenntnisse, dass es sich für Teams und Unternehmen bei der Arbeit mit agilen Tools und Praktiken durchaus lohnt, genauer hinzuschauen. Für Unternehmen und Teams, deren Erfolg von gegenseitigem Austausch und von der Zusammenarbeit abhängt, sind aufgabenbezogene Arbeitspraktiken wie Sprints besser geeignet als koordinierende Tools.

Quelle: Junker, T. L., Bakker, A. B., Gorgievski, M. J., & Derks, D. (2022). Agile work practices and employee proactivity: A multilevel study. Human Relations, 75(12), 2189-2217.

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