Mit Mobile Media lassen sich auch HR-Prozesse vereinfachen
In der HR-Welt hat jetzt nach Web 2.0 und Social Media mit Mobile Media ein neuer Technologieschub Einzug gehalten, der auch den Arbeitsalltag im HR verändert.
Als Mobile Media können Technologien bezeichnet werden, die einen ortsunabhängigen Zugang zu Informationen und Diensten über solche Endgeräte ermöglichen, die bedingt durch ihre Bauart und ihre Schnittstellen ständig mitgeführt und auch von unterwegs aus genutzt werden können. Im engeren Sinne sind solche Technologien gemeint, die über konventionelle Sprach- und Mitteilungsdienste hinausgehende Lösungen realisieren und auch einen situativen Bezug zum mobilen Nutzungskontext herstellen können, in dem sich der Anwender befindet. Dafür weisen heutige mobile Endgeräte zahlreiche Schnittstellen wie Touchscreen mit Gestensteuerung, GPS-Modul, Beschleunigungssensoren zur Lageerkennung, elektronischer Kompass, Kameras oder auch verschiedenste Funkschnittstellen für die Sprach- und Datenkommunikation (zum Beispiel Bluetooth, NFC, WLAN, GSM, UMTS, LTE) auf.
Im privaten Umfeld genutzt, im Büroalltag noch wenig bekannt
Die Potenziale dieser technologischen Fortschritte alleine auf die Ubiquität beziehungsweise die Erhöhung von Reichweite und Erreichbarkeit konventioneller Anwendungen (wie Telefonie, E-Mail und Internetzugang) zu reduzieren, wäre kurzsichtig. Zwar standen und stehen solche Anwendungen bisher überwiegend im Vordergrund. Es ist aber abzusehen, dass zunehmend Mobile-Media-Technologien so mit Geschäftsprozessen verzahnt werden, dass auch weitergehende technische Potenziale ausgeschöpft werden (siehe Tabelle).
Die Herausforderungen für Unternehmen ändern sich damit wesentlich. Es geht nicht mehr vornehmlich darum, die bestehenden Systeme an die Limitationen mobiler Endgeräte anzupassen beziehungsweise «mobil zu optimieren» (zum Beispiel die Anpassung der Inhalte an die kleineren Displays mobiler Endgeräte), sondern Mobile-Media-Technologien gezielt so zur Optimierung von Geschäftsprozessen einzusetzen, dass nachhaltige Wettbewerbsvorteile realisiert werden können. Bislang werden solche Technologiepotenziale, wie beispielsweise Location Based Services, Augmented Reality oder Mobile Tagging, aber noch überwiegend im privaten Nutzungskontext realisiert respektive sind der breiten Masse eher über entsprechende «Consumer-Anwendungen» bekannt geworden.
«Digital Natives» erhöhen den Innovationsdruck
Mobile-Media-Technologien kommen aber auch zunehmend am Arbeitsplatz an. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die privaten Anwender im beruflichen Kontext nicht auf mobile Technologien und Anwendungen verzichten wollen, die sie bereits effizient im privaten Umfeld einsetzen. Die kurzen Innovationszyklen bei Mobile-Media-Technologien erzeugen damit auch einen Innovationsdruck in Unternehmen, bei denen die Einführung solcher neuen Systemtechnologien aufgrund von beispielsweise höheren Sicherheits- und Administrationsanforderungen der Verbreitung im Privatkundensegment oftmals mit Verspätung folgt.
Aufgrund solcher Effekte, die auch mit dem Begriff der «Consumerization of IT» gekennzeichnet werden, ist die Einführung innovativer Mobile-Media-Technologien auch aus motivationalen Gründen sowie aus der Sicht eines Employer Brandings für Unternehmen von entscheidender Bedeutung. Dies gilt insbesondere für die jungen Segmente der «Digital Natives», die bereits mit innovativen digitalen Technologien aufgewachsen sind. Entsprechenden Mitarbeitern, die über ihre mobilen Endgeräte ständig Statusmeldungen austauschen, wird zukünftig immer schwerer zu vermitteln sein, dass im unternehmerischen Umfeld, zum Beispiel für die Genehmigung eines Urlaubsantrags, ein Papierformular oder eine bildschirmtextähnlich anmutende Benutzeroberfläche zu verwenden ist sowie mehrtägige Bearbeitungszeiten hinzunehmen sind.
Unternehmen sollten daher der zunehmenden Verbreitung von Mobile-Media-Technologien eine besondere Beachtung zukommen lassen. Im privaten Umfeld haben vor allem Smartphones, aber auch zunehmend Tablets den Massenmarkt erobert. Nach Marktstudien des Beratungsunternehmens Accenture aus dem Jahr 2011 hatten 69 Prozent der Befragten in der Schweiz (64 Prozent in Deutschland) ein mobiles Endgerät mit Internetzugang, mit dem sie vor allem «privat» unterwegs sind. Die berufliche Nutzung respektive der Besitz eines entsprechenden mobilen Endgerätes für den beruflichen Einsatz hinkt in beiden Ländern mit 14 Prozent in der Schweiz und 8 Prozent in Deutschland deutlich hinterher. Viele Arbeitnehmer wären wohl auch deshalb bereit, ihr privates Endgerät einer beruflichen «Zweitnutzung» zur Verfügung zu stellen, wenn das Unternehmen die entsprechenden «Anschlussmöglichkeiten» eröffnen würde. In vielen Unternehmen wird dieser Ansatz unter dem Begriff «Bring Your Own Device» (BYOD) teilweise sehr konträr diskutiert (siehe Artikel Seite 18).
Grossteil der Unternehmen setzt mobile Anwendungen bereits ein
In einer Marktstudie der Perbit Software GmbH, die unter der wissenschaftlichen Begleitung einer der Autoren im Frühjahr 2012 durchgeführt wurde, ist erkennbar, dass mobile Anwendungen in einem Grossteil der befragten Unternehmen bereits angekommen sind. Knapp drei Viertel (72 Prozent) haben mobile Anwendungen in mindestens einem ihrer Unternehmensbereiche im Einsatz, mehr als drei Viertel davon (78 Prozent) nutzen die mobilen Anwendungen bereits länger als ein Jahr. Dabei sind rund 89 Prozent mit den eingesetzten mobilen Anwendungen weitgehend zufrieden. «Marktführer» beim Einsatz mobiler Technologien im Unternehmen ist der Vertrieb mit 69 Prozent. Geschäftsführung, Marketing/Unternehmenskommunikation und IT folgen auf den nächsten Plätzen mit jeweils über 50 Prozent Nutzungsanteil von mobilen Anwendungen. Der Nutzungsanteil in den HR-Organisationen liegt mit 25 Prozent vergleichsweise deutlich hinter den genannten Unternehmensbereichen.
Die Unternehmen, die bisher keine mobilen Anwendungen im Einsatz haben (28 Prozent), geben vor allem Sicherheitsaspekte (Datensicherheit und Datenschutz) (55 Prozent), den für sie derzeit nicht ersichtlichen Nutzen solcher mobilen HR-Anwendungen (47 Prozent) sowie zu hohe Kosten und fehlende Akzeptanz der Führungskräfte (je 26 Prozent) als grösste Hürden an. Der Einsatz und die Nutzung von mobilen Endgeräten sind in den meisten Unternehmen (72 Prozent) über eine IT-Richtlinie geregelt. Bei der BYOD-Thematik lassen die befragten Unternehmen zu 57 Prozent nur unternehmenseigene Geräte zu. 43 Prozent erlauben sowohl unternehmenseigene als auch private Endgeräte für die betriebliche Nutzung. Während derzeit in gut einem Viertel der HR-Organisationen mobile Anwendungen schon im Einsatz sind, planen 73 Prozent der HR-Organisationen, die mobilen Anwendungen einzuführen beziehungsweise auszubauen. Ein Viertel plant es für die nächsten drei Jahre, sodass in Zukunft in jeder zweiten HR-Organisation mobile Anwendungen zum Einsatz kommen. Eine Übersicht über die derzeitige und zukünftig geplante Nutzung gibt die Grafik.
Nachholbedarf der Unternehmen bei Mobile Recruiting
Mobile Recruiting ist bei mittlerweile knapp einem Drittel der Unternehmen angekommen. Die wichtigsten Rekrutierungskanäle – unternehmenseigene Karriere-Websites und die Nutzung von On-line-Stellenmärkten (Jobbörsen) – sind in der letzten Zeit zunehmend «mobile fit» geworden. Der Aufbau mobil-optimierter Karriere-Websites und/oder die Erstellung von sogenannten Apps sowohl für Smartphones als auch für Tablets stehen bei den Marktteilnehmern an erster Stelle. Jüngere Studien sowohl in der Schweiz von Prospective Media Services AG als auch in Deutschland von der Jobware Online-Service GmbH zeigen, dass Bewerber Mobile Recruiting stärker nutzen können und wollen. Die Unternehmen bieten aber nicht alle möglichen Anwendungsbereiche des Mobile Recruitings bereits in dem gewünschten Umfang an. Mit anderen Worten: Hier müssen die Unternehmen schnell nachlegen, insbesondere was die Möglichkeiten einer «mobilen Bewerbung» angeht. So erwartet der Jobware-Studie zufolge bereits jeder Dritte, der eine Stellenanzeige mobil gelesen hat, auch eine Bewerbungsmöglichkeit über das mobile Endgerät. Bereits 9 Prozent der in dieser Studie befragten Fach- und Führungskräfte haben sich bereits einmal über Smartphone oder Tablet beworben.
Viele Anwender von Smartphones und Tablets haben in ihrem privaten Umfeld bereits die Erfahrung gemacht, wie viele nützliche «Lehr- und Lernvideos» der Videokanal YouTube auch auf mobilen Geräteplattformen bereitstellt. Daher überlegen sich nun immer mehr Unternehmen, den Motivationsschub, den das Lernen mit Hilfe solcher mobilen Endgeräte bringt, auch für die berufliche Aus- und Fortbildung zu nutzen. Zugleich wird damit auch das elektronisch unterstützte Lernen von der Verfügbarkeit von Desktop-Systemen oder Laptops entkoppelt und kann so auch auf Reise- oder Wartezeiten ausgedehnt werden, die sich spontan im Alltag ergeben. Auf den einschlägigen E-Learning-Messen zu Beginn des Jahres 2012 wie beispielsweise auf der LERNTEC in Karlsruhe oder der Swiss eLearning Conference in Zürich war Mobile Learning daher auch eines der Topthemen mit HR-Bezug. Mobile Learning heisst heute: lernen, wann und wo man will, meist videounterstützt. Zunehmend werden auch neue Technologien wie Augmented Reality integriert oder die Lerninhalte in spielerische Formate (Serious Games) verpackt (siehe Artikel Seite 24).
Mobile HR-Anwendungen verdrängen Laptops
Ein weiteres wichtiges Anwendungsfeld im Bereich Mobile HR stellen erweiterte Mitarbeiterportale beziehungsweise «Self Services» dar. Die heutigen HR-IT-Anwendungen kennen unter der Überschrift «ESS-/MSS-Szenarien» bereits vielfältige Interaktionen zwischen der (administrativen) HR-Organisation und ihren internen Kunden, namentlich alle Mitarbeiter und Führungskräfte. Mobile HR eröffnet hier mannigfaltige Möglichkeiten: Genehmigungsprozesse, Datenpflege oder Reporting-Daten lassen sich gut «mobilisieren»: Mitarbeiter und Führungskräfte können von ihren mobilen Endgeräten (Smartphones oder Tablets) auf die entsprechenden Anwendungen zugreifen und «einfache» Genehmigungsprozesse wie Urlaubs- oder Dienstreiseanträge initiieren beziehungsweise abschliessen. Bei der mobilen Übermittlung von Gehaltsinformationen zeigen sich die Unternehmen jedoch regelmässig zurückhaltender.
Unsere aktuellen Studien zeigen, dass die Unternehmen mobilen HR-Anwendungen insgesamt sehr offen gegenüberstehen und in ihnen eine wichtige Zukunftstechnologie sehen, die enorm an Bedeutung gewinnen und bald serienmässig in HR-Software integriert sein wird. Mobile HR-Anwendungen haben somit das Potenzial, Laptops und Desktop-PCs in einzelnen Bereichen – zum Beispiel bei der Nutzung «unterwegs» und bei einfachen Personalprozessen (Urlaubs-, Dienstreise- und Seminaranträge) – zu verdrängen. Auch die Nutzenpotenziale von Mobile HR sind gross. An erster Stelle steht die Zeitersparnis durch die Freiheit der Informationsnutzung «wann und wo man will». Dies führt letztendlich auch zu einer besseren Aktualität der Daten respektive besseren Information der Entscheidungsträger. Viele Workflows lassen sich verbessern und die Effizienz steigern.
Wenn HR-Organisationen/Unternehmen (neue) mobile Anwendungen einführen wollen, sollten sie zuallererst auf die einfache Benutzbarkeit (Usability) der angebotenen Services achten. Dies erhöht vor allem die Akzeptanz der Anwender (Mitarbeiter und Führungskräfte). Die Gewährleistung von Datenschutz und Datensicherheit bleibt aber im Unternehmenskontext der oberste «Hygienefaktor» der mobilen HR-Arbeit, ohne den nichts geht. Auch hier zeichnen sich Lösungen ab, die es erlauben, aus dem privaten Nutzungskontext bekannte mobile Anwendungen und Lösungen in einem entsprechend administrier- und absicherbaren Systemumfeld auf den unternehmerischen Anwendungskontext zu übertragen.
Studien zum Thema
- Accenture: Mobile Web Watch 2011
- Böhm, Stephan: Innovationsmarketing für UMTS-Diensteangebote. Wiesbaden: DUV Gabler Edition Wissenschaft, 2004.
- Jobware (Hrsg.) – Jobware-Studie Online Recruiting 2012 (wissenschaftliche Begleitung Prof. Dr. Wolfgang Jäger, Hochschule RheinMain Wiesbaden).
- Perbit (Hrsg.): Marktstudie «Mobile HR – Status quo und Entwicklungsperspektiven», 2012 (wissenschaftliche Begleitung Prof. Dr. Wolfgang Jäger, Hochschule RheinMain, Wiesbaden).
- PwC (Hrsg.): The consumerization of IT, 2011.
- Prospective Media Service AG: 4. Trend Report Online-Recruiting Schweiz 2012.