Werte in der Arbeitswelt

Mitarbeiter wünschen sich mehr moralische Werte

Durch das Bekanntwerden verschiedener Wirtschaftsskandale nehmen Diskussionen um die Werteorientierung in der Wirtschaftswelt zu. Insbesondere die Frage nach der Gewichtung moralischer Aspekte steht dabei im Zentrum.

Wieso interessieren Werte in der Wirtschaft überhaupt? Werte sind Repräsentanten der Kultur einer Institution, welche wiederum das Verhalten der Mitarbeitenden beeinflusst. Gemäss der Corporate Social Responsibility Theorie nach Schwartz und Carroll (2003) hat die Wirtschaft drei Arten von Verantwortlichkeiten: Eine ökonomische, eine rechtliche und eine moralische. (1) Über Werte können Unternehmen sicherstellen, dass Mitarbeitende diesen drei Verantwortlichkeiten nachkommen.

Ist- und Soll-Einschätzung

Aufgrund dieser Annahme reagierten verschiedene Unternehmen mit der Publikation verbesserter Verhaltenskodizes auf die Wertediskussion. Die Werte, mit welchen sich die Unternehmen darin schmücken, reichen beispielsweise von Fairness und Respekt über Transparenz und Sorgfaltspflicht bis hin zu Reputation und Wettbewerbsfähigkeit. Solche offiziellen Dokumente führen jedoch nicht zwangsläufig zur Integration dieser Werte in den Berufsalltag. Verschiedene Faktoren, wie beispielsweise individuelle, aber auch unternehmensbezogene Prozesse können den Transfer vom geschriebenen Dokument hin zum tatsächlichen Verhalten massgeblich beeinflussen. Um eine Aussage zur aktuellen Werteorientierung in der Wirtschaftswelt machen zu können, lautet die relevante Kernfrage daher: Welche Werte werden zurzeit in der Wirtschaftswelt gelebt («Ist-Einschätzung»)?

Nach der Klärung der aktuellen Werteorientierung in der Wirtschaftswelt stellt sich die Frage, ob diese auch mit den Vorstellungen der Arbeitnehmenden der jeweiligen Branche übereinstimmt. Daraus ergibt sich eine weitere wichtige Frage: Welche Werte werden von den Arbeitnehmenden überhaupt als wünschenswert angesehen («Soll-Einschätzung»)?

Als Teil eines Forschungsprojektes und mit finanzieller Unterstützung durch die Stiftung Suzanne und Hans Biäsch zur Förderung der Angewandten Psychologie wurde diese Frage für eine Masterarbeit an der Universität Zürich genauer untersucht. Im Zeitraum von Juli bis Dezember 2013 haben 570 Personen an einer Online-Umfrage zu diesem Thema teilgenommen. Die Untersuchung ergab, dass sich verschiedene Branchen dahingehend unterscheiden, wie stark moralische Werte (Fairness, Respekt, Ehrlichkeit, Loyalität) im Vergleich zu rechtlichen (Sorgfaltspflicht, Gesetzestreue, Transparenz, Rechenschaftspflicht) und ökonomischen Werten (Wettbewerbsfähigkeit, Leistung, Profitabilität, Reputation) zurzeit gelebt und als wünschenswert angesehen werden (siehe Grafik 1).

Finanzbranche: Hohe ökonomische Werte, dafür weniger moralische

Die Ergebnisse zeigen, dass in der Industrie, der Dienstleistungsbranche und der Finanzbranche moralische Werte im Vergleich zu den anderen beiden Werttypen am wenigsten stark gelebt werden. Im Öffentlichen Sektor hingegen fallen diesbezüglich die ökonomischen Werte ab.

Im Gegensatz dazu werden in der Industrie, der Dienstleistungsbranche und der Finanzbranche die ökonomischen Werte im Vergleich zu den beiden anderen Wert-Kategorien jeweils am stärksten gelebt. Im Öffentlichen Sektor ist die Orientierung an rechtlichen Werten am stärksten ausgeprägt.

Obwohl es hinsichtlich der Gewichtung von gelebten Werttypen zwischen den verschiedenen Branchen Unterschiede gibt, herrscht im Branchenvergleich bei der Betrachtung der Unterschiede zwischen der «Ist-» und «Soll-Einschätzung» Einigkeit: Moralische und rechtliche Werte sollten gemäss Arbeitnehmenden aller Branchen eine wichtigere Rolle in ihrem Berufsalltag spielen, als dies momentan der Fall ist.

Mit Werten bei Mitarbeitern punkten

Der Wunsch der Arbeitnehmenden sämtlicher Branchen, den moralischen und rechtlichen Werten, im Vergleich zur aktuell gelebten Werteorientierung, stärkeres Gewicht zu verleihen, zeigt Handlungsbedarf auf. Kommen Unternehmen dieser Forderung nach, können sie damit die Identifikation und die Bindung der Mitarbeitenden an die Institution erhöhen. Gleichzeitig kann eine stärkere Verankerung solcher Werte im Berufsalltag das Image eines Unternehmens verbessern und gegenüber neuen Bewerbern ein Signal setzen.

In Verbindung mit weiteren Hilfsmitteln zur Personalselektion können so auch Kandidaten angezogen werden, welche die Einstellung hinsichtlich des Stellenwertes dieser Werte teilen. Durch diese einheitliche Wertvorstellung sollten auch weniger Konflikte auftreten. Wird moralischen und rechtlichen Aspekten im Berufsalltag mehr Platz gewährt, erhöht sich damit langfristig die Chance, dass integre Arbeit geleistet wird und somit weitere Wirtschaftsskandale ausbleiben.

Quelle

  • (1) Schwartz, M. S., & Carroll, A. B. (2003). Corporate social responsibility: a three-domain approach. Business Ethics Quarterly, 13(4), 503-530.
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Daniela Forrer ist Absolventin des Masterstudiengangs Sozial-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Universität Zürich. In ihrer Masterarbeit beschäftigte sie sich mit dem Thema «An welchen Werten orientiert sich die Wirtschaftswelt?»

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Prof. Dr. Carmen Tanner ist Wirtschaftspsychologin und Leiterin des «Center for Responsibility in Finance» am Institut für Banking und Finance der Universität Zürich. Ihre aktuellen Schwerpunkte sind Verhaltensethik, Moralische Intelligenz, Unternehmenskultur.

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Dr. Markus Christen ist Ethiker und leitet derzeit das Forschungsnetzwerk „Ethik von Monitoring und Überwachung“ am UFSP Ethik der Universität Zürich. Seine aktuellen Schwerpunkte sind Empirische Ethik, Neuroethik und Ethik im Bereich Informationstechnologie.

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