Ein Arbeitgeber hält sich nicht an seine internen Vorschriften zu Projektabläufen – trifft ihn ein Mitverschulden, wenn das Arbeitsergebnis mangelhaft ist? Urteil des Bundesgerichts vom 8. Februar 2011 (4A_575/2010).
Mangelhafte Serie von Drehwerkzeugen – das Urteil
Der eingeklagte Arbeitnehmer erstellte 1996 im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses nach den Plänen eines Ingenieurbüros Werkstattzeichnungen für ein Drehwerkzeug. Der Arbeitnehmer erkannte, dass die Pläne Fehler aufwiesen, doch anstatt mit dem Ingenieur Rücksprache zu nehmen, nahm er eigenmächtig Korrekturen vor, was dazu führte, dass eine ganze Serie von Drehwerkzeugen mangelhaft war. Die Arbeitgeberin klagte auf Schadenersatz von rund 27 000 Franken. Nach einem langwierigen Prozess hiess das Bundesgericht den Schadenersatzanspruch der Arbeitgeberin im zweiten Anlauf auf zwei Drittel der eingeklagten Summe gut. Zentrale Frage war, ob und in welchem Umfang die Arbeitgeberin ein Mitverschulden traf.
Die Verantwortung für die Entwicklung des Projekts lag nach dem Qualitätsmanagement-Handbuch der Arbeitgeberin nicht nur beim Projektleiter, sondern auch bei der Geschäftsleitung. Diese hätte jeden einzelnen Projektschritt kontrollieren und freigeben müssen. Im konkreten Fall wurde dies jedoch versäumt, und der Arbeitnehmer hat auch nichts Entsprechendes verlangt. Das Bundesgericht entschied anders als die Vorinstanz, dass sich aus den internen Richtlinien nichts über das Mitverschulden der Arbeitgeberin ableiten lasse, weil sie trotz der Übernahme in den Arbeitsvertrag ein abweichendes Ad-hoc-Verfahren anordnen durfte. Massgebend sei einzig, ob das gewählte Verfahren im konkreten Fall genügend gewesen sei oder ob der Arbeitnehmer aufgrund der Umstände hätte überwacht und das Werkzeug kontrolliert werden müssen. Nach Ansicht des Bundesgerichts bestand für den Vorgesetzten jedenfalls kein Anlass, das gewählte Verfahren anzupassen, da er von den Änderungen keine Kenntnis hatte, und es bejahte deshalb den Schadenersatzanspruch der Arbeitgeberin im Grundsatz.
Konsequenz für Praxis: Hinweis auf Ad-hoc-Verfahren in die Vorschriften
Ob die Arbeitgeberin in jedem Fall an ihre selbst erlassenen Verfahrensvorschriften gebunden sei oder nicht, war einer der zentralen Streitpunkte in diesem Rechtsstreit. Es ist in vielen Betrieben üblich, regelmässig wiederkehrende Abläufe und Verfahren zu dokumentieren und zu standardisieren. Oftmals stellen solche Verfahrensvorschriften aber einen Idealzustand dar, der in der Praxis so nicht besteht. Beim Verfassen solcher Verfahrensvorschriften sollte deshalb auch in Betracht gezogen werden, dass im Einzelfall von diesen abgewichen und ein vereinfachtes Verfahren gewählt wird. Von Vorteil wäre es deshalb, auch Vorschriften für solche Vorgehensweisen zu erlassen, und sei es nur, indem darauf verwiesen wird, dass im Einzelfall auch ein zweckmässigeres Ad-hoc-Verfahren gewählt werden könne. Das hätte der Arbeitgeberin zumindest im aufgezeigten Rechtsstreit viel Ärger erspart.