Mobile Recruiting – Rekrutierungsinstrument oder lediglich Marketingtool?
Stefanie Zeng und Sandra Escher Clauss legen Ihre Argumente für- beziehungsweise gegen Mobile Recruiting dar.
Pro: Die Chance des Innovators
Das Potenzial von Mobile Recruiting erschliesst sich schon durch blosse Mathematik: Nahezu jeder hat heute ein Handy, ein iPhone oder ein Blackberry. Innerhalb der Generation Y gehört ein mobiles Endgerät zur täglichen Grundausstattung wie Kleidung. Niemand verlässt das Haus mehr ohne. Der Alltag, vor allem jener der jüngeren Zielgruppe, ist mobil. Das ist ein Fakt. Und der gilt auch für eine wachsende Zahl von Personen anderer Generationen.
Die Frage, die sich Recruitern im Moment stellen sollte, ist also nicht, ob sie sich mit Mobile Recruiting befassen sollen – sondern wann und wie.
Die Situation erinnert an die Zeit, in der das Internet aufkam und sich die Unternehmen fragten: «Brauchen wir jetzt etwa eine Webseite? Was bringt uns das eigentlich?» Heute ist kaum mehr vorstellbar, dass sich jemand eine solche Frage tatsächlich einmal gestellt hat. Und es ist mehr als wahrscheinlich, dass die mobilen Angebote den gleichen Weg gehen. Das heisst nicht, dass alle sofort auf allen Kanälen aktiv werden müssen. Aber Unternehmen sollten das Thema nicht abtun, sondern sich mit den Spielarten des Mobile Recruiting auseinandersetzen und sich wappnen für das, was mit Sicherheit kommen wird.
Eine Studie des amerikanischen Forschungsinstituts PEW Internet prognostiziert, dass der Zugang zum Internet im Jahr 2020 primär über mobile Endgeräte erfolgt. Das heisst übersetzt: Viele User und damit viele potenzielle Arbeitnehmer lassen sich vor allem mobil ansprechen.
Auf gar keinen Fall also können Unternehmen diesen Trend ignorieren. Im ersten Schritt geht es noch nicht einmal darum, dass tatsächlich Stellenanzeigen oder Bewerbungen mobil übermittelt werden. Vielmehr geht es um Information, Präsenz und natürlich um Innovation. Unternehmen haben jetzt die Chance, sich als innovationsfreudig zu etablieren und unter den ersten zu sein, die potenzielle Bewerber auch mobil ansprechen.
Kritiker monieren, dass die Idee noch in den Kinderschuhen steckt und die kleinen Displays nicht das stationäre Internet ersetzen können. Doch hier geht es nicht ums Ersetzen anderer Kanäle, sondern einmal mehr ums Ergänzen.
Stefanie Zeng
Contra: Alter Wein in neuen Schläuchen
So neu wie gewisse Berater verkünden, ist Mobile Recruiting bei weitem nicht. Headhunter, Personalverantwortliche und Stellensuchende haben ihre Termine oder gewisse Informationen schon seit längerem via mobile Endgeräte koordiniert und ausgetauscht. Zudem können sich Bewerbende seit vielen Jahren per SMS über verschiedene Jobbörsen passende Stellenprofile zusenden lassen oder eine Nachricht erhalten, wenn ihr Profil kontaktiert worden ist. Zugegeben, das war keine Kommunikation zwischen Unternehmen und Bewerbern, sondern ein Benachrichtigungssystem. Doch viel weiter geht die mobile Rekrutierung auch heute noch nicht. Dies trotz iPhone, Androide, Blackberry & Co.
Wer effizient und zielorientiert eine Stelle sucht, tut das noch immer am besten via Desktop-Gerät. Gründe dafür gibt es zahlreiche. Haben Sie schon einmal versucht, innert nützlicher Frist über Ihr mobiles Endgerät die Karrieresite eines potenziellen Arbeitgebers zu durchforsten? Falls Ihnen das gelungen ist, verfügen Sie entweder über Adleraugen, spindeldürre Finger oder sie haben dank viel Glück eine der raren Firmenpages erwischt, deren Navigation auf die kleinen Bildschirme der Smartphones angepasst wurde.
Kommt hinzu, dass die Jobsuche vorwiegend während der Arbeitszeit und somit meistens im Büro getätigt wird. Dies zeigen die Zugriffsstatistiken der Stellenbörsen. Für die On-the-job-Suche ist die mobile Nutzung mehr als hinderlich. Denn, so frage ich mich, wie soll in einem Grossraumbüro der nervöse Blick auf das mobile Endgerät und das ständige «Herumwerken» auf eben diesem erklärt werden? Auch auf dem Arbeitsweg wird das Stellensurfen zur Qual, denn schnelle mobile Verbindungen sind wohl in den Ballungszentren vorhanden, doch hat man diese verlassen, herrscht auf den digitalen Datenautobahnen Schneckentempo vor. Zudem vermiesen einem auch die horrenden Verbindungskosten das mobile Stellensurfen.
Dieses Frühjahr bin ich allerdings auf eine effiziente Form der mobilen Rekrutierung gestossen. Der Chef des Schweizer CRM-Softwareunternehmens BSI Business Systems Integration AG suchte Fachkräfte via Plakate. Auf diesen stand seine persönliche Mobiltelefon-Nummer. Ein Anruf genügte und die Interessenten erhielten Auskunft über das Unternehmen und seine Jobs. Unkompliziert, direkt und ohne langes Suchen.
Sandra Escher Clauss