Fachlaufbahnen

Nachgefragt: Fünf HR-Leiter über 
Laufbahnpfade und Wertschätzung

Viele Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern verschiedene Karriereoptionen an, damit sich Fach-und Führungskräfte in parallelen Laufbahnen ihren Interessen entsprechend entwickeln können. Bis zu einem gewissen Punkt funktioniert diese Parallelhierarchie zumeist gut – doch in vielen Fällen wird die Luft für Fachkräfte auf den oberen Karrieresprossen dünner.

«Ganz ohne den 
Führungsaspekt 
geht es nicht»

Drei Laufbahnen können die Mitarbeiter bei Ruag beschreiten: in der Linie, im Projektmanagement und als Experte. «Ausserdem diskutieren wir noch, ob wir im Bereich Sales noch eine spezifische Karriere, also eine Verkäuferlaufbahn, entwickeln wollen. Das Problem ist, dass wir in sehr vielen verschiedenen Geschäftsfeldern tätig sind und möglicherweise eine geschäftsfeldübergreifende Verkäuferlaufbahn keinen Sinn macht. Das muss noch vertieft werden», so Hans Bracher, Personalchef Ruag. Seiner Meinung nach werden die verschiedenen Laufbahnen noch zu wenig wahrgenommen, dabei nehme das Thema unbedingt an Wichtigkeit zu, denn ohne Perspektiven liessen sich keine guten Leute mehr gewinnen. Und auch um den allgemeinen Drang hin zu Führungspositionen als Mittel zur Karriere zu entkräften, brauche es diese Laufbahnen. «Und dabei ist es für uns ein zentrales Anliegen, dass diesen Funktionen das gleiche Prestige, der gleiche Wert zugeordnet wird», sagt Bracher.

Und das sei auch gerechtfertigt: «Ein Projektleiter auf der obersten Karrierestufe kann durchaus Projekte im Umfang von 20, 30 Millionen Franken betreuen. Das sind schon fast eigene kleine KMU.» Und ein solcher Mitarbeiter könne dann natürlich auch Teil der erweiterten Geschäftsleitung werden, denn grosse Projekte dauern durchaus drei bis vier Jahre. Oder er wird direkt der obersten operativen Einheit angehängt und hat dann auch direkten Zugang zum CEO oder zum Divisionsleiter. «Mit der Positionierung im Organigramm oder über die Rapportierwege versuchen wir dem auch  die entsprechende Bedeutung zu geben», so Bracher.

Die angemessene Entlohnung sei da nur ein Faktor. Viel entscheidender sind die intrinsischen Faktoren, die mit einer Position verbunden werden. «Und da wollen wir hin. Wir wollen den Leuten quasi den Ritterschlag geben und ihnen vermitteln, dass sie mit ihren Aufgaben so bedeutend sind wie andere, die Abteilungen mit 100 Leuten führen. Und wir wollen das Gefühl vermitteln, dass es eine schöne Aufgabe ist, Projektleiter zu sein. Diese Stellen müssen attraktiv sein, sonst melden sich nicht die richtigen Leute.»

Zurzeit seien die Ruag-Tochtergesellschaften auf einem sehr unterschiedlichen Stand: «Ruag ist zehn Jahre alt und hat sich aus dem Verwaltungsbereich heraus entwickelt, und dort waren Fachlaufbahnen noch nicht so gängig wie in der Industrie. Und diesen Standard einzuführen, daran arbeiten wir jetzt. Der Sollzustand ist aber an manchen Orten schon erkennbar», meint Bracher.

Dennoch: «Ganz ohne Führungsaspekt geht es auf den oberen Sprossen der Fachkarriereleiter nicht», meint Bracher. «Mitarbeiter, die zum Senior Expert befördert werden, müssen eine Teamleiterrolle wahrnehmen. Sie tragen zwar keine Profit-and-Loss-Verantwortung, leiten aber doch Entwicklungsteams und tragen die Verantwortung für eine Kostenstelle. Aber wenn ich Fachkräfte auf eine Ebene mit dem Line Management stelle, dann erwarte ich diese Fähigkeiten auch», findet Bracher.

«Laufbahnpfade kein grosses Thema»

«Was zählt, ist die Kompetenz, nicht der Rang und Titel oder die Führungsspanne», sagt Martin Ghisletti, HR-Leiter Schweiz bei Hewlett-Packard. Beim Computerhersteller und IT-Dienstleister können Mitarbeitende demnach in puncto Hierarchielevel und Salär mit oder ohne Führungsfunktion weit aufsteigen. «Unsere Topexperten können durchaus so viel verdienen wie ein Business Unit Manager», so Ghisletti. «Wenn ich das mit anderen Firmen und Branchen vergleiche, können Mitarbeitende bei HP viel weiter in einer Fachlaufbahn aufsteigen. Bei HP gebe es durch die Matrixorganisation und die sehr starke Internationalisierung eine Reihe von ausgeprägten Spezialistenfunktionen. «Ein Global Account Manager, der beispielsweise für den Account einer weltweiten Firma verantwortlich ist, hat zwar nicht direkt eine Managerfunktion, ist aber in seiner Funktion als Kundenberater sehr wichtig für unser Unternehmen. Das sind High-Level-Mitarbeiter», erklärt Ghisletti. Titel spielen dabei nach Aussage des HR-Leiters keine grosse Rolle: «Natürlich erhalten die Mitarbeitenden mit jeder Hierarchiestufe höhere Titel, aber das sind eher interne Titel. Nach aussen sind diese bei HP nicht so entscheidend, oft steht nur die Funktion auf der Visitenkarte.»

«Als ich zu HP kam, ist mir vor allem eines aufgefallen: Die Mitarbeitenden hier identifizieren sich wenig über ihre hierarchische Funktion oder darüber, ob sie eine Führungsfunktion innehaben und wie viele Leute sie führen. Das spielt keine grosse Rolle, denn viele Fachleute bei uns haben ein virtuelles Team, das weltweit verstreut ist, da sitzt ein Spezialist in den USA, einer in der Schweiz, einer in England. Es spielt keine Rolle, wer an wen rapportiert, sie arbeiten einfach als Spezialisten zusammen, um gemeinsam die beste Lösung zu realisieren.» Deshalb sei die Frage, ob es eine Fachkarriere gebe oder eben nicht, intern kein grosses Thema. «Ich als HR-Leiter führe zum Beispiel nur fünf Leute direkt, obwohl weltweit 15 bis 20 Leute direkt oder indirekt für das HR in der Schweiz arbeiten. Wie viele Leute ich führe, sagt wenig aus», so 
Ghisletti.

«Eingeschlagene Laufbahnen meist eingehalten»

«Wir haben seit vielen Jahren den Grundsatz, dass wir als technologiegetriebenes Unternehmen unseren Fach- und Führungskräften in der jeweiligen Laufbahn vergleichbare Perspektiven und Wertschätzung entgegenbringen», sagt Andreas Grobe, HR-Leiter bei Rehau, einem der grössten Polymerverarbeiter der Welt. Hierarchisch ist der Aufstieg in der Fachlaufbahn – also ohne grössere Personalverantwortung – bis in obere Ebenen des Unternehmens möglich. «Ganz oben wird die Luft für die reine Fachlaufbahn jedoch dünn. Es gibt kein Geschäftsleitungsmitglied ohne ausgeprägte Führungsverantwortung.»

So steht beispielsweise der Nachwuchskraft in der Fachlaufbahn der Schritt zum Referenten und Referatsleiter, in der Führungslaufbahn die Entwicklung zum Gruppenleiter und Abteilungsleiter offen.

Eine dritte Karriereoption, die Projektlaufbahn, hat vor allem im Geschäftsbereich Automotive – einem der drei strategischen Geschäftsfelder der Unternehmensgruppe – eine lange Tradition. Dabei sei genau definiert, wann jemand zum Projektleiter befördert wird, welchen Aufgabenbereich er verantwortet und was seine Zuständigkeiten im Hinblick auf Entscheidungsvollmachten sind, erklärt Grobe. «Wenn Rehau zum Beispiel 
einen neuen Stossfänger für Mercedes entwickelt, dann wird dieser Auftrag intern und extern von einem Projektleiter koordiniert und gesteuert. Die Projektleiter werden neben den klassischen Projektmanagement-Tools auch in Teambuilding, Motivation, Konfliktmanagement etc. geschult. «Sie haben aber gegenüber den Mitarbeitern aus den verschiedenen Bereichen im Projekt keine direkte Weisungsbefugnis», sagt Grobe. «Es ist schon eine besondere Herausforderung, jemandem zwar fachlich, nicht aber disziplinarisch ‹vorgesetzt› zu sein.» Zu personellen Fragen müsse sich der Projektleiter jeweils mit dem zuständigen Vorgesetzten abstimmen.

Auch ist ein Wechsel zwischen den Laufbahnen möglich. So hat ein Experte, der an die Grenzen der Fachlaufbahn stösst, grundsätzlich die Möglichkeit, sich bei entsprechender Eignung einer Führungslaufbahn zu widmen. Und auch horizontale Karriereschritte sind denkbar: «Das kann Jobrotation sein oder Auslandseinsätze. Ich denke da beispielsweise an einen Werkleiter, der in die deutsche Hauptverwaltung wechselte und im Bereich Operations eine Fachaufgabe auf der gleichen Hierarchiestufe wahrnahm, dann vor Ort neue Werke in Osteuropa aufgebaut hat und jetzt wieder Werkleiter in Deutschland ist. Wer mobil ist und das entsprechende Potenzial hat, dem sind wenige Grenzen gesetzt.»
Tendenziell werde aber eine einmal eingeschlagene Laufbahn beibehalten, aber die Durchlässigkeit ist für manchen eine gute Chance, die eigenen Stärken zu erkennen und nicht ein Leben lang in einer Laufbahn festzustecken, meint Grobe.

«Künstliche 
Separation unnötig»

«Die verschiedenen Laufbahnen sind bei der Forschung von Novartis ein komplexes Thema das uns häufig beschäftigt», sagt Quirin Zink, Head HR des Forschungsbereichs von Novartis Schweiz. «Gerade in der Forschung ist es natürlich explizit wichtig, dass wir unsere Fachkräfte stärken, entwickeln und halten, und deshalb haben wir auch eine Fachlaufbahn. Die Mitarbeiter dieser Laufbahn generieren und konzipieren innovative Forschungsprojekte oder Programme und leiten wissenschaftliche Initiativen mit zunehmender Komplexität und Einfluss auf den Medikamentenentwicklungsprozess.»

Daneben gibt es im Forschungsbereich noch eine Management- und eine technische Laufbahn. Letztere führen in zunehmender Verantwortung die Forschungsexperimente aus und interpretieren diese. Diese Laufbahn ist auch die einzige, bei der man nur bis zu einem bestimmten Punkt aufsteigen kann – auf einer Skala von 1 bis 14 nur bis zur 10. In der Fach- und in der Managementlaufbahn ist ein Aufstieg bis in die Geschäftsleitung möglich, wo die Forscher die wissenschaftliche Strategie und das Forschungsportfolie festlegen. «Sie treiben voran, welche Medikamente später auf den Markt kommen», so Zink.

Letztlich funktioniert die Forschung jedoch nur, wenn alle drei Laufbahnen ineinandergreifen: «Forschung besteht nicht mehr darin, dass zum Beispiel ein einzelner Chemiker oder Biologe in einem Kämmerlein eine Entdeckung macht.

Dahinter steht immer ein Team, und jedes Teammitglied leistet einen wertvollen Beitrag. Deshalb sind wir auch am Überlegen, ob wir nur noch eine Laufbahn haben sollten, die die drei einzelnen Leitern integriert», so Zink. Diese seien zwar durchlässig, stünden aber eben doch nur nebeneinander und würden so eine künstliche Separation schaffen, die unnötig sei. Es würde dann zwar weiterhin verschiedene Aufgabengebiete geben. Diese heissen dann aber nicht mehr unterschiedlich. «Das ist aus meiner Sicht ein Zeichen, dass wir als Team zusammenarbeiten wollen und nicht separieren», so Zink. «Und wenn man die Biografien unserer Leute anschaut, dann ist es fast willkürlich, diese in Manager und Forscher zu unterteilen. Denn beide sind, wenn sie über bestimmte Krankheiten reden, Experten.»

In der Forschung hätten auch die Führungskräfte einen fundierten wissenschaftlichen Hintergrund mit Doktortitel und Post-doc. Deshalb sei es auch leicht, zwischen den Karrieren zu wechseln; das notwendige Managementrüstzeug wird den Forschern dann in internen Weiterbildungen an die Hand gegeben. Und auch der Schritt zurück sei jederzeit denkbar, denn jede Führungskraft ist zu allen Zeiten in den Stand der Forschung involviert. Allerdings gebe es weniger Wechsel von der Managementlaufbahn in die Forschungslaufbahn als umgekehrt. Generell seien Laufbahntitel in der Forscherkarriere jedoch eher zweitrangig: «Forscher ticken anders, sie wollen vor allem in ihrem Feld durch ihren wissenschaftlichen Beitrag bekannt sein. Das Wichtigste für sie ist, ein neues Medikament auf den Markt zu bringen, für das es derzeit noch keine Therapie gibt. Und das gilt für Forscher wie für Manager», so Zink. Und daran werden alle letztlich auch gemessen: Die Beförderung innerhalb der Laufbahnen erfolgt nach sehr stichhaltigen und überprüfbaren Kriterien. «Da wird geschaut, ob jemand konkret ein Medikament entdeckt hat, wichtige Meilensteine erreicht hat, neue Technologien erschlossen hat oder Kollaborationen mit anderen Forschungsinstituten ermöglicht hat», erklärt Zink.

«Hochrangige 
Fachkraft weltweit gefragt»

Die Vertriebsorganisation von Cisco in der Schweiz setzt sich aus einer Sales Crew und einer technischen Crew zusammen. Für beide ist sowohl eine Managementkarriere als auch eine Fachkarriere möglich. «Ein Manager der technischen Crew kann bei Cisco bis zum Director System Engineer aufsteigen. In der technischen Fachschiene heisst die gleichwertige Position – ebenfalls auf Director-Ebene – Distinguished System Engineer. Von diesen gibt es bei Cisco weltweit nur sehr wenige. In der Schweiz sogar nur einen. Diese Experten werden von verschiedensten Stellen sehr häufig angefragt und sind weltweit im Einsatz», erklärt Beat Schwab, HR-Leiter Schweiz bei Cisco. «Der Experte auf Director Level Schweiz hatte während seiner gesamten Laufbahn nie eine Führungsaufgabe.

Heute ist er 63 Jahre alt, möchte weniger reisen und suchte daher eine neue Aufgabe innerhalb von Cisco. Aufgrund seines Fachwissens bemühten sich gleich mehrere Ländergesellschaften um ihn.» Fachleute in dieser Position, so Schwab, würden hoch geschätzt. Um dorthin zu gelangen, müssten die Experten zahlreiche Prüfungen absolvieren, Referate halten, vor Kommissionen treten und Empfehlungen mitbringen. «Bei einem Mitarbeitergespräch sagte mir ein junger Mitarbeiter vor kurzem, es sei sein grosses Ziel, Distinguished System Engineer zu werden. Dann könne sein Vater, der eigentlich wollte, dass der Sohn studiert, auch wieder stolz auf ihn sein», erzählt Schwab. «Ich glaube, das zeigt die Wertschätzung dieser Leute.»

Fach- und Managementkarriere lassen sich bezüglich Anforderungen und Karriereschritten nur schwer miteinander vergleichen. Bei der Fachkarriere setzt jede Beförderung genau definierte Kenntnisse in einzelnen Fachgebieten voraus, die der Kandidat an Prüfungen belegen muss. In der Managementkarriere spielen weiche Faktoren, die sich nicht auf die Kommastelle definieren lassen, für den Werdegang eines Mitarbeitenden eine grössere Rolle. Da geht es um Fähigkeiten, ein Team zu führen und zu motivieren, oder auch darum, Beziehungen mit Kunden, Partnern und Mitarbeitenden aufzubauen und dieses Netzwerk möglichst effizient zu nutzen. «Für Fach- oder Managementkarriere müssen die Mitarbeitenden unterschiedliche Qualitäten mitbringen», fasst Beat Schwab zusammen. «Beide Karrieren erfahren bei Cisco jedoch dieselbe Wertschätzung und beide sind sehr wichtig für das Unternehmen.»

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